Nordseeküstenradweg von Dagebüll nach Tönning – Unendliche Weiden!

Schiffswrack mit Hallig

84 Kilometer und irrsinnige 73 Höhenmeter
Gefahren am 22. Mai 2023

Wer auf diesem Abschnitt des Nordseeküstenradwegs unterwegs ist, braucht Geduld, Ausdauer und viel Sinn für´s Detail!

Für heute Nachmittag gibt es eine Wetterwarnung: Sturmböen, Starkregen und Gewitter ab 15:00 Uhr. Für uns ein Grund, doch wieder ein Last-Minute-Hotelzimmer zu buchen und heute mal nicht zu bummeln.

Der alte Leuchtturm in Dagebüll ist das letzte größere Gebäude für die nächsten 40 Kilometer. Wir fahren auf glatten, aber ziemlich zugesprenkelten Wegen immer vor oder hinter dem Deich, umgeben von tausenden Schafen und … Gras!

Beim Radeln in eher reizarmer Umgebung fallen einem kleine Details in der Flora und Fauna auf. Die Schafe dieser Weide sehen ein wenig anders aus als die zuvor. Es gibt die bräunlicheren oder beigeren, die mit längeren Gesichtern oder die mit schweine-ähnlicher Statur. Die einen sind neugierig, die anderen eher teilnahmslos. Dann gibt es die mit den großen Ohren, die fast intelligent aussehen – man sieht sie fast immer nur von Weitem. Aber fast allen ist gemein, dass sie immer fressen und wenig scheu sind, ganz anders als die schottischen Schafe oder die aus Yorkshire!

Ein Stück England in Nordfriesland ..

Unterschiedlich sind auch die vielen Nuancen der Feuchtwiesen, die wir passieren: Die einen sind grün und der Bewuchs eher zart, die anderen sind bräunlich und besenartig. Es gibt auch üppige, mit Sumpfgras bewachsene. Nur eins sehen wir nicht – das Meer!

In der Ferne erkennen wir ein paar dunkle Erhebungen, wie Schiffe, am Horizont – das sind die Halligen und deren Gehöfte, auf Warften angelegt. Auf die Hallig Neuwarft führt sogar eine Transportbahn, deren Schienen wir überqueren. Wow!

Alle etwa 800 Meter gibt es ein Schafgatter, dass es zu öffnen und zu durchfahren gilt. Eine willkommene Abwechslung, die verhindert, dass wir uns in der Kontemplation verlieren. Quietsch, Krach, hallo wach! Es sind etwa dreißig, bis ich mit den Zählen aufhöre.

Das alles klingt sehr negativ, aber das ist es nicht. Bei angenehmen Temperaturen radeln wir nahezu mühelos dahin, der Wind hält uns nur etappenweise auf. Vielmehr kühlt er angenehm, wo es streckenweise recht schwül ist. Jede(r) hängt seinen eigenen Gedanken nach und Autos und andere Lärmquellen gibt es kaum. Hin und wieder umschwirren uns Schwalben oder Lerchen und die Schafe blöken in unterschiedlichsten Stimm-Varianten.

Husum

Eine unwillkommene Unterbrechung ist Husum. Eigentlich ist die Stadt ganz nett, aber sie ist dem Flow hinderlich. Gut genug für einen Einkauf und eine A-Pause mit Kaffee on the fly. Weiter geht‘s zurück an den Deich!

Bis Tönning sehen wir kein Meerwasser. Wir passieren Priele, Siele und Brackwasser-Seen, auch Abschnitte mit klassischem Watt. Da habe ich hier eine tolle Strecke ausbaldowert, aber die Tide nicht beachtet!

Tönning

Tönning ist ein nettes Örtchen, das wir jedoch komplett im Regen erleben, Immerhin haben wir den Ort noch vor dem Starkregen erreicht.

Fazit des heutigen Tages: Tolle Tour, aber bitte nicht jeden Tag. Ein bisschen abwechslungsreicher sollte es auf Dauer schon sein …

Auf dem Festland kurz vor Tönning

Querfeldein von der Ostsee zur Nordsee – Nur fliegen ist schneller!

Flensburg nach Dagebüll, 62 Kilometer, 170 Höhenmeter
Gefahren am 21. Mai 2023

Heute ist das Fahrgefühl so, wie wir uns das Radeln im Hohen Norden vorgestellt haben. Es ist flach, flacher, am flachsten und einmal angefahren, heißt es nur noch Rollen!

Den einzigen nennenswerten Anstieg heute haben wir direkt in Flensburg. Nach dem Hafen geht es einmal ordentlich bergauf und dann nur noch runter. Der Hafen ist heute am Sonntagmorgen übrigens wesentlich ruhiger als gestern!

Interessant ist, dass uns auf flachen und asphaltierten Routen immer sehr schnell der Hintern wehtut. Alle 20 Kilometer müssen wir mindestens eine „Arschpause“ machen. Da es sich hier um keine touristische Strecke handelt, ist es nicht so einfach, Pausenplätze zu finden. So rasten wir auf dem Dorfplatz von Medelby und an einer Bushaltestelle im Nirgendwo zwischen Medelby und Niebüll.

Medelby
Pause 2

Wegequalität heute: Landstraßen, wenig befahren, ohne Radweg. Landstraßen, mehr befahren, mit hubbeligen bis sehr hubbeligen Radwegen (Shame on Osterby!).
Einspurige geteerte Wege zwischen Gehöften (unsere Favoriten!) oder die von uns weniger geschätzten Sandwege mit Feinkies-Einlage (uhhhh!). Aber für alle gilt – bitte schnurgerade!

An einer Stelle haben wir links Deutschland und rechts Dänemark, die EU-Binnengrenze mit einem einfachen Metallzaun gesichert. Friedel hält’s für einen Grundstückszaun, aber mitten zwischen den Feldern? 🙂

Aufgrund der eher langweiligen Landschaft müssten wir heute eigentlich heute mauliger als gestern sein. Dem ist aber nicht so – Es gibt kaum Autoverkehr, der Wind weht genau so, dass man es als angenehm empfindet und auf den Feinkies-Wegen geht es im Gegensatz zu gestern nicht bergauf!

Außerdem ist die Jahreszeit einfach ideal, um auch eher reizärmere Landschaften genießen zu können: Von links duftet der Flieder, von rechts der Raps und das eine oder andere Friesenhaus mit Reetdach entzückt. Je näher wir der Nordseeküste kommen, desto größer übrigens der Anteil an Bauernhöfen mit diesen Schilfdächern.

Zweisprachige Ortsschilder verraten uns übrigens, dass wir im Land der dänischen Minderheit und der Nordfriesen in Deutschland unterwegs sind. Das ist nicht dasselbe! Der Landkreis Nordfriesland ist mit fünf Sprachen der sprachenreichste in Deutschland. Das Herz der Linguistin hüpft!
Hier heißen alle Jenssen, Petersen, Olsen oder Almquist. Dagebüll heißt übrigens auch Doogebel, auf Nordfriesisch.

In Niebüll gibt es die Kaffeepause in einem Café mit Kuchen heute schon um eins und wir dehnen sie lange aus. Sooo früh wollen wir heute auch nicht am Ziel ankommen!

Dagebüll ist in erster Linie der Fährhafen nach Amrum und Föhr plus ein paar Hotels, einer wildwestartigen Restaurant -, Läden- und Fischbudenmeile und einem Ferienhauspark. Wir hatten erwogen, hier zu campen, aber bei näherer Recherche erwies sich der Campingplatz als parzellierter Wohnwagenpark, wenig ansprechend für uns Zeltcamper. Da habe ich uns kurzerhand über „booking-com“ in ein Hotelzimmer gebucht. Wie campen geht, das wissen wir ja schon! 🙂

Wir schieben uns und die Fahrräder zum Fähr-Terminal, einmal über den Deich und einmal über die Restaurant-Meile. Es ist gerade Flut und Strand gibt es keinen. Vielleicht später?

Da gibt es nichts anderes als chillen im Hotelzimmer, immerhin mit Meerblick. Das Zimmer ist wesentlich billiger als das gestern in Flensburg, bietet aber ungleich mehr für das Geld. So gibt es immer wieder Überraschungen!

Stilecht suchen wir uns für den Abend das ausgewiesene Fischrestaurant im Ort aus. Auch hier – ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Fast wie vor Corona! Nicht schlecht, dieser Transit-Tag!