Heute nix mit E11: Welcome to Lithuania!

Goldap nach Marijampole
Gefahren am 5. August 2023
96 Kilometer, 684 Höhenmeter

Wie ihr gestern gelesen habt, sind wir ja ziemlich genervt von den Straßenverhältnissen in Polen. Wenn wir weiter auf dem E11 bleiben würden, wären es noch zwei weitere Radwandertage in Polen, bis wir die litauische Grenze erreichen würden. Danach noch vier Tage in Litauen, bis wir nach Kaunas kämen, zur zweitgrößten Stadt in Litauen. Der E11 macht nämlich hier in Grenznähe sehr viele Schlenker. Wenn wir aber etwas mehr Straße einplanen und direkter fahren, brauchen wir eigentlich nur zwei bis drei Tage bis Kaunas. Eigentlich wollten wir nicht mogeln, aber wir wollen auch mal ein wenig voran kommen und ein neues Land sehen.

Tschüss Polen!

Unsere Strategie für heute: Stramm durchstrampeln und bis nach Litauen kommen. Das geht aber nur, wenn wir hauptsächlich auf der Straße fahren und wenig im Wald. Heute hauen wir rein und sind dann in knapp 90 Kilometern in der ersten Stadt in Litauen!

Polen zeigt sich heute Vormittag noch mal von seiner besten Seite: Die Sonne lacht, es gibt relativ ordentliche Straßen mit wenig Verkehr und die Landschaft ist sehr ansprechend: Seen (fast immer mit öffentlichem Zugang!), schöne, schattige Alleen und eine hügelige Landschaft mit Ausblicken.

Unseren ersten längeren Halt machen wir am Dreiländereck Polen/Litauen/Russland. Wir müssen nämlich eine weite Strecke dicht an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad radeln, um zum sogenannten „Suwalki-Korridor“ zu gelangen, der nur 104 Kilometer langen Grenzlinie (Luftlinie 65 Kilometer) zwischen Polen und Litauen. Westlich des Korridors liegt russisches Gebiet, östlich davon weißrussisches. Beides nicht unbedingt Länder, durch die man momentan fahren möchte!

Vor einem Jahr war das hier noch ohne Stacheldraht

Natürlich geht es dabei auch ordentlich bergauf und bergab, aber auf Asphalt ist das halb so schlimm. Wir kommen gut voran und die Stimmung ist gut!

Nein, Steffi, da ist nicht Litauen!

Danach machen wir leider keine Fotos mehr. Es beginnt nämlich zu regnen, nein zu pladdern! Wir überqueren die Grenze fast unmerklich an einer sehr unauffälligen Stelle zwischen den Dörfern Krejviani (Polnisch) und Klinavas auf der litauischen Seite.

Auf der polnischen Seite – nasser Sand. Auf der litauischen Seite – nasser Sand. Wir quälen uns endlos durch die ersten litauischen Kilometer, sacken zentimetertief im Sand, nein Schlamm ein, bis wir endlich nach zehn langen Kilometern auf einer asphaltierten Straße landen. Jetzt sausen wir die letzten 30 Kilometer bis zu unseren Ziel, an einer dichtbefahrenen Straße bis zum Mercure-Hotel in Marijampole. Klatschnass kommen wir dort an und werden zum ersten Mal auf unserer Reise so richtig, richtig unfreundlich behandelt. Nein, es gibt überhaupt keinen Platz für unsere Räder, nein, eine Zahlung mit EC-Karte sei nicht möglich, nur mit Kreditkarte. Wir schließen also unsere Räder vor dem Hotel aneinander und kramen im strömenden Regen meine Kreditkarte aus der klatschnassen Satteltasche. Wow, das wird aber eine fiese Bewertung bei „Booking.com“ geben!

Litauen hat eine Kaffee-Kultur!🤣

Zum Glück treffen wir am Abend zwei wunderbare polnische Radfahrer aus Elblag/Elbing, die wie wir in Richtung Riga unterwegs sind. Da müssen wir erst Litauen sein, um tolle Polen kennenzulernen! 😜

E11 – Ab jetzt wird wirklich gemogelt!

In Ermangelung anderer Pausenplätze …

Wegorzewo nach Goldap
Gefahren am 4. August 2023
80 Kilometer, 738 Höhenmeter

Puhhh! Das war heute mal wieder ein echter Knaller. Ständig ging es rauf und runter, zweimal landeten wir wieder im Dickicht und zwischendurch beradelten wir fiese Schotterwege und Straßen voller Schlaglöcher.

Heute gestehen wir es uns endlich ein – Wir haben endgültig die Nase voll vom Radeln in Polen. Mag sein, dass es nett ist, sich in einem Ferienhaus an einem der Masurischen Seen einzumieten und angenehm im warmen Seewasser zu planschen, aber wir als Bikepacker haben eine andere Sicht auf die Infrastruktur hier. Wir, Friedel und Steffi als Bikepacker, halten es hier nicht mehr länger aus und können leider nicht die Empfehlung aussprechen, als Fernwanderer oder Radler hier in Polen unterwegs zu sein.

Die Fernwege (sei es der E11, der Camino Polaco oder regionale Radwege) führen häufjg an skandalös verwahrlosten Landstraßen entlang – Gestern zum Beispiel sage und schreibe 30 Kilometer am Stück, größtenteils ohne Rad- oder Gehweg, voller Schlaglöcher und Spurrillen. Großes Lob an die Polen, die als Autofahrer in der Regel sehr korrekt Rücksicht nehmen und hinter einem warten, bis sie mit Sicherheitsabstand überholen können. Leider sind das aber nicht alle und Spaß macht es auch nicht, wenn einem da ständig eine Kolonne am Hinterrad hängt.

Heute irgendwo in Ostpreußen …

In Polen gibt es in der Regel keine Unterscheidung zwischen Rad- und Wanderweg. Ich finde die Polen erstaunlich tolerant und rücksichtsvoll, was das die Kooperation von Rad- und Fußgängern auf gemeinsam genutzten Wegen betrifft. Die Autofahrer sind in der Stadt umsichtig und halten z.B. an Rad- und Fußgänger-Überwegen. Friedel und ich stehen z.B. unbedarft an einer Kreuzung und gucken nach dem Weg, und links und rechts von uns halten die Autofahrer und warten darauf, dass wir Schnarchis die Straße überqueren. Peinlich!

Aber nie hupt einer oder schimpft. Auch nicht, wenn wir bräsig auf der Straße herumschlingern, weil wir nicht wissen, wo wir abbiegen sollen. Die Autofahrer untereinander scheinen auch sehr tolerant zu sein. Ehrlich gesagt haben wir in Polen noch nie jemanden hupen hören!

Aber: Außerhalb der Stadt geht es rüder zu. Jeden Tag werden wir eingestaubt von Autofahrern auf Schotterstraßen – Nur sehr wenige fahren rücksichtsvoll langsam.

Die „Radwege“ und Wanderwege sind echt unter aller Kanone. Was hier als Radweg deklariert wird, nennen wir eine Zumutung. Schotter, Sand, lange Passagen mit 20 Zentimeter breiten Querrillen, bei denen man mit fünf km/h das Fahrrad kaum noch halten kann. Wenn der E11 nur als „Pfad“ deklariert ist, kriegen wir inzwischen die Panik, weil wir wissen dass der Weg oft absolut zugewachsen ist und eigentlich weder fahr- noch wanderbar ist. Unterholz bis Knie- oder Hüfthöhe, Büsche, Sträucher, Dornen. Oft tiefe Spurrillen von Traktoren, aufgefüllt mit Knüppeln, über die wir unsere vollgepackten Räder nur tragen können. Dabei werden wir von Stechfliegen und Mücken umschwirrt, die Dank Autan nicht auf uns landen, aber trotzdem nerven. Schönen Dank auch! Und das fast jeden Tag! Heute drei lange Kilometer!

Der WEG!

Dazu kommt, dass das erhoffte Naturerlebnis bei uns nicht zündet. An keiner Stelle haben wir bisher „wow!“ gesagt und haben gedacht, dass es das so in Deutschland nicht gäbe. Hier sieht es aus wie in der Holsteinischen Schweiz, was sehr schön ist, aber eigentlich keine weite Reise wert ist. Auch Bären und Elche haben wir bisher keine gesehen. Die Seen sind verschilft oder an den wenigen zugänglichen Stellen zugebaut. Überall fahren im Wald die Autos. Die ehemals deutschen Gehöfte und Güter, die wir passieren, wirken größtenteils verwahrlost oder werden durch luxuriöse moderne Villen ersetzt. Niemand scheint Interesse daran zu haben, alte Substanz zu erhalten. Auch die alten Wege zwischen den Gehöften – E11 und Camino – verkommen. Wir finden: Eine traurige Entwicklung.

Hunde – jeder Hof hat einen oder mehrere. Und leider sind die Tore nicht immer geschlossen. Das heisst in der Praxis: Gleich ist es wieder soweit, du kommst um die Ecke, das Bellen fängt an, du hoffst, dass das Tor geschlossen ist, was manchmal nicht der Fall ist…
Bisher ist noch nichts passiert!

So! Jetzt haben wir aber ordentlich abgerechnet mit diesem Land. Wir sind trotzdem glücklich (aber erschöpft) in Goldap angekommen, sitzen satt auf der Hotelterrasse und freuen uns, dass das Wetter uns bisher hold war und die Fahrräder bei allen Widrigkeiten gehalten haben.

Morgen schauen wir, wie es weiter geht .. aber wir sind mittlerweile ziemlich angekekst!

In der Borkener Heide. Cool eigentlich .. aber die Insekten!

E11 – Spielplatz Nazideutschland

„Wolfenstein“ lässt grüßen!

Reszel nach Wegorzewo (Angerburg)
Gefahren am 3. August 2023
73 Kilometer, 518 Höhenmeter

Heute fahren wir an drei Haupt-Sehenswürdigkeiten der Region vorbei – und besuchen keine der drei!

Shopping am Heiligtum

Wir sind nämlich weder katholisch noch militaristisch.
Die erste ist die wirklich weltberühmte Kirche von Swieta Lipka, auf deutsch Heiligenlinde. Um das Bauwerk herum sind die Parkplätze groß und die Devotionalien-Stände zahlreich. Immerhin gibt s keine klare Demarkationslinie, ab der keine heiligen Souvenirs mehr verkauft werden dürfen.
Wer sich für die Legende interessiert, die zu der Heiligkeit des Ortes geführt hat, möge bitte im Internet nachlesen. Wir haben die Geschichte schon wieder vergessen! Der Bus auf dem Bild kommt übrigens aus Kassel!

Die Ordensburg in Rastenburg ist viel mickriger als „unsere“ in Reszel!

Die drei Bilder oben stammen alle aus Ketrzyn (Rastenburg), ein Ort, an dem wir gern bei einem Kaffee gerastet hätten, aber wir haben kein Café gefunden. Am Ende haben wir einen Coffee-to-Go an der Tankstelle genommen. Wirklich peinlich für Rastenburg!

Auf einer eher unscheinbaren asphaltierten Straße im Wald wundern wir uns über das extrem starke Verkehrsaufkommen. Zwei Kilometer vor der Top-Touristen-Destination im Wald weisen uns Plakate bereits darauf hin, was uns erwartet. Hier, mitten im Wald, war das Führer-Hauptquartier WOLFSSCHANZE!

Die Polen haben daraus einen echten Abenteuer-Spielplatz gemacht. Zuerst kommt ein großer Platz mit Fluggeräten „zum Anfassen“ aus dem zweiten Weltkrieg, in die man hineinklettern und tolle Fotos machen kann.

Im Anschluss das Areal des eigentlichen Hauptquartiers selbst, wo man Hitlers Bunker, Goebbels Bunker und diverse andere besichtigen kann. Selbst wenn wir erwogen hätten, die Anlage zu besichtigen, wäre uns spätestens bei der Autoschlange die Lust vergangen. Und dabei ist heute Donnerstag, also mitten in der Woche!

Direkt hinter der Wolfsschanze gibt es dann eine Art Märchenland, auf das man die quengelnden Kinder vertrösten kann, wenn sie keine Lust mehr auf die Bunkerei haben. Bemerkenswert ist dabei, dass die Plakate am Eingang auch auf eine Militärausstellung für Kinder hinweisen und auf „Hitler‘s Garden“!
Wir sagen nur: Autsch! :-/

Wir schlagen uns lieber in den Mais und genießen die Ruhe der masurischen Seenlandschaft ..

Ein sehr langes Teilstück unseres heutigen Wegs führt uns am Mauersee entlang. Das Ding ist wirklich riesengroß und weil es heute recht windig ist, schlagen richtige Wellen an das Ufer. Wer einen so großen See vor der Tür hat, der braucht das Meer nicht mehr!
An zwei Stellen kommen wir heute sogar direkt an das Ufer!

Mauersee

Interessant, das uns heute recht viele andere Radler entgegen kommen, einige sogar elektrisch und mit Packtaschen. Wir befinden uns hier scheinbar im Top-Touristen-Gebiet!

Als wir bei einer Rast deutsche Stimmen hören, wagen wir es, die drei anderen Radler anzusprechen. Wie blöd sind doch oft unsere Landsmänner und Frauen!
Die zwei Frauen und der Mann beäugen uns ausgesprochen skeptisch und man muss ihnen quasi alles aus der Nase ziehen. Als sie hören, dass wir morgen nach Goldap fahren wollen, schnaubt der Mann und höhnt „Goldap? Da waren wir schon! Na dann viel Spaß!“
Als ich nachfrage, was denn da so schlecht sei – „Die Wege? Der Sumpf? Die Stadt?“ lacht er auf und meint „Ja, auch.“ Ich hatte dann keine Lust mehr, weiter nachzufragen ..

Bei einer Pause in einer „Radstation“ sitzt da bereits ein anderer Radler, auch mit vollgepackten Rad. Er ignoriert uns vollkommen und ist nicht bereit, zurück zu grüßen oder Blickkontakt aufzunehmen. Das kennen wir von unseren früheren Wanderungen und Begegnungen mit Fußgängern nicht. Komisch, oder?

Unser Route führt heute sehr wenig durch Wald, aber über viele Asphalt und Feinschotter-Straßen. Deshalb kommen wir gut voran und die Kilometer fliegen nur so an uns vorbei. Kein Vergleich zu den ersten Tagen, als wir uns durch den Sand kämpfen mussten.

Wegorzewo (Angerburg)

Die dritte Sehenswürdigkeit ist das ehemalige Hauptquartier des Deutschen Heeres, auf das wir aber auch keinen Bock haben. Hier wird damit geworben, einen Nachbau des legendären „Bernsteinzimmers“ besichtigen zu können.So ein Bullshit!
Außerdem kann man die Bunker mit Taschenlampen selbst erforschen. Das wollte ich immer schon mal machen!

Unser Zielort Wegorzewo/Angerburg hat architektonisch wenig zu bieten, alles ist neu hier. Der Ort ist durch einen Kanal mit dem Mauersee und den umliegenden See verbunden und besitzt als Hauptattraktion einen großen Yachthafen.
Für uns ist am wichtigsten, dass wir hier ein Bett bekommen (heute ein Apartment) und an „Ryby“, „Frytki“ und „Piwo“ kommen! 🙂

E11/Camino Polaco: Der Camino ist auch nicht besser!

Olsztyn (Allenstein) nach Reszel (Rößel)
Gefahren am 2. August 2023
77 Kilometer, 723 Höhenmeter

Der Regen von gestern hat sich heute restlos verzogen.
In strahlendem Sonnenschein verlassen wir Allenstein und passieren noch das prächtige Rathaus, des wir gestern nicht gesehen haben.

Unser erstes Abenteuer heute besteht darin, dass wir erneut Geld tauschen müssen. Zwar können wir viel mit Bankkarte bezahlen, aber etwas Kleingeld brauchen wir immer. Wir versuchen es heute bei diversen Automaten, aber erst am dritten sind wir mit dem Wechselkurs einverstanden. Augen auf beim Sloty-Kauf! 🙂

Unsere Route heute haben wir unseren Bedürfnissen angepasst. Wären wir dem E11 weiter gefolgt, hätte er uns bis nach Lidzbark Warminski geführt, einem Ort, der bei Booking.com nur zwei Hotels im seeehr hochpreisigen Bereich angeboten hat. Alles andere war schon voll. Z.B. das Zimmer im fancy Burghotel dort hätte uns 145 Euro mit Frühstück gekostet und vermutlich wären wir dort mit unserem Radler-Outfit sehr aufgefallen. Auf dem Camino kommen wir in etwa 75 Klometern bis nach Reszel, das auch am E11 liegt, aber schon etwas weiter östlich. Das dortige Burghotel hat Zimmer schon für 100 Euro, auch recht hochpreisig, aber schon eher unser Kragenweite. Spoiler-Alarm: Wir haben die Buchung nicht bereut!

Kopernikus-Statue an der Ordensburg in Allenstein

Wie üblich führt uns der Wander- UND Radweg nach Allenstein kilometerweit an den Ausfallstraßen entlang. Heute finden wir es mal wieder besonders unverschämt, was Radlern in Polen zugemutet wird. Auf den unten stehenden Bildern seht ihr den Pilger- und gleichzeitig offiziellen Radweg neben einer vielbefahrenen Straße:

Der Radweg, seeehr hubbelig, da auch von Traktoren befahren
Hurra! Endlich ein korrekter Radweg!

Wie gestern geht es rauf und runter – Das hätten wir nicht gedacht, dass Nordpolen so hügelig ist! Im Verlauf des Tages kommen so über 700 Höhenmeter zusammen, teilweise haben wir uns mal wieder in Pudersand oder auf steinigen und wurzeligen Passagen nach oben gequält. Gefühlt sind wir irgendwie den ganzen Tag bergauf gefahren …

Leider müssen wir zugeben, dass Masuren bisher nicht unseren Erwartungen entspricht. Die Wälder sind wirklich toll, aber da warten fiese Stechfliegen und Mücken auf uns. Die Seen werden unserer Meinung nach überschätzt – Als Ferienhaus-Besitzer oder -Mieter hat man bestimmt eine tolle Zeit hier, aber wir kommen an die Seen oft gar nicht ran. Überall ist das Ufer eingezäunt, oft mit Sichtschutz und „Teren Privatny“-Schildern versehen. Die Dörfer und Kleinstädte wirken auf uns wie fast überall in Polen (und auch in manchen Landstrichen in Brandenburg) ziemlich trostlos. Die alte Bausubstanz im zweiten Weltkrieg zerstört, Zweckbauten nach dem Krieg schnell errichtet, aber mittlerweile auch oft verfallen. In den Kleinstädten ist ein Drittel der Häuser verlassen, ein Drittel wirkt zusammengeflickt und ein Drittel ist neu. Aber überall ist die Kirche das überdimensionierte Schmuckstück des Ortes!

Auch außerhalb der Wälder gibt es schönes Kulturland und schöne Alleen. Sich in diesen aber mit dem Fahrrad zu bewegen ist sehr anstrengend und nervenzehrend!

Eine schöne Alle, mal ohne große Schlaglöcher!
Dieses Stück des Caminos ist auch ein offizieller, markierter Radweg!
Radweg-Kennzeichen am Baum
Camino und Radweg

Wir können also behaupten, dass wir uns das Burghotel heute Abend absolut verdient haben. Das Zamek Reszel“ hat schöne, aber nicht überkandidelte Zimmer. Das Burgrestaurant ist nur wenig teurer als unsere bisherigen Restaurants und zwischen den normalen Burgtouristen fallen wir gar nicht auf. Wir beide haben noch nie in einer Burg übernachtet und sind sehr zufrieden! 🙂

Burg Reszel (Rößel)
Erste Hürde Ticketabsperrung überwunden
Wir sind Übernachtungsgäste – wohin mit den Schlachtrössern?
Burgrestaurant

Blöd nur, dass während unseres Abendessens eine Veranstaltungs-Bühne aus Alu-Elementen zusammengehauen wird. Hoffentlich sind die bis 22 Uhr fertig!

E11 – Der zweite Bummeltag, der keiner ist

Von Ostroda nach Olsztyn
Gefahren am 1. August 223
52 Kilometer, 550 Höhenmeter

Heute ist der erste richtige Regen-Radeltag. Am Anfang wollen wir unser Hotel kaum verlassen, aber irgendwann müssen wir halt raus. Dann ist es aber gar nicht so schlimm. Es regnet den ganzen Tag, aber nicht wirklich stark. Regenjacken und unsere albernen Überzieher für den Fahrradhelm reichen voll aus, ansonsten radeln wir wie immer in kurzen Hosen. Temperatur: 18 Grad.

Heute sind wir nicht auf dem E11, sondern auf dem Camino Polaco unterwegs. Wir haben nämlich geschummelt: Der E11 macht eine langen Umweg nach Süden, in wildes Gebiet ohne Unterkünfte. Wegen der schlechten Wetterlage wollten wir aber unbedingt ein Dach über dem Kopf haben und deshalb haben wir über Ostroda abgekürzt. Der Camino ist in der Tat direkter und lässt sich gut fahren!

Bis wir im Gebiet der Wald und Seen sind, müssen wir auf dem Camino satte 15 Kilometer Straße fahren. Für uns als Radfahrer ist das nicht so schlimm, aber als Camino-Wanderer hätten wir mordsmäßig geflucht!

Aber nach der Straßenpassage wird es richtig toll. Wir fahren durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft von Wiesen, Feldern und viel Wald. Mitten im Wald treffen wir immer wieder auf einzelne Gehöfte und kleine Dörfer, teilweise sogar mit Hinweisschildern auf Deutsch. So erfahren wir z.B., dass das Dorf Parwolken von deutschen Einwanderern gegründet wurde, um den Honig von Wildbienen im umliegenden „Urwald“ zu ernten. Sehr gern würden wir mehr solcher Infos erhalten!

Das größte Dorf in der Umgebung ist wohl der Ort Dietrichswalde“, heute Gietrzwald. Zentrum des Ortes ist die imposante Kirche auf dem Hügel, die beeindruckend groß für den kleinen Ort ist. Am Fuß des Hügels werden wir jedoch sogar auf Deutsch aufgefordert, dem Ort nur als „Pilger“ zu betreten. Sind wir Pilger, nur weil wir heute auf dem Camino unterwegs sind? Wir denken nicht, also hauen wir wieder ab.
Später lese ich auf Wikipedia, dass es hier im 19. Jahrhundert mehrere Marienerscheinungen gegeben hat, bezeugt von zwei Teenie-Mädels. Wie wir lesen, waren nicht nur wir skeptisch, sondern auch die masurische Obrigkeit in Allenstein. Bis heute zieht der Ort dennoch zahlreiche Pilger an.

Ab heute befinden wir uns offiziell in Masuren. Der Wald hier begeistert uns. Statt der typischen Kiefern-Monokulturen gibt es hier einen schönen Mischwald aus Nadelbäumen, Birken, Buchen und einem grünen Unterbewuchs aus Moosen, gelben Blümchen und Blaubeeren. Auch hier dominieren sandige Böden, aber durch den Regen der letzten Tage gibt es feste Fahrspuren und wir kommen gut voran. Die Reifen machen im Sand kaum ein Geräusch und wir fliegen sirrend leise durch den dampfenden Wald. Unvergesslich!

Mitunter geht es aber nass-sandig bergauf und wir kommen in unseren Regenjacken mächtig ins Schwitzen. Ganz so locker ist unser Bummeltag also auch nicht ..

Überhaupt – das haben wir noch gar nicht erwähnt – gibt es hier in Polen kaum abgestorbene Bäume. Das fiel uns schon direkt nach der Grenze zu Deutschland auf. Was machen wir in Deutschland nur falsch?

Bei unserer Mittagspause im Wald haben wir eine interessante Begegnung. Mitten aus dem Wald bricht plötzlich ein alter Mann aus dem Blaubeer-Gebüsch, mit einem Fahrrad. Er freut sich sichtlich uns zu sehen und spricht uns an.

Friedels Einwand, dass wir nur Deutsch oder Englisch verstehen, lässt er nicht gelten. Also spricht Friedel Deutsch und er Polnisch und beide Parteien unterstreichen ihre Rede mit Gesten. Der Dialog lautet ungefähr so:

„Wie selten, hier andere Menschen im Wald zu treffen!
“Ja, ich habe Pilze gesammelt, und Sie?“
“Wir fahren nach Allenstein, mit dem Fahrrad“
„Ah, ich verstehe! Schauen Sie mal, wie viele Pilze und Blaubeeren ich heute gesammelt habe!“
“Oh toll, die sind echt lecker“
“Wir fahren gleich weiter, in diese Richtung.“
“Ja, ich wohne in dieser Richtung!“
“Einen schönen Tag noch!“
“Ja, auch Ihnen einen schönen Tag!“

So – oder so ähnlich – wird es wohl gewesen sein. Denken wir … 🙂

Allenstein ist die Hauptstadt von Ermland-Masuren und ein wahrhaft prächtiger Ort und längst nicht so überlaufen wie Torun. Hier gibt es eine riesige Ordensburg, die größte, die wir bisher gesehen haben. Außerdem schöne Cafés und gute Restaurants. In einem davon schreiben wir gerade diesen Artikel.

Morgen bleiben wir auf dem Camino Polaco. Auf der nächsten Station des E11 gäbe es kaum Unterkünfte, nur seeehr hochpreisige. Wir sind nicht bereit, in Polen 140 Euro für eine Unterkunft zu zahlen, auch nicht für ein Schlosshotel. Wir wissen, dass sich England-Reisende jetzt kaputt lachen, aber wir sind mittlerweile etwas verwöhnt! 🙂

E11, der erste von zwei Bummeltagen

Jeziorak (Geserichsee)-See

Ilawa nach Ostroda (Osterode)
gefahren am 31.08.2023
44 Kilometer und 216 Höhenmeter

Wir haben ernsthaft überlegt, ob wir nicht die Strecke von Ilawa nach Olsztyn (Allenstein) an einem Tag fahren können. Allerdings wären das satte 94 Kilometer, bei – wie ihr schon wisst – unkalkulierbarem Terrain und unsicherer Wetterlage. Letztendlich haben wir die Strecke geteilt und fahren sie an zwei gemütlichen Bummeltagen. Heute also nur 44 Kilometer bis nach Osterode.

Rathaus Ilawa

Ilawa (oder Deutsch-Eylau) liegt am südlichen Ende des riesigen Jeziorak-Sees, dem längsten See Polens. Der Ort ist sehr touristisch ausgelegt und bietet leider kaum den Anblick einer nennenswerten Altstadt. Wir lesen, dass der Ort im zweiten Weltkrieg weitestgehend intakt blieb, dann aber NACH Kriegsende von der Sowjetarmee nahezu dem Erdboden gleichgemacht wurde. Sehr schade, der Ort hat leider für unseren Geschmack nur wenig Charme!

Unsere Tour führt uns am Anfang sehr lange am See entlang, aber leider kommt man fast nirgendwo ans Ufer. Alle Zugänge sind privat oder gehören zu Segelclubs.

Im Dorf Liwa (Biberswalde) treffen wir auf eine echte Besonderheit. An der Kirche und am Friedhof gibt es Erklärtafeln, die ausnahmsweise mal nicht nur auf Polnisch beschriftet sind, sondern auf Englisch UND Deutsch!
(Das Schild am Friedhof erklärte zum Beispiel, dass der Friedhof nach dem zweiten Weltkrieg seinen Charakter verändert hätte – aufgrund der demografischen Entwicklung. Gemeint ist damit eigentlich die Vertreibung der protestantischen deutschstämmigen Bevölkerung und der Ansiedlung katholischer Polen.)

Bisher haben wir nämlich sämtliche Infos über Sehenswürdigkeiten auf dem Weg ausschließlich mithilfe von Wikipedia erlangt. Auch sämtliche Hinweis- und Warnschilder sind fast immer ausschließlich auf Polnisch. Mühsam!

Der Oberländische Kanal

Hier am Oberländischen Kanal gibt es überhaupt keine Tafel. Dabei ist der Kanal eine echte Attraktion, denn er verbindet den Jeziorak-See mit der etwa einhundert Kilometer entfernten Ostsee. Dabei werden fünf Schiffshebe-Bahnen über Land eingesetzt, die Schiffe werden quasi über das Gras gezogen. Schon im 19. Jahrhundert war der Kanal eine Touristenattraktion und er ist es bis heute.

Die letzen zwanzig Kilometer fahren wir durch Wald und Wald und Wald. Auf dem oben abgebildeten Weg kommen und dabei zwei Traktoren, zwei Autos und ein Polizeiwagen entgegen. Außerdem drei Wanderer. Merkwürdig …

Ostroda

Ostroda trumpft mit seiner Lage am Drewenz-See und vielen Restaurants am Seeufer. Wir sind schon um 12:30 Uhr da und hängen mal so richtig in einer Strandbar ab. Zwei Kaffee Latte kosten uns umgerechnet sieben Euro. Für das gleiche Geld bekommen wir wenig später in einem Café in der Innenstadt zwei Latte UND zwei Stück Kuchen! Deswegen gehen wir am Abend auch nicht am Strand essen, sondern in einem Bistro in der (ein wenig heruntergekommenen) Innenstadt. Auf einer langen Reise muss man sparen!

Neben dem See ist die einzige eigentliche Sehenswürdigkeit die alten Ordensburg in Osterode. Auch sie wurde von der Sowjetarmee in Brand gesetzt, aber in den 70er-Jahren wieder aufgebaut.

Ingesamt ist der heutige Tag recht entspannt, aber eigentlich sind wir unterfordert. Die Zeit bis zum Check-In im Hotel um 16:00 Uhr müssen wir irgendwie totschlagen und dafür gibt der Ort zu wenig her. Dann gibt es noch ein fieses Gewitter und wir schaffen es gerade noch, relativ trocken im Hotel anzukommen.

Ostroda ist übrigens die Partnerstadt von Osterode am Harz, etwa 25 Kilometer von Seesen entfernt. Im Geiste überbringen wir freundliche Grüße von der Partnerstadt!

Der E11 – Eylauer Seenplatte, hart aber herzlich!

Brodnica nach Ilawa (Deutsch Eylau)
Gefahren am 30. Juli 2023
58 Kilometer, 595 Höhenmeter

Was für ein toller Radtag heute! Sehr anstrengend, aber auch sehr schön. Und natürlich konnte wir uns die Mückenseen mal wieder nicht verkneifen. Seenplatte ohne Seen wären doof!

Kulmer Tor in Brodnica

Gestern haben wir Brodnicas dritte Sehenswürdigkeit nicht entdeckt. Heute bei der Abfahrt kommen wir aber direkt am Kulmer Tor vorbei. Und direkt nach dem Ort geht es los mit den Seen …

Eine schöne Mischung von Wald, Wasser und Feldern erwartet uns heute. Wir kommen durch keinen nennenswert größeren Ort. Kein Problem für uns, denn am Sonntag haben die Supermärkte wie in Deutschland alle zu. Der Trinkjoghurt fällt heute also weg.

Der Sonntag ist auch der Tag, an dem ich mit meiner Mutter telefoniere. Heute findet das Telefonat in dieser entzückenden Hütte statt.

Überhaupt merkt man, das man sich hier wieder in eher touristischen Wäldern befindet. Auf dem Weg treffen wir auf mehrere dieser motzigen Wanderhütten. Bester Standard!
Interessanterweise sind aber selbst heute am Sonntag in der Hauptferienzeit keine Wanderer und auch keine Radfahrer unterwegs, Nur im Bereich der Badestellen an Seen treffen wir auf polnische Familien. Besonders ist heute, das einige von ihnen ausgesprochen freundlich grüßen, einmal sogar werden wir auf Deutsch angesprochen und fast umarmt. Unglaubliche Herzlichkeit, wir haben das verdient!?

Dieses Schild verblüfft uns. Wir haben nicht gewusst, dass es ELCHE in Polen gibt, Von Wölfen und Bären hörten wir bereits, aber einen Elch würden wir wirklich gern sehen.

Was den Tag heute auszeichnet ist, das es fast keine gerade Strecke gibt. Entweder geht es bergauf oder bergab. Das hätten wir nicht gedacht, dass die Gegend hier so hügelig ist! Der Sand ist zum Glück nass, aber anstrengend ist es noch genug. Wir sind froh, dass wir den E11 heute ein wenig „geglättet“ haben. Hätten wir jeden Schlenker mitgenommen, wären wir heute vermutlich nie in Eylau angekommen! 🙂

Gerade als wir in dieser Hütte (freundliche Einrichtung des Dorfas Gryzliny) geht ein Regenschauer nieder. Mal wieder haben wir echt Glück heute. Beim Radeln hat uns bisher kaum ein Tropfen benetzt, geregnet hat es fast immer nur nachts!

Etwa 15 Kilometer vor unserem Ziel wird es noch einmal richtig wild. Über eine pittoreske Holzbrücke überqueren wir eine schmale Stelle im Radomno-See. Auf der Karte haben wir schon gesehen, dass der E11 direkt am Seeufer entlang führt. Aber wir konnten uns den Schlenker nicht verkneifen!

Der Weg ist teilweise sehr zugewachsen und mückig, aber wir haben es geschafft. Auch die Panik hielt sich dank profilaktisch angewendeten Autans in Grenzen. Wirklich genießen konnten wir das Seeufer aber nicht und Fotos haben wir auch keine gemacht.

Zum ersten Mal parken wir unsere Räder im Zimmer. Der Rezeptionist nötigt uns geradezu!

Im Restaurant sitzen heute Abend Deutsche neben uns. Wie ungewöhnlich! Ab jetzt bewegen wir uns scheinbar in touristischem Gebiet …

Blick von der Hotelterrasse am Jezirorak-See

E11 – Wir sind noch lange nicht fertig mit Polen!

Torun nach Brodnica
Gefahren am 29.07.2023
77 Kilometer, 464 Höhenmeter

Torun liegt zwar schon ziemlich weit im Osten von Polen, aber der polnische Löwenanteil beim E11 kommt noch. Das liegt daran, dass der Wanderweg nicht durch die Exklave Kaliningrad führt, sondern sich an der Grenze zu Russland entlang schlängelt. Das ist auch gut so, denn dich Russland würden wir zurzeit eh nicht fahren wollen!

Heute fahren wir wieder viel durch Sand, aber durch die starken Regenfälle gestern ist der Sand gut platt gefahren. Die Passagen sind immer noch anstrengend, aber fahrbar.

Bestes Wetter heute wieder. Eigentlich ist es sogar schon wieder zu heiß. Das zieht natürlich wieder allerlei Ungeziefer an. An einigen Stellen rasen wir mal wieder panisch durch den Wald, verfolgt von Myriaden von STECHFLIEGEN, auch Bremsen oder Dasen genannt. Irgendwann beschließen wir, dass wir uns den Feind stellen müssen. Runter von den Gäulen und Friedel erschlägt alle, die ergreifen kann. Ich ziehe derweil das „Autan“ auf der Tasche und neble uns beide ein. Das Zeug lässt mich husten, aber die Biester sind wir los. Das Zeug hilft wirklich!

Und richtig hügelig ist es heute! Eigentlich haben wir heute einen sehr schönen und abwechslungsreichen Trail, aber irgendwie ist heute der Wurm bei mir drin. Der Hintern tut mir weh, ich finde die Hügel anstrengend und es ist mir zu heiß.

Es ist BERGIG!

Zum Glück gibt es in Golup Dobrzyn eine RICHTIGE Konditorei, in der Friedel uns einen Kaffee besorgt. Mit Gestik und Mimik und viel Improvisation. Hat aber geklappt!

Der Ort wird von einer riesigen ehemaligen Burg des Deutschen Ordens gekrönt. Wir erwägen den Hügel zu erklimmen und die Burg zu besichtigen, aber AUTOSCHLANGEN, Gelärm und Gestank halten uns dann doch fern. Heute ist ein Samstag in der Hauptferienzeit. Zu viel Leute für unseren Geschmack. Interessanterweise treffen wir sonst kaum auf andere Touristen. Nicht im Wald, nicht an den Seen, nicht im Ortszentrum. Merkwürdig ..

Wir haben übrigens das Rätsel des Nichtgrüßens in Polen gelöst. Friedel hat im Internet eine Seite gefunden, die besagt, dass viele Polen nur Bekannte grüßen, das Grüßen von Unbekannten bei ihnen jedoch ein Grübeln auslöst, woher man denn die grüßende Person kenne. Das erklärt uns, warum man manchmal tief im Wald, nach zweistündiger Fahrt auf einen einsamen Mitradler trifft und der glatt an einem vorbei starrt. Wir akzeptieren das nun, aber es befremdet uns weiterhin.

Mittagspause auf Baustämmen

Nachdem wir kilometerlang durch den Wald fahren, ohne an eine geeignete Pausenstelle zu kommen, treffen wir kurz vor Brodnica auf einen riesigen Picknickplatz mit sogar drei überdachten Sitzbänken. Danke, aber die sollte man mal lieber auf die ganze Strecke verteilen!

Die Ruine der Ordensburg in Brodnica
Die Drweka

Brodnica ist ein nettes Städchen an der Drweka/Drewenz. Hier beginnt die „Eylauer Seenplatte“, die wir in den nächsten zwei Radtagen durchqueren werden. Sie gehören mitnichten zu den Masuren, wie wir gedacht haben. Da müsst ihr euch leider noch ein wenig gedulden!

Brodnica, oder auf Deutsch „Strasburg in Westpreußen“
Der zentrale Platz in der Altstadt
Der Storchenturm

Unser Hotel heute ist leider ein kompletter Ausreißer im Vergleich zum hohen Standard der Hotels hier. Trotzdem hat es bei „Booking.com“ , eine Bewertung von 8,6. Unverständlich für uns, denn wir können uns im Zimmer kaum drehen. Aber immerhin bekommen wir eine gute Schnellimbiss-Qualität und gezapftes Bier, untermalt von lauten, polnischen Musikvideo-Clips. „Earth Wind and Fire“ auf Polnisch sind aber eigentlich eher verzichtbar, oder?

E11 – Ruhetag in Torun

Weichsel im Regen

28.07.2023
ca. 4 Fußkilometer

Wir haben es gut getroffen mit unserem Ruhetag. Es regnet quasi den ganzen Tag. Wir verbringen unseren freien Tag in der Weltkulturerbe-Stadt damit, unser Equipment gründlich zu warten, auf dem Bett herumzulungern und die nächsten Tage zu planen. Ohne schlechtes Gewissen auf dem Zimmer bleiben – wunderbar!

Um 10:00 Uhr lässt der Regen mal ein wenig nach und wir gehen für ein paar Stündchen raus, Kaffee trinken, etwas essen und einkaufen. Auch zum Weichselufer wandern wir kurz. Die Flaniermeile am Ufer ist jedoch – wie kann es auch anders sein – einige einzige Baustelle!

Die meisten Sehenwürdigkeiten haben wir zum Glück gestern schon abgeklappert und heute haben wir uns gründlich ausgeruht. Nun freuen wir uns auf den nächsten Abschnitt durch Masuren!

In Ermangelung heutiger Fotos hier ein paar Eindrücke unseres Stadtspaziergangs gestern. Torun ist seeehr prächtig – aber eindeutig zu voll touristisch.

Geburtshaus Nikolaus Kopernikus

E11 – Der erste Tausender ist geschafft!

Von Inowroclaw (Hohensalza) nach Torun
Gefahren am 27.07.2023
62 Kilometer, 207 Höhenmeter

Ich habe mir innerlich immer gesagt- Wenn wir Torun erreicht haben, dann sind wir „drin“. Wir sind schon zwei Wochen unterwegs, haben halb Polen durchquert und uns trotz aller Anfangsschwierigkeiten mittlerweile in das Reisen in diesem Land eingefunden. Wenn es gerade richtig gut laufen wird, werden wir Polen verlassen und uns mit Litauen und Litauisch arrangieren müssen …

Heute haben wir unsere ersten tausend Kilometer geschafft. Polen belohnt uns mit einem sehr schönen Radwandertag, an dem alles dabei ist: Der wunderbare Kurpark von Hohensalza mit den prächtigen Bädervillen und dem größten Grenadierwerk, das wir bisher gesehen haben. Bad Rothenfelde und Bad Salzdetfurth, ihr könnt einpacken! Gibt er’s sonst noch welche in Deutschland? Die können auch bestimmt alle einpacken!

Noch dazu haben wir sehr angenehme Temperaturen und wir fahren durch Weizenfelder, viel Wald, ein wenig Asphalt, aber auch viel Natur.

Unsere Mittagspause verbringen wir auf einem sehr gepflegten Rastplatz im Wald und da wir früh genug da sind, dürfen wir uns sogar zu einem Nickerchen auf den Bänken ausstrecken.

Natürlich gibt es auch einige unangenehme Sandpassagen, aber da es in den letzten Nächten konsequent geregnet hat, haben die in den Wald fahrenden Polen den Sand mit ihren Autoreifen schön fest gedrückt – Es hat alles sein Gutes!

Die Einfahrt in die Weltkulturerbe-Stadt Torun erfolgt stilecht über die gewaltige Brücke über die mächtige Wechsel. Und da wir bisher so gut durchgehalten haben, gönnen wir uns hier einen Ruhetag – Zum Flanieren, Kaffeetrinken, Shoppen und Equipment pflegen. Das haben wir uns verdient!

Die Weichsel
Rathaus von Torun

E11 – Aus dem Alltag zweier Radreisender

Tremessen nach Hohensalza oder auf Polnisch Trzemeszno nach Innowroclaw
Gefahren am 26. Juli 2023
69 Kilometer, 330 Höhenmeter

Heute ist ein schön-schrecklicher Tag. Auf der einen Seite haben wir sehr angenehmes Radfahrwetter, andere würden es fast als zu kalt definieren. Wir durchfahren einige historisch sehr bedeutsame Orte und einige schöne Waldabschnitte, haben aber auch viele Straßenkilometer mit dichtem Verkehr, vor allem gegen Ende unseres Arbeitstages heute.

Heute möchten wir euch jedoch aus unserem Alltag berichten. Im Laufe unserer Reise haben wir bestimmte Routinen entwickelt, die uns zum Glück noch immer nicht langweilig geworden sind. 🙂

Wie in unserem bisherigen Alltagsleben wachen wir gegen 6:15 bis 6:30 Uhr auf, noch immer ohne Wecker. Da es in Polen zum Standard gehört, dass das Frühstück ab 7:00 Uhr serviert wird, haben wir um 7:00 Uhr schon unsere Taschen gepackt. Nur der „Kulturbeutel ( Zip-Lock-Bag mit den wichtigsten Utensilien) bleibt noch draußen.

Um 7:00 Uhr sind wir im Frühstücksraum fast immer die ersten Hotelgäste. Hier kommt das erste Highlight des Tages: Das polnische Frühstück.

Das Frühstücksbüffet in der Villa Starowski in Meseritz

Wir sind beide gute Frühstücker, zum Glück. Wir können auch gut herzhaft am Morgen, sodass wir uns gern über Fleisch und Würstchen, Rührei und Caprese hermachen. Wir haben auf kein Problem damit, am Morgen schon Gurken und Tomaten, Rollmops, Schafskäse und Oliven zu essen. Nur mit arg Majonaise-haltigen Salaten haben wir es nicht so. Was wir leider nicht immer bekommen, ist Obst. Aber das finden wir oft unterwegs!

Um 8:00 Uhr haben wir dann Zähne geputzt, ausgecheckt und „aufgeschirrt“, also unsere diversen Radtaschen an den Rädern befestigt. Noch schnell wird die entsprechende Tagestour auf dem Garmin bzw. auf dem Handy aktiviert und los geht‘s.

Nach eineinhalb bis zwei Stunden haben wir Lust auf die erste Pause. Wir halten an und trinken etwas Wasser, meistens im Stehen. Wenn wir Glück haben, kommen wir durch einen Ort mit Supermarkt und wir kaufen unseren Tagesproviant und idealerweise einen Trinkjoghurt, unsere neue Droge, besonders bei warmem Wetter.

Mittlerweile kaufe ich fast alles in Supermärkten, weil ich da nicht viel Polnisch sprechen muss. In den Dorfläden ist mir die Kommunikation echt zu anstrengend!

Eine „deutsche“ Drogerie in Mogilno

Ab 12:30 Uhr suchen wir nach einem guten Platz für unsere Mittagspause. Unser Mahl besteht meistens aus fluffigem polnischen Brot, idealerweise „Vollkorn“, was in etwa deutschem Vollkorntoast entspricht. Dazu gibt es ein Stück Käse und Würstchen, nach Cabanossi-Art. Nur selten kommen wir mittags durch einen Ort, in dem es Cafés gibt. Bäckereien finden wir auch nur in den größeren Orten und die verkaufen keinen Kaffee. Der ist also meistens Fehlanzeige.

Heute haben wir jedoch herausgefunden, dass eine spezielle Kiosk-Reihe Coffee-to-Go verkauft. Die gibt es in fast jedem Städtchen. Yeahhh!

Heute in Mogilno

Zwischen 16:00 und 17:30 Uhr kommen wir in der Regel in dem Städtchen an, in dem ich uns eine Unterkunft gebucht habe. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten klappern wir vor dem Einchecken ab.

Innowroclaw
Innowroclaw

Beim Check-In überfordern wir die Rezeptionistin oder den Rezeptionisten fast immer mit der Frage, wo wir denn unsere Räder sicher abstellen können. Das scheint eine Frage zu sein, die sie noch nie gehört haben. Meistens schließen wir sie auf dem (bewachten) Parkplatz ab, uns wurde aber auch schon vorgeschlagen, die Räder mit auf‘s Zimmer zu nehmen! Oft parken wir die Räder auf dem Parkett von Tanzsälen, in Treppenaufgängen oder -nischen oder gar im abgehalfterten Poolbereich des Hotels, so wie gestern – Cube und Ghost neben Neptun mit Mosaiknixe….

Im Zimmer duschen wir und waschen ein oder zwei unserer Kleidungsstücke – eigentlich immer das verschwitzte Merino-Shirt, dazu im Wechsel ein oder zwei andere Kleidungsstücke, Radunterhose, Radhose, Schlafshirt, Unterhose. Wir haben festgestellt, dass die Handwäsche mit Hotelseife in der Regel ausreicht, wenn man die Sachen häufig wäscht. Die gewaschenen Kleidungsstücke legen wir in die Hotelhandtücher und wringen sie damit aus, dann sind sie eigentlich immer am nächsten Tag trocken.

Gegen 18:00/18.30 Uhr sind wir im Restaurant. Hier in Polen essen wir fast immer im Hotel-Restaurant, weil es da die Speisekarte auf Englisch gibt. Wir haben auch schon versucht, mit Apps polnische Speisekarten zu übersetzen, aber da kommen dann oft so komische Gerichte wie „Kaninchen-Ente“ (gestern) heraus.

Der einzige Wald heute

Man mag uns für bequem und ignorant halten, aber wir haben einfach keine Lust auf den Nerv mit der Sprache. Noch dazu haben wir in den Hotels durchweg sehr, sehr gut gegessen. Die Gerichte sind abwechslungsreich, raffiniert und die Portionen nicht zu groß- Klasse statt Masse. Heute hatte Friedel z.B. Ente mit Gnocchi auf Rotkohl und ich mit Blauschimmelkäse gefüllte Truthahnrolle auf Spinat. In der Regel kosten die Gerichte weniger als zehn Euro. Das ist weit entfernt vom Wiener Schnitzel und Rostbraten für 20 Euro in Deutschland!

Vor und nach dem Essen bloggen wir und recherchieren die Routen und Hotels für die nächsten Tage. Weil die Hotels recht günstig sind (für 60 bis 70 Euro bekommt man gute Doppelzimmer inkl. Frühstück) bauen wir derzeit das Zelt eher selten auf. Im Baltikum werden die Hotels dann vermutlich eher rarer, da werden wir dann wohl öfter campen.

Wir lieben die Hotels hier! Viele haben den Charme alter Zeiten und der Standard war bisher immer gut. Wir freuen uns schon immer auf dem Abend!

Unser Hotel heute – das „Bast“ in Innowroclaw/Hohensalza mit über einhundertähriger Tradition

Um 21.30 Uhr sind wir oft schon hundemüde und landen in unseren (meistens getrennten) Betten. Die Kuschelphasen komme hier etwas zu kurz, denn fast alle Hotels hier sind mit ziemlich schmalen getrennten Betten ausgestattet.

Damit die Fotostrecke heute nicht zu kurz kommt, gibt es nun noch ein paar Fotos des heutigen Tages:

Zentrum von Mogilno
Eine typische Devotionalie am Dorfeingang
Ein typischer polnischer Friedhof
Ein typisches polnisches Neubaugebiet
Dorf mit klassischen Storchennest
Wir dachten, der Hof sei verlassen, bis der Hund um die Ecke kam! 40 Fahrminuten im Nowhere ..
Wow! Heute Morgen waren wir auf einem Berg!
In Kruschwitz die vermutlich älteste Kirche Polens
In Strelno Romanik und Barock gleich nebeneinander
Puh! Das war knapp! 🙂

E11 – Heute ist ein Arbeitstag

Pobiedziska über Gniezno nach Trzemeszno
Gefahren am 25. Juli 2023
61 Kilometer, 24 Höhenmeter

Mittlerweile fährt es sich leichter. Das liegt natürlich an Friedels Routenoptimierung. Im Schnitt fahren wir noch immer mehr zwei Drittel der Originalstrecke, allerdings lassen wir über offensichtlich schwierigen Abschnitte aus.

Aber auch der originale E11 führt momentan über ziemlich viele Straßenabschnitte. Wenn wir diesen Weg laufen statt fahren müssten, hätten wir schon lange aufgegeben. Also können wir aus unserer Sicht nur davon abraten, den Weg hier zu WANDERN!

Selbst mit dem Fahrrad ist es heute landschaftlich keine ansprechende Strecke. Das merkt man auch daran, dass Friedel bis nach Gniezno (Gnesen) nur EIN Foto gemacht hat. Und das auch nur nach meiner Aufforderung!

Die Gegend hier zwischen den Metropolen Poznan und Torun ist auf jeden Fall dichter besiedelt als am Anfang unserer Strecke in Grenznähe zu Deutschland. Wir passieren Dorf nach Dorf und können nach mittlerweile fast einer Woche hier einige Eindrücke festhalten:

1. Der Pole ist ein Bauarbeiter. Es gibt sehr viele Neubauten im Rohzustand, an denen Männer herumwerkeln, teilweise scheinbar jahrelang. Hier gibt es (auch sehr luxuriöse) Neubauten teilweise am Dorfrand mitten auf dem Feld. Das nennen wir Aufschwung!

2. Entgegenkommende Spaziergänger und Radler grüßen zu über 90 Prozent nicht. Das finden wir sehr ungewöhnlich, denn man sieht uns vermutlich nicht gleich an, dass wir „Fremde“ sind. Dabei dachten wir, nur die Deutschen seien stur!

3. Wir schon erläutert – selbst junge Polen auf dem Land sprechen kein bis sehr wenig Englisch. In den letzten Tagen ist es aber für uns ein wenig besser geworden. Auch wir können mittlerweile besser Polnisch! 🙂

4. Der polnische Autofahrer ist auf der einen Seite sehr rücksichtsvoll (z.B. an Zebrastreifen und langsam Fahren auf staubigen Straßen). Auf der anderen Seite gibt es leider auch ziemlich rücksichtslose Raser. Selbst radelnde Kinder werden in einem Affenzahn ohne Mindestabstand überholt. Das finden wir skandalös! (Das gibt es in Deutschland auch, nur die Radwege sind zahlreicher!)

5. Der Pole fährt gern mit dem Auto oder dem Motorrad im Wald herum. „Waldgesetze“ wie in Deutschland gibt es nicht oder sie werden nicht respektiert. Deshalb wundert es uns mittlerweile nicht mehr, wenn wir zehn Kilometer von der nächsten Straße entfernt im Wald von Autos überholt werden.

Polen in der Stadt sind häufig sehr schick, besonders die Frauen. Nette Sommerkleidchen, hohe Schuhe sind der Standard. Auf dem Land hingegen ist die Jogginghose, Leggings und Schlabbershirt der Look. Wir sind beide nicht sehr modebewusst, aber der Unterschied fällt selbst Friedel auf! 🙂

Ansonsten können wir für heute folgende Erfolgsmeldungen berichten: Wir haben auf der Strecke heute zwei städtische Highlights: Einmal Gniezno mit der Kathedrale und der hübschen Aktstadt:

Die Kathedrale in Gniezno

Besonders cool finden wir, dass wir hier am zentralen Platz unter den gelben Sonnenschirmen an einen echten Cappuccino und einen leckeren Toast kommen – mitten am Tag!

Außerdem finden wir in Gniezno endlich einen Radshop, der einen Reifen für Friedel im Angebot hat. Mit einem breiteren Hinterreifen hofft Friedel, zukünftige Sandweg-Herausforderungen besser meistern zu können. Da wir heute zeitlich gut in der Zeit liegen, wird de neue Reifen auch gleich montiert – Ich koche derweil einen Kaffee. Bei mir tauschen wir bei nächster Gelegenheit den breiteren Vorderreifen mit dem schmaleren Hinterreifen, und dann sind wir beide gewappnet für die Sandpisten.
Neben der Überwindung weiterer 60 eher unreizvoller Radkilometer haben wir damit auch den Reifen-Job gemeistert, der schon länger auf dem Plan stand.

Der Ort des Reifenwechsels

In unserem heutigen Übernachtungsort Trzemeszno (Tremessen) gibt es eine sehr beeindruckende Basilika „zur heiligen Jungfrau“, die zu einer der erlesensten in Polen gehört. Innen beeindruckt das Gotteshaus durch schmissige Fresken:

Mit dem heutigen Arbeitstag sind wir zufrieden: Wir haben eine weiteren Radwandertag in Richtung Baltikum erfolgreich gemeistert und sind noch dazu für zukünftige Sandpisten besser gerüstet. Außerdem werden wir immer cooler, was unsere „Sprachbehinderung“ angeht – Wer uns nicht verstehen will, ist selber schuld!

P.S:: Heute wurden wir das erste Mal von einer Hundemeute verfolgt. Zum Glück waren es nur kurzbeinige Kläffer, denen wir davonfahren konnten! 🙂

E11 – Der Duft der Großstadt

Szamotuly über Poznan nach Pobiedziska
Gefahren am 24. Juli 2023
75 Kilometer, 380 Höhenmeter

75 Kilometer und mehr können wir locker fahren, wenn denn das Terrain gut zu befahren ist. Heute sind wir in der Umgebung einer Großstadt unterwegs und das bedeutet: Bessere Wegequalität, mehr Asphalt und viele Eins-A-Radwege!

Dabei halten wir uns heute ziemlich genau an die Wegführung des E11. Der Weg führt am Morgen tatsächlich zwanzig unverschämte Kilometer an einer langen Straße ohne Gehweg entlang. Die Strecke kommt uns schon mit den Rädern echt lang vor, aber zu Fuß wären diese 20 Kilometer die Hölle!

Die Einfahrt nach Poznan erweist sich wider Erwarten als sehr angenehm. Die Stadt wird ähnlich wie Stuttgart durch eine grüne Schneise geteilt, durch die wir sehr angenehm und schnell in die Stadt radeln. Auch innerhalb der Stadt gibt es teilweise recht breite Fahrstreifen für Radfahrer, dass man sie schon fast als Fahrradstraßen bezeichnen könnte. Wie angenehm! Wie vorbildlich!

Stadtgebiet Poznan

Die Posener haben es gut: Mitten in ihrer Stadt gibt es mehrere Badeseen, mit der üblichen Begleitung von Eisbuden, aufgemotzten Spielplätzen und anderen kirmesartigen Attraktionen.

In der Innenstadt angekommen müssen wir sogleich beide kichern – Was ist das nur mit uns, dass in jeder Stadt, in die wir einfahren, böse Baustellen uns behindern?

Die wirklich seeeehr attraktive Innenstadt ist komplett aufgerissen, aber wirklich alles! Was fällt der Stadtverwaltung nur ein, mitten im Sommer, in der Haupt-Touristenzeit, die komplette Altstadt aufzureißen? Und was denken sich die Planer, die Wege für Fußgänger so schmal anzulegen, dass sich zwei entgegenkommende Fußgänger nicht ausweichen können – vor allem dann nicht, wenn sie auch noch zwei vollgepackte Räder dabei haben? Und ganz schlimm, wenn dann noch ein (vermutlich sehr genervter) E-Roller-Kunde das Gefährt einfach mitten auf dem Fußgängerweg stehen lässt?

Wir wundern uns auf jeden Fall über die Flanierer, die mitten im Baustellen-Lärm in den eigentlich schönen Straßencafés ihren Latte schlürfen.

Wir aber suchen uns ein nettes Lokal in einer der Nebenstraßen, eine goldrichtige Entscheidung. Hier ziehen noch genug Leute vorbei und wir genießen das großstädtische Ambiente und die „normalen“ Leute, die es hier gibt – Im Herzen sind wir halt auch Städter! 🙂

Leider haben wir noch ein paar Kilometerchen vor uns und müssen die Stadt bald wieder verlassen. In Torun, so nehmen wir uns vor, werden wir aber in wenig länger bleiben.

Auch die Ausfahrt aus der Stadt ist ähnlich angenehm wir die Einfahrt. Wir kommen am großen Malta-See und an diversen anderen Feuchtgebieten vorbei. Leider gibt es hier in Polen aber auch innerstädtische Mücken!

Direkt an der Stadtgrenze endet jedoch das Radler-Paradies und die nett asphaltieren Radstraßen gehen wieder in unsere geliebten sandigen Verbindungssträßchen über.

Für uns geht‘s leider geradeaus …

Hier am Stadtrand und im Speckgürtel der Großstadt lassen sich die Posener jede Menge hässliche Eigenheime bauen, im hier üblichen Einheitsstil aus Spritzbeton. Vor den Garagen stehen schicke koreanische Limousinen, aber die Zufahrtsstraßen sind durchweg unasphaltiert und hoch staubig. Ärgerlich fände ich das, sehr ärgerlich!

Ein Wort zum Preisniveau hier in Polen. Wieder einmal wohnen wir in einem wunderbaren Hotel und zahlen wie meistens nur etwa 65 Euro für das Doppelzimmer inklusive Frühstück. Weitere 60 Euro verfuttern wir am Tag im Schnitt und sparen wirklich nicht am Essen. Damit liegen wir über 25 Prozent günstiger als in Deutschland – und das bei teilweise wesentlich höherem Niveau.

Weniger ginge auch – aber warum denn? 🙂

Dabei hat die Dritte am Tisch heute Abend gar nicht mitgegessen ..

E11-Wald, Wald und noch mehr Wald!

Sierakow nach Szamotuly
62 Kilometer, 250 Höhemeter

Heute wissen wir gar nicht, was wir groß schreiben sollen. Keine Seen gibt es heute, keinen echten Highlights, aber trotzdem haben wir heute einen schönen Tag!

Wir halten uns mit unserer Route ziemlich eng an den E11, wobei jener auf dem ersten Drittel fast ausschließlich über wenig befahrene Asphalt-Straßen verläuft. Da können wir richtig Kilometer machen – Um danach einen zeitlichen Puffer zu haben für die seeehr langen Passagen durch Pudersand!

Was ist noch schlimmer als dieser vermaledeite Pudersand? NASSER Pudersand!
Am Morgen hat es nämlich ordentlich geregnet und wir drücken uns ein wenig länger als gewöhnlich im Gutshaus herum. Meistens sind wir um 8:00 Uhr schon im Sattel, heute ist es schon 8:30 Uhr, als wir aufbrechen.

Sierakow

Unser Weg führt uns an der Klosterkirche von Sierakow vorbei. Heute ist Sonntag und die Messe ist in vollem Gange. So viele Besucher drängen sich noch im Eingang, dass die Liturgie über Lautsprecher nach draußen übertragen wird und sich weitere Besucher im Kirchhof und auf dem Gehsteig vor der Kirche drängen. Unglaublich!
Friedel traut sich kaum, Fotos zu machen. Wir möchten die Andacht der Gläubigen nicht stören.

Danach radeln wir zügig über kleine Straßen durch den Wald in Richtung Wronki. Das Wetter bessert sich zusehends und wir können unser Zweitfrühstück in der Sonne genießen. Im Gutshaus gab es kein Frühstück und wir haben unser hausgemachtes Porridge aus unseren Gepäcktaschen gefrühstückt, Das hält bei uns jedoch nie so lange vor wie so ein richtiges Wurst- und Käsefrühstück.

Der Wald heute ist an vielen Stellen mit einem Teppich aus Blaubeerbüschen bedeckt. Immer wieder halten wir an und pflücken uns ein paar Hände voll. Eine nette Abwechslung zu all den gelben Pflaumen, mit denen wir uns in den letzten Tagen den Bauch vollgeschlagen haben!

Was total störend hier ist: In Polen scheint jeder in den Wald fahren zu dürfen, sowohl Autos wie auch Motorräder. Mehrmal kommen uns heute Autos und Motor-Cross-Biker entgegen oder überholen uns. Natürlich staubt es und stört massiv die Waldruhe. Das Ganze wirkt auf uns wie eine Spaßtour oder ein Übungsterrain, denn die Motorräder kämpfen sich ebenfalls durch den Sand, teilweise mehrmals hin und zurück, jedesmal an uns vorbei. Abgrundtief nervig!

In Wronki überqueren wir die Warthe erneut, diesmal über eine neue, elegante Brücke für Fußgänger, die ein neues Wahrzeichen für den Ort zu sein scheint. Wir hoffen, im dem Lokal nach der Brücke an einen Kaffee zu kommen, aber die Bedienung ignoriert uns. Im Ort finden wir leider auch kein anderes Café. Überhaupt gibt es nur wenige in den kleineren Orten, haben wir festgestellt. Schlecht für Kaffee-Junkies!

Fündig werden wir am Ende an einer Bude neben einer Waschstraße, was nicht ideal ist. Aber besser als nix!

Um etwa 16:00 Uhr kommen wir in Szamotuly an. Der Ort ist größer, als wir gedacht haben. Zum ersten Mal in Polen kommt ein wenig das Gefühl auf, dass wir uns in einer „Stadt“ befinden. Vielleicht ein gute Einstimmung auf Poznan, das wir morgen durchqueren.

Szamotuly

Wir sind erleichtert, das wir im Hotel Englisch sprechen können und auch die Speisekarte für uns verständlich ist. keine Selbstverständlichkeit, wir können uns heute glücklich schätzen!

Sind hier die EU-Gelder versickert? 🙂

E11 – Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben

Meseritz nach Sieraków
57 Kilometer, 380 Höhenmeter

Heute ist der erste wirklich entspannte Tag in Polen. Er beginnt schon mit dem Frühstück – wir amüsieren uns königlich über die Riesenauswahl, die unser schönes und günstiges Hotel anbietet!

Friedel hat zudem gestern eine Art „E11 light“-Strategie entwickelt: Er schmeißt unsere Wandertracks in eine Routenoptimierungs-Software, die daraus mit verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten eine Art „geglätteten E11“ erstellt.

Damit haben wir eine gut Mischung aus dem Wanderweg, sandigen Radwegen und Radwegen auf Asphalt. Letzteres ist Bundesstraße OHNE besondere Fahrspur für Fahrräder, bei der man als Radfahrer über wellige und geflickte Randbereiche hoppelt und von LKW und PKW häufig ohne Sicherheitsabstand überholt wird. Nur selten (z.B. innerorts) gibt es eine eigene Spur.

So brauchen wir für die 57 Kilometer heute nur sechseinhalb Stunden und nicht umgerechnet neun, so wie gestern!

Unsere neue Strategie heißt – „Embrace the Sand“, also kämpfe nicht gegen den Sand an, sondern arrangiere dich damit und suche Strategien, wie es besser geht. Letztendlich müssen wir nur etwa zehn Prozent der Sandpassagen wirklich schieben – wir haben gelernt.

Ich persönlich kriege trotzdem immer wieder mal echt schlechte Laune bei all dem Geschlingere und Geschiebe durch den Pudersand. Aber auch ich sehe den Sand mittlerweile etwas entspannter und finde bessere Strategien durchzukommen.

Wir machen halt einfach langsamer. 58 Kilometer sind echt nicht viel, aber wir sind noch immer im Plan. Vor der Tour erschienen mit Friedels vorgeplanten Routen als eher zu kurz. Ich hätte längere vorgeplant, aber es zeigt sich jetzt, dass die weniger ambitionierte Planung eine gute ist!

Das Wetter ist auch perfekt. Nicht zu heiß und ein ständiger Wind weht von der Seite. Der hält die Mücken fern!

Obwohl wir uns heute durch keine Dickichte kämpfen müssen, haben wir wieder eine Reifenpanne. Aber auch das handeln wir mittlerweile ganz cool. Friedel tauscht den Reifen aus und ich mach uns einen Kaffee.

Wieder haben wir eine schöne Mischung aus Wald und Seen und wir kommen durch einige Dörfer. Einige von ihnen bestehen ausschließlich aus Sandwegen, nicht mal die Hauptstraße ist asphaltiert.

Zum ersten Mal schaffen wir es hier in Polen, schon vor 16:00 Uhr am Zielort zu sein. Wir haben heute eine ganz tolle Unterkunft in einem ehemaligen Gutshaus an der Warthe. Wir sind begeistert vom Charme des alten Gebäudes und den großzügigen Räumlichkeiten. So eine Unterkunft würde in Deutschland ein Vermögen kosten, aber für uns ist sie hier günstig.

Die Warte bei Sieraków

In der Pizzeria heute Abend spricht niemand Deutsch oder Englisch, auch nicht Italienisch!
Aber auch da sind wir mittlerweile cool: Man schnappe sich die Karte, zeige einfach auf eine Pizza, bei der man halbwegs die Zutaten versteht und „zwei Bier“ können wir mittlerweile auch sagen. Geht doch!

Unsere Unterkunft im Gutshaus

E11 – Wir wollten Abenteuer, wir kriegen Abenteuer!

Von Lubievice nach Miedzyrzecz (Meseritz)
69 Kilometer, 491 Höhenmeter

Oh Mann! Hier ist echt alles eine Herausforderung!

Wir dachten, wir beginnen heute den Tag mal ganz smooth und probieren aus, wir es wäre, wenn wir den R1 fahren würden. Die erste Hälfte der heutigen Tour düsen wir also über den internationalen Radweg und brauchen für die ersten 30 Kilometer nur ca. zwei Stunden. Die Landschaft saust nur so an uns vorbei und wir passieren Dorf hinter Dorf.

Sauschnell sind wir, aber wirklich Spaß macht es nicht auf dem R1 .. . – die Stecke geht fast ausschließlich über große Straßen OHNE Radwege. Fahrzeuge hinter uns klebten uns entweder am Gepäckträger, weil sie wegen Gegenverkehr nicht überholen können oder sie tun es einfach, natürlich ohne den nötigen Abstand. Bei jedem LKW überkommt uns die Panik. Nee, der R1 ist überhaupt keine Alternative für den E11, da wissen wir nun!

Immerhin schaffen wir es, in einem der Straßendörfer (Pieski war es, jetzt weiß ich es wieder) ein BROT zu erwerben!

Die Läden auf den Dörfern sind kaum als solche zu erkennen. Immerhin hat fast jedes Dorf so einen Tante-Emma-Laden und die Einwohner wissen natürlich, wo der Laden ist. Schilder oder Werbung sind also nicht nötig.
Ich weiß, dass es hier in der Regel keine Selbstbedienung gibt und deshalb schaue ich vorher im Internet nach, was „Brot“ heißt. Tapfer betrete ich den Laden und gleich zwei Augenpaare mustern mich, die junge Verkäuferin und eine Kundin. Beide versehen mich gleich mit einem polnischen Wortschwall und ich schaffe es immerhin, guten Tag zu sagen. Danach presse ich ein „Chleb“ heraus und die Verkäuferin freut sich und präsentiert mit ein geschnittenes Weißbrot, mit einem Kommentar, in dem auf jeden Fall das Wort „Chlebe“ vorkommt. Super, das hat ja geklappt. Gern hätte ich noch Käse gekauft, aber das Wort kenne ich nicht und ich sehe auch keinen, also lasse ich es. Wir haben ja noch Würstchen! 🙂

Ich mit der Brottrophäe vor dem Laden

Als wir den Radwanderweg verlassen, beginnt unser nächstes E11-Abenteuer. Sandig, buschig und hoppelig passieren wir einige nette Seen, wo wir an einer richtigen Bank unser Zweitfrühstück einnehmen. Perfekt!

Gut kommen wir auch noch zum „Regenwurmcamp“, einer ehemaligen Ausbildungsstätte der Wehrmacht. Heute sind die eine Hälfte der Gebäude irgendwie bewohnt, die andere verfällt. Mal wieder ein wahrhaft deprimierender Ort!

Interessant sind die Bunkeranlagen der früheren Oder-Weichsel-Befestigungslinie/Ostwall. Hier gibt es auch ein Museum, in dem man in die Gänge einsteigen kann, die die Bunker miteinander verbinden. Hier ist richtig was los, der Parkplatz ist voll. Mehr als 30 Kilometer unterirdische Gänge gibt es zu besichtigen, lesen wir bei Wikipedia. Alle Erklär-Tafeln sind nämlich ausschließlich auf Polnisch, so wie alles hier.

Immerhin gibt es am Museum eine Kaffeebude, wo wir „Dwie Kawy“ bestellen. Hätten wir uns aber sparen können, der Mann in der Kaffeebude spricht nämlich Deutsch!

Weiter geht’s auf dem E11. Unser Weg sieht am Anfang noch ganz gut aus, wird aber immer verwilderter. Irgendwann ist ganz Schluss, weil ein großer Baum den Weg komplett blockiert. Da kriegen wir die Räder nie rüber!

Wir diskutieren – nein, wir streiten, wie es für uns weitergehen soll, jetzt und überhaupt. Geben wir es auf, den E11 zu fahren? Wenn ja, was ist die Alternative? Über Straßen weiterfahren? Andere ausgewiesene Radwege außer dem R1 gibt es kaum. Selber eine Route basteln, die sich am E11 so ungefähr orientiert? Dann wäre aber unser eigentliches E11-Projekt gescheitert. Ach!

Für jetzt suchen wir einen fahrbaren Umweg, aber dann verlieren wir wieder ewig Zeit mit einer Umleitung über lokale „Radwege“, bei denen wir uns wieder endlos durch den Pudersand quälen.

Überhaupt macht de E11 den Schlenker nach Süden wohl vor allem, um das prächtige Kloster „Paradys“ mitzunehmen. Durch den Zaun gespicktelt sieht es wirklich beeindruckend aus, aber leider ist es heute geschlossen. Oder vielleicht auch immer, denn die Schilder verstehen wir nicht!

Vom Kloster bis zu unserem Ziel für heute ist es quasi nur ein Katzensprung von etwa 20 Kilometern. Das Ganze läuft erst ganz gut an, bis wir in die Nähe des Bauchwitzer Sees kommen. Der E11 soll hier parallel mit einem Jakobsweg direkt am Ufer entlang laufen – allein .. er existiert nicht!

Wir sehen all die Markierungen an den Bäumen, aber der Weg ist non-existent! Nicht eine Spur davon! Alles ist voller Bäume, Sträucher und umgefallener Baumstämme, aber wir denken, es muss doch irgendwie weiter gehen. Unsere Karte sagt es, die Markierungen sagen es, also heben wir unsere Bikes über Baumstamm nach Baumstamm, pflücken Dornen und Zweige aus unseren Speichen, versuchen es oben und unten am Hang.
Und dann fallen sie über uns her. Mücken! Bei jedem Tritt im sumpfigen Untergrund scheuchen wir Wolken von ihnen auf. Kein Wunder, dass hier keiner mehr geht, das Ufer des Sees ist die Hölle!

Ich wachse über mich hinaus – Habe ich bisher damenhaft Friedels kavalierhafte Dienstleistung des Radlupfens über höhere Baumstämme genossen, ist dafür jetzt keine Zeit mehr. Berserkerhaft breche ich mit dem Bike durch das Unterholz, trage mich und das Fahrrad mit einem Hüftschwung über alle Hindernisse. Sie hört und hört nicht auf, unsere zweieinhalb Kilometer lange Flucht vor den Mückenschwaden. Das waren die anstrengendsten Radkilometer meines Lebens und noch nie haben wir uns so über einen Pudersand-Weg gefreut, als wir dem Dickicht entfleucht sind.

Bilder davon gibt es leider keine – Friedel hatte so viel Feingefühl, mich nicht um eine Pose im Mückenwald zu bitten. Er hätte es wohl auch nicht überlebt!

Letztendlich haben wir für die zweite Hälfte des Tages sage und schreibe ACHT Stunden gebraucht. Ob das mit uns und dem E11 noch was wird …

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