
Wegorzewo nach Goldap
Gefahren am 4. August 2023
80 Kilometer, 738 Höhenmeter
Puhhh! Das war heute mal wieder ein echter Knaller. Ständig ging es rauf und runter, zweimal landeten wir wieder im Dickicht und zwischendurch beradelten wir fiese Schotterwege und Straßen voller Schlaglöcher.

Heute gestehen wir es uns endlich ein – Wir haben endgültig die Nase voll vom Radeln in Polen. Mag sein, dass es nett ist, sich in einem Ferienhaus an einem der Masurischen Seen einzumieten und angenehm im warmen Seewasser zu planschen, aber wir als Bikepacker haben eine andere Sicht auf die Infrastruktur hier. Wir, Friedel und Steffi als Bikepacker, halten es hier nicht mehr länger aus und können leider nicht die Empfehlung aussprechen, als Fernwanderer oder Radler hier in Polen unterwegs zu sein.

Die Fernwege (sei es der E11, der Camino Polaco oder regionale Radwege) führen häufjg an skandalös verwahrlosten Landstraßen entlang – Gestern zum Beispiel sage und schreibe 30 Kilometer am Stück, größtenteils ohne Rad- oder Gehweg, voller Schlaglöcher und Spurrillen. Großes Lob an die Polen, die als Autofahrer in der Regel sehr korrekt Rücksicht nehmen und hinter einem warten, bis sie mit Sicherheitsabstand überholen können. Leider sind das aber nicht alle und Spaß macht es auch nicht, wenn einem da ständig eine Kolonne am Hinterrad hängt.

In Polen gibt es in der Regel keine Unterscheidung zwischen Rad- und Wanderweg. Ich finde die Polen erstaunlich tolerant und rücksichtsvoll, was das die Kooperation von Rad- und Fußgängern auf gemeinsam genutzten Wegen betrifft. Die Autofahrer sind in der Stadt umsichtig und halten z.B. an Rad- und Fußgänger-Überwegen. Friedel und ich stehen z.B. unbedarft an einer Kreuzung und gucken nach dem Weg, und links und rechts von uns halten die Autofahrer und warten darauf, dass wir Schnarchis die Straße überqueren. Peinlich!

Aber nie hupt einer oder schimpft. Auch nicht, wenn wir bräsig auf der Straße herumschlingern, weil wir nicht wissen, wo wir abbiegen sollen. Die Autofahrer untereinander scheinen auch sehr tolerant zu sein. Ehrlich gesagt haben wir in Polen noch nie jemanden hupen hören!

Aber: Außerhalb der Stadt geht es rüder zu. Jeden Tag werden wir eingestaubt von Autofahrern auf Schotterstraßen – Nur sehr wenige fahren rücksichtsvoll langsam.

Die „Radwege“ und Wanderwege sind echt unter aller Kanone. Was hier als Radweg deklariert wird, nennen wir eine Zumutung. Schotter, Sand, lange Passagen mit 20 Zentimeter breiten Querrillen, bei denen man mit fünf km/h das Fahrrad kaum noch halten kann. Wenn der E11 nur als „Pfad“ deklariert ist, kriegen wir inzwischen die Panik, weil wir wissen dass der Weg oft absolut zugewachsen ist und eigentlich weder fahr- noch wanderbar ist. Unterholz bis Knie- oder Hüfthöhe, Büsche, Sträucher, Dornen. Oft tiefe Spurrillen von Traktoren, aufgefüllt mit Knüppeln, über die wir unsere vollgepackten Räder nur tragen können. Dabei werden wir von Stechfliegen und Mücken umschwirrt, die Dank Autan nicht auf uns landen, aber trotzdem nerven. Schönen Dank auch! Und das fast jeden Tag! Heute drei lange Kilometer!

Dazu kommt, dass das erhoffte Naturerlebnis bei uns nicht zündet. An keiner Stelle haben wir bisher „wow!“ gesagt und haben gedacht, dass es das so in Deutschland nicht gäbe. Hier sieht es aus wie in der Holsteinischen Schweiz, was sehr schön ist, aber eigentlich keine weite Reise wert ist. Auch Bären und Elche haben wir bisher keine gesehen. Die Seen sind verschilft oder an den wenigen zugänglichen Stellen zugebaut. Überall fahren im Wald die Autos. Die ehemals deutschen Gehöfte und Güter, die wir passieren, wirken größtenteils verwahrlost oder werden durch luxuriöse moderne Villen ersetzt. Niemand scheint Interesse daran zu haben, alte Substanz zu erhalten. Auch die alten Wege zwischen den Gehöften – E11 und Camino – verkommen. Wir finden: Eine traurige Entwicklung.
Hunde – jeder Hof hat einen oder mehrere. Und leider sind die Tore nicht immer geschlossen. Das heisst in der Praxis: Gleich ist es wieder soweit, du kommst um die Ecke, das Bellen fängt an, du hoffst, dass das Tor geschlossen ist, was manchmal nicht der Fall ist…
Bisher ist noch nichts passiert!
So! Jetzt haben wir aber ordentlich abgerechnet mit diesem Land. Wir sind trotzdem glücklich (aber erschöpft) in Goldap angekommen, sitzen satt auf der Hotelterrasse und freuen uns, dass das Wetter uns bisher hold war und die Fahrräder bei allen Widrigkeiten gehalten haben.
Morgen schauen wir, wie es weiter geht .. aber wir sind mittlerweile ziemlich angekekst!


Ihr müsst ja nichts aushalten. Dafür ist die Zeit zu kostbar. Ab in den Zug und nach Litauen.
Genau! Wir werden heute in einer konzertierten Aktion nach Litauen radeln! 😏
👍🏻 Genau richtig ✅
Holla die Waldfee!
Du scheinst ja die Nase ziemlich voll zu haben 😁! Trotzdem findest Du noch freundliche Worte. Ist mir auf meinen Wanderungen auch ab und an passiert. Vor allem wenn man unmittelbar nach einem solchen Tag den Kommentar schreibt. Da sind die Eindrücke auch noch ganz frisch und müssen raus. Ich finde, dass ist der Reiz wenn man fortlaufend erzählt. Später istcder Frust verflogen und wenn man erst da schreibt, ist es in der Regel nicht mehr authentisch. Ihr macht das toll. Weiterhin viele starke Emotionen
Euer Swiss aka Roland 🌹❤️
Oh danke! Tatsächlich habe ich heute morgen noch „Oh oh!“ gedacht. Aber wenn du den Frustschrieb okay findest, bin ich ein wenig beruhigt! 😜