
Von Ostroda nach Olsztyn
Gefahren am 1. August 223
52 Kilometer, 550 Höhenmeter
Heute ist der erste richtige Regen-Radeltag. Am Anfang wollen wir unser Hotel kaum verlassen, aber irgendwann müssen wir halt raus. Dann ist es aber gar nicht so schlimm. Es regnet den ganzen Tag, aber nicht wirklich stark. Regenjacken und unsere albernen Überzieher für den Fahrradhelm reichen voll aus, ansonsten radeln wir wie immer in kurzen Hosen. Temperatur: 18 Grad.

Heute sind wir nicht auf dem E11, sondern auf dem Camino Polaco unterwegs. Wir haben nämlich geschummelt: Der E11 macht eine langen Umweg nach Süden, in wildes Gebiet ohne Unterkünfte. Wegen der schlechten Wetterlage wollten wir aber unbedingt ein Dach über dem Kopf haben und deshalb haben wir über Ostroda abgekürzt. Der Camino ist in der Tat direkter und lässt sich gut fahren!

Bis wir im Gebiet der Wald und Seen sind, müssen wir auf dem Camino satte 15 Kilometer Straße fahren. Für uns als Radfahrer ist das nicht so schlimm, aber als Camino-Wanderer hätten wir mordsmäßig geflucht!

Aber nach der Straßenpassage wird es richtig toll. Wir fahren durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft von Wiesen, Feldern und viel Wald. Mitten im Wald treffen wir immer wieder auf einzelne Gehöfte und kleine Dörfer, teilweise sogar mit Hinweisschildern auf Deutsch. So erfahren wir z.B., dass das Dorf Parwolken von deutschen Einwanderern gegründet wurde, um den Honig von Wildbienen im umliegenden „Urwald“ zu ernten. Sehr gern würden wir mehr solcher Infos erhalten!




Das größte Dorf in der Umgebung ist wohl der Ort Dietrichswalde“, heute Gietrzwald. Zentrum des Ortes ist die imposante Kirche auf dem Hügel, die beeindruckend groß für den kleinen Ort ist. Am Fuß des Hügels werden wir jedoch sogar auf Deutsch aufgefordert, dem Ort nur als „Pilger“ zu betreten. Sind wir Pilger, nur weil wir heute auf dem Camino unterwegs sind? Wir denken nicht, also hauen wir wieder ab.
Später lese ich auf Wikipedia, dass es hier im 19. Jahrhundert mehrere Marienerscheinungen gegeben hat, bezeugt von zwei Teenie-Mädels. Wie wir lesen, waren nicht nur wir skeptisch, sondern auch die masurische Obrigkeit in Allenstein. Bis heute zieht der Ort dennoch zahlreiche Pilger an.

Ab heute befinden wir uns offiziell in Masuren. Der Wald hier begeistert uns. Statt der typischen Kiefern-Monokulturen gibt es hier einen schönen Mischwald aus Nadelbäumen, Birken, Buchen und einem grünen Unterbewuchs aus Moosen, gelben Blümchen und Blaubeeren. Auch hier dominieren sandige Böden, aber durch den Regen der letzten Tage gibt es feste Fahrspuren und wir kommen gut voran. Die Reifen machen im Sand kaum ein Geräusch und wir fliegen sirrend leise durch den dampfenden Wald. Unvergesslich!

Mitunter geht es aber nass-sandig bergauf und wir kommen in unseren Regenjacken mächtig ins Schwitzen. Ganz so locker ist unser Bummeltag also auch nicht ..
Überhaupt – das haben wir noch gar nicht erwähnt – gibt es hier in Polen kaum abgestorbene Bäume. Das fiel uns schon direkt nach der Grenze zu Deutschland auf. Was machen wir in Deutschland nur falsch?


Bei unserer Mittagspause im Wald haben wir eine interessante Begegnung. Mitten aus dem Wald bricht plötzlich ein alter Mann aus dem Blaubeer-Gebüsch, mit einem Fahrrad. Er freut sich sichtlich uns zu sehen und spricht uns an.
Friedels Einwand, dass wir nur Deutsch oder Englisch verstehen, lässt er nicht gelten. Also spricht Friedel Deutsch und er Polnisch und beide Parteien unterstreichen ihre Rede mit Gesten. Der Dialog lautet ungefähr so:
„Wie selten, hier andere Menschen im Wald zu treffen!
“Ja, ich habe Pilze gesammelt, und Sie?“
“Wir fahren nach Allenstein, mit dem Fahrrad“
„Ah, ich verstehe! Schauen Sie mal, wie viele Pilze und Blaubeeren ich heute gesammelt habe!“
“Oh toll, die sind echt lecker“
“Wir fahren gleich weiter, in diese Richtung.“
“Ja, ich wohne in dieser Richtung!“
“Einen schönen Tag noch!“
“Ja, auch Ihnen einen schönen Tag!“
So – oder so ähnlich – wird es wohl gewesen sein. Denken wir … 🙂


Allenstein ist die Hauptstadt von Ermland-Masuren und ein wahrhaft prächtiger Ort und längst nicht so überlaufen wie Torun. Hier gibt es eine riesige Ordensburg, die größte, die wir bisher gesehen haben. Außerdem schöne Cafés und gute Restaurants. In einem davon schreiben wir gerade diesen Artikel.






Morgen bleiben wir auf dem Camino Polaco. Auf der nächsten Station des E11 gäbe es kaum Unterkünfte, nur seeehr hochpreisige. Wir sind nicht bereit, in Polen 140 Euro für eine Unterkunft zu zahlen, auch nicht für ein Schlosshotel. Wir wissen, dass sich England-Reisende jetzt kaputt lachen, aber wir sind mittlerweile etwas verwöhnt! 🙂
😂😂😂 Ich als Englandreisender lache laut, du bist so herrlich. Ich hätte es genauso gemacht wie ihr. Euer Tag klingt trotz Regen bunt und schön! 🥰
Dabei haben wir morgen auch das Schlosshotel. Aber für 40 Euro weniger! 😄
👏🏼