E11 – Wir wollten Abenteuer, wir kriegen Abenteuer!

Von Lubievice nach Miedzyrzecz (Meseritz)
69 Kilometer, 491 Höhenmeter

Oh Mann! Hier ist echt alles eine Herausforderung!

Wir dachten, wir beginnen heute den Tag mal ganz smooth und probieren aus, wir es wäre, wenn wir den R1 fahren würden. Die erste Hälfte der heutigen Tour düsen wir also über den internationalen Radweg und brauchen für die ersten 30 Kilometer nur ca. zwei Stunden. Die Landschaft saust nur so an uns vorbei und wir passieren Dorf hinter Dorf.

Sauschnell sind wir, aber wirklich Spaß macht es nicht auf dem R1 .. . – die Stecke geht fast ausschließlich über große Straßen OHNE Radwege. Fahrzeuge hinter uns klebten uns entweder am Gepäckträger, weil sie wegen Gegenverkehr nicht überholen können oder sie tun es einfach, natürlich ohne den nötigen Abstand. Bei jedem LKW überkommt uns die Panik. Nee, der R1 ist überhaupt keine Alternative für den E11, da wissen wir nun!

Immerhin schaffen wir es, in einem der Straßendörfer (Pieski war es, jetzt weiß ich es wieder) ein BROT zu erwerben!

Die Läden auf den Dörfern sind kaum als solche zu erkennen. Immerhin hat fast jedes Dorf so einen Tante-Emma-Laden und die Einwohner wissen natürlich, wo der Laden ist. Schilder oder Werbung sind also nicht nötig.
Ich weiß, dass es hier in der Regel keine Selbstbedienung gibt und deshalb schaue ich vorher im Internet nach, was „Brot“ heißt. Tapfer betrete ich den Laden und gleich zwei Augenpaare mustern mich, die junge Verkäuferin und eine Kundin. Beide versehen mich gleich mit einem polnischen Wortschwall und ich schaffe es immerhin, guten Tag zu sagen. Danach presse ich ein „Chleb“ heraus und die Verkäuferin freut sich und präsentiert mit ein geschnittenes Weißbrot, mit einem Kommentar, in dem auf jeden Fall das Wort „Chlebe“ vorkommt. Super, das hat ja geklappt. Gern hätte ich noch Käse gekauft, aber das Wort kenne ich nicht und ich sehe auch keinen, also lasse ich es. Wir haben ja noch Würstchen! 🙂

Ich mit der Brottrophäe vor dem Laden

Als wir den Radwanderweg verlassen, beginnt unser nächstes E11-Abenteuer. Sandig, buschig und hoppelig passieren wir einige nette Seen, wo wir an einer richtigen Bank unser Zweitfrühstück einnehmen. Perfekt!

Gut kommen wir auch noch zum „Regenwurmcamp“, einer ehemaligen Ausbildungsstätte der Wehrmacht. Heute sind die eine Hälfte der Gebäude irgendwie bewohnt, die andere verfällt. Mal wieder ein wahrhaft deprimierender Ort!

Interessant sind die Bunkeranlagen der früheren Oder-Weichsel-Befestigungslinie/Ostwall. Hier gibt es auch ein Museum, in dem man in die Gänge einsteigen kann, die die Bunker miteinander verbinden. Hier ist richtig was los, der Parkplatz ist voll. Mehr als 30 Kilometer unterirdische Gänge gibt es zu besichtigen, lesen wir bei Wikipedia. Alle Erklär-Tafeln sind nämlich ausschließlich auf Polnisch, so wie alles hier.

Immerhin gibt es am Museum eine Kaffeebude, wo wir „Dwie Kawy“ bestellen. Hätten wir uns aber sparen können, der Mann in der Kaffeebude spricht nämlich Deutsch!

Weiter geht’s auf dem E11. Unser Weg sieht am Anfang noch ganz gut aus, wird aber immer verwilderter. Irgendwann ist ganz Schluss, weil ein großer Baum den Weg komplett blockiert. Da kriegen wir die Räder nie rüber!

Wir diskutieren – nein, wir streiten, wie es für uns weitergehen soll, jetzt und überhaupt. Geben wir es auf, den E11 zu fahren? Wenn ja, was ist die Alternative? Über Straßen weiterfahren? Andere ausgewiesene Radwege außer dem R1 gibt es kaum. Selber eine Route basteln, die sich am E11 so ungefähr orientiert? Dann wäre aber unser eigentliches E11-Projekt gescheitert. Ach!

Für jetzt suchen wir einen fahrbaren Umweg, aber dann verlieren wir wieder ewig Zeit mit einer Umleitung über lokale „Radwege“, bei denen wir uns wieder endlos durch den Pudersand quälen.

Überhaupt macht de E11 den Schlenker nach Süden wohl vor allem, um das prächtige Kloster „Paradys“ mitzunehmen. Durch den Zaun gespicktelt sieht es wirklich beeindruckend aus, aber leider ist es heute geschlossen. Oder vielleicht auch immer, denn die Schilder verstehen wir nicht!

Vom Kloster bis zu unserem Ziel für heute ist es quasi nur ein Katzensprung von etwa 20 Kilometern. Das Ganze läuft erst ganz gut an, bis wir in die Nähe des Bauchwitzer Sees kommen. Der E11 soll hier parallel mit einem Jakobsweg direkt am Ufer entlang laufen – allein .. er existiert nicht!

Wir sehen all die Markierungen an den Bäumen, aber der Weg ist non-existent! Nicht eine Spur davon! Alles ist voller Bäume, Sträucher und umgefallener Baumstämme, aber wir denken, es muss doch irgendwie weiter gehen. Unsere Karte sagt es, die Markierungen sagen es, also heben wir unsere Bikes über Baumstamm nach Baumstamm, pflücken Dornen und Zweige aus unseren Speichen, versuchen es oben und unten am Hang.
Und dann fallen sie über uns her. Mücken! Bei jedem Tritt im sumpfigen Untergrund scheuchen wir Wolken von ihnen auf. Kein Wunder, dass hier keiner mehr geht, das Ufer des Sees ist die Hölle!

Ich wachse über mich hinaus – Habe ich bisher damenhaft Friedels kavalierhafte Dienstleistung des Radlupfens über höhere Baumstämme genossen, ist dafür jetzt keine Zeit mehr. Berserkerhaft breche ich mit dem Bike durch das Unterholz, trage mich und das Fahrrad mit einem Hüftschwung über alle Hindernisse. Sie hört und hört nicht auf, unsere zweieinhalb Kilometer lange Flucht vor den Mückenschwaden. Das waren die anstrengendsten Radkilometer meines Lebens und noch nie haben wir uns so über einen Pudersand-Weg gefreut, als wir dem Dickicht entfleucht sind.

Bilder davon gibt es leider keine – Friedel hatte so viel Feingefühl, mich nicht um eine Pose im Mückenwald zu bitten. Er hätte es wohl auch nicht überlebt!

Letztendlich haben wir für die zweite Hälfte des Tages sage und schreibe ACHT Stunden gebraucht. Ob das mit uns und dem E11 noch was wird …

8 Antworten auf „E11 – Wir wollten Abenteuer, wir kriegen Abenteuer!“

  1. Zuallerst zwei ganz liebevolle Unarmungen und zwei Tapferkeitsmedaillen für euch! Das klingt wirklich nicht schön und ich bin sicher nicht die einzige, die mit euch mitleidet. Was sagen denn die Experten wie Komoot, Outdoor active und All trails? Wir finden eine Lösung. Schleppen ist definitiv keine.

  2. Wir haben Outdooracive, Komoot, Openstreetmap, Garmin Edge. Aber die lassen uns alle im Stiiich! 😞 Der Jakobsweg heute war sogar markieeeert!

  3. Durchhalten kann ich nur sagen. Für mich ist das leicht 🙂 Im Ernst, ich kenne solche Situationen nur zu gut. Machts gut, egal wie es weitergeht.
    Euer Swiss 🌹❤️

  4. Oh no! Das klingt ja leider ganz furchtbar! Die Mücken und das Dickicht! Finde es sehr tapfer, wie ihr das gemeistert habt. Ich hoffe, es geht nun besser weiter.

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