Nordseeküstenradweg von Brunsbüttel nach Otterndorf

75 Kilometer, 113 Höhenmeter
Gefahren am 24. Mai 2023

Die Qualität einer Wanderung oder eines Radwegs bemisst sich bei uns an einem elementaren Faktor: Wie viele Fotos haben wir gemacht?

Wenn wir nur wenig fotografieren, liegt das meist daran, dass a) das Wetter sehr schlecht oder b) die Strecke saulangweilig ist. Zum Gähnen bringen uns natürlich auch Wiederholungen bei Elementen in der Landschaft, die uns vor Tagen noch begeistert hätten, aber mittlerweile für uns keine Besonderheit mehr darstellen. So haben wir heute zum Beispiel kein einziges Friesenhaus mit Reetdach mehr fotografiert, obwohl wir einige sehr schöne gesehen haben. In ihrer ständigen Wiederholung werden sie langweilig!

Auch gibt es heute kein irrisierendes Lichtspiel im Strandhafer oder im Weizen zu betrachten. Das Wetter heute ist grau, hellgrau, mittelgrau, etappenweise mit Nieselregen, da ist nix mit Lichtspielen!

Am Morgen radeln wir frisch und munter zum Brunsbüttler Hafen herunter und gucken doof, als unser Radweg plötzlich an einer Fährstation mündet. Wir wundern uns, das wir die Elbe hier schon überqueren können. Eine genauere Nachfrage bei dem freundlichen Mann mit der gelben Weste ergibt jedoch, dass es sich bei dem breiten, vor uns liegenden Gewässer mitnichten um die Elbe handelt, sondern nur um den Nord-Ostsee-Kanal. Den müssten wir auf jeden Fall überqueren, sonst kämen wir nicht zur Elbfähre nach Glückstadt. Nun denn, ihr Landratten!

Nach der kurzen Überfahrt radeln wir die Elbe landeinwärts, meistens hinter dem Deich. Grünes, Gras, Schafe, vollgekotete Wege. Wenn wir mal einen Blick auf die Elbe erhaschen, ist der Eindruck gewaltig – die Elbe ist hier breiter als der Bodensee!

Das Highlight des Tages ist dann die Elbüberquerung per Fähre von Glückstadt nach Wischhafen. Sie dauert 25 Minuten. Danach sind wir so durchgefroren, dass wir am anderen Ufer unbedingt einkehren müssen und uns bei Fischbrötchen und einem Becher Kaffee aufwärmen.

Hier knicken wir ein und checken die Optionen bei booking.com. Es gibt zwei recht teure und ein akzeptables Hotel in Otterndorf. Das letzte verfügbare Zimmer im billigen Gasthof ist im Nullkommanix gebucht!

Friedel denkt, dass ich gerne campe. Das stimmt prinzipiell schon – aber doch nicht bei 13 Grad und Nieselregen und mit Blick auf ein Knaus-Sun-Wohnmobil statt auf eine Bergkette in den Schottischen Highlands!

Nach der Fährfahrt geht es die Elbe wieder rauf. GEGEN DEN WIND! Zwar weht der heute nicht so stark wie gestern, aber beträchtlich, beträchtlich. Da ist ja gerade das Fiese: Wäre der Wind so richtig gemein, würden wir die Tour verkürzen, aber so strampeln wir stramm weiter.

Meistens radeln wir hinter dem Elbdamm, also „achter Diek“: Wir passieren eine Reetdachvilla nach der anderen. Neid kommt bei uns aber keiner auf, denn wir wissen: VOR dem Deich lauert die gähnende Leere. Einmal wagen wir uns trotzdem in das „vor dem Deich“. Acht Kilometer radeln wir im strammen Gegenwind durch eine komplett reizarme Landschaft – So etwas gibt es sonst vermutlich nur in den amerikanischen Panhandles oder in der Inneren Mongolei! Von der Elbe sehen wir nichts – aber hinter den Rapsfeldern und dem Schilfgraben tauchen immer wieder gespenstische riesenhafte Schiffe im Dunst auf!

Wir merken: Es reicht uns. Ohne Groll beschließen wir – mit Aussicht auf den Pfingstverkehr bei der Deutschen Bahn – dass wir morgen nur noch bis Cuxhaven radeln und dann nach Hause fahren. In etwa sechs Wochen werden wir wieder unterwegs sein, das macht uns die Entscheidung leicht. Zuhause lege ich aber den Fuß hoch!