Tag 62: Langdon Beck nach Dufton

Heute macht der Pennine Way eine große Schleife nach Westen. Ursprünglich hatten wir überlegt, uns diesen Umweg zu ersparen und direkt nach Garrigill zu laufen, unserer Unterkunft für den Tag 64. Das wären dann heute nur 18 Kilometer nach Garrigill und wir hätten damit einen ganzen Tag und 27 Kilometer gespart. Aber dann hätten wir High Cup Nick nicht gesehen und wären nicht über den Cross Fell gestiegen, den höchsten Berg auf dem Pennine Way. Nein, der Umweg muss sein!

Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung haben wir uns ganz besonders auf High Cup Nick gefreut. In der Tat wird es Steffis Meinung nach der beste Tag der Tour!

Als wir morgens in unserem Bett im Langdon Beck Hotel aufwachen, reißen wir sofort die Vorhänge unseres Erker-Fensters auf – Der Nebel steht pittoresk zwischen Tal und Bergen, die Sonne kommt gerade heraus – Was für eine Aussicht!

Jedoch müssen wir zuerst frühstücken – High Cup Nick, wir kommen!

Die Wanderung durch das obere Teesdale erleichtern wir uns, indem wir eine Abkürzung vom Hotel zur Widdy Bank Farm nehmen. Wir denken, dass die Farm das Isolierteste ist, was man sich überhaupt denken kann – Aber wie wir heute sehen werden, geht es noch extremer!

Kürzlich las ich in einem Artikel, daß die Bewirtschaftung der Hochflächen in Großbritannien auch von der EU hoch subventioniert wird. Aber ist diese jahrhundertealte Form der Farmwirtschaft mit Schafzucht und Abbrennen der Hochflächen für die Moorhuhn-Jagd wirklich die richtige Art der Farmwirtschaft? Ähnliche Fragen stellen sich auch für Deutschland, aber hier ist selbst der Boden auf der Alb insgesamt noch wesentlich ertragreicher im Vergleich zu den kargen Flächen der Pennines.

Sollte man das gesamte Gebiet nicht einfach lieber versumpfen lassen und die Landwirtschaft effektiveren Landstrichen überlassen? Das sind Fragen über Fragen, aber wir fragen uns hier vor allem, warum Lammfleisch in Deutschland so teuer ist, wenn wir es diese Form der Landwirtschaft so subventionieren? Und warum kommt es größtenteils aus Neuseeland? Was soll dann diese VERDAMMTE EU, hä??? 🙂

Egal, wir leben im Hier und Jetzt. In diesem sind die Berghänge extrem grün, die Sonne lacht und der Weg ab Widdy Bank Farm wird sehr steinig. Bis zum Cauldron Snout Wasserfall geht es durch ein enges Tal immer am Fluss entlang. Teilweise ist der Weg eine echte Kletterpartie – Der Weg ist steinig bis sumpfig, aber solange man von Stein zu Stein hüpft, bleiben die Füße trocken!

Von Cauldron Snout, dem „Wasserfall“ vor dem Cow Green Reservoir haben wir wenig erwartet, aber wir finden ihn trotzdem sehr beeindruckend – offiziell ist Couldron Snout gar kein Wasserfall, weil die horizontale Wasserfläche größer ist als die vertikale – wir jedoch finden die „Stromschnellen“ imposanter als den High Force, vor allem, wenn man neben dem Fall nach oben klettern muss! Der Fluss führt heute auch ordentlich Wasser, nachdem es einige Tage lang immer wieder mal stark geregnet hat. Dies trägt bestimmt zu der beeindruckenden Wassermenge bei, die die Stromschnellen herunter donnert.

Die Passage neben dem Cauldon Snout ist für uns die schwierigste auf dem ganzen Pennine Way. Die Kletterei ist geradezu eine Unverschämtheit. Ist dies ein Wanderweg oder ein Klettersteig? Da die Sonne aber lacht und die Felssprünge, an denen wir uns hochziehen müssen, trocken sind, nehmen wir das alles mit Humor.

Oben angekommen schauen wir auf die Staumauer des Reservoirs. Von dem See selbst sehen wir nichts – dafür müssten wir noch weiter nach oben steigen.

Wir treffen hier oben auf eine Schotterstraße, die zu einem abgelegenen Gehöft führt – der Birkdale Farm. Diese wird mittlerweile nicht mehr bewirtschaftet – wenn sie das noch wäre, würden wir sie zu der abgelegensten Farm in England küren! 🙂

Die Farm ist aber mittlerweile ein Field Centre, aber heute ist dort keine Menschenseele zu sehen. Der Weg bis dahin und danach bis zum Maize Beck ist unverschämt breit und geschottert. Links vom Track sehen wir noch, durch welche unwirtliche, matschige Moorlandschaft sich der PW früher geschlagen hat. Wir sehen hier zwei Extreme – unser Weg ist eine fette Schneise aus Schotter, wirklich nicht die Art von Wegen, die wir gern mögen. Aber die tief erodierte Rinne aus dunklem und matschigen Torf, die den Original-Weg ausmacht, wollen wir nun auch nicht laufen. Immer wieder checken wir unsere OS-App, ob uns der Schotterweg wirklich in Richtung High Cup Nick führt … aber ja, die Richtung stimmt!

Am Maize Beck ist dann Schluss mit lustig: Auf unserer Karte sind zwei Varianten eingezeichnet. Eine nördlich vom Bach, eine südlich. Da uns der Weg über die Brücke aber begangener erscheint, entscheiden wir uns für die südliche Variante. Vermutlich ist dies die absolut richtige Entscheidung, denn wir können nach einiger Zeit keinen wirklichen Pfad auf der anderen Seite des Flusses erkennen.

Wir jedoch kommen auf gutem Weg bis zur Kante vom High Cup Nick und – Wow!! Wow! Dieses Tal ist wirklich tief! Schon auf Fotos war ich beeindruckt von der Rinne, aber wenn man wirklich oben an der Kante steht, dann ist das noch mal ganz was anderes! Wir beide sind uns einig, dass dieser Ausblick der beste auf dem Pennine Way ist, auf jeden Fall den Umweg wert!

Friedel schlottern jedoch schon die Knie, wenn er sich den Abstieg in das Eden Valley ansieht – er ist nicht schwindelfrei. Rechts vom Tal führt der Weg immer an der Kante lang, mit tiefen Abgründen links ins Tal. Am Ende ist es jedoch nicht so schlimm. Das Sims, auf dem der Weg verläuft, ist breit genug.

Unten angekommen, führt uns der Weg wieder durch grüne Wiesen voller Schafe, mit den typischen Mauern des Swale Dales. Nach der Kargheit des Moorlands genießen wir wie immer den Abstieg durch die grüne Landschaft, auch Bäume sind wieder anzutreffen. Wir bummeln am Ende unserer heutigen Etappe gemütlich nach Dufton, denn vor 17 Uhr brauchen wir in der Jugendherberge nicht anzukommen, sie schließt den Tag über und macht erst am frühen Abend wieder auf.

Ja, richtig gelesen – das erste Mal seit 30 Jahren übernachten wir wieder in einer JUGENDHERBERGE! Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ich in Dufton neben der Jugendherberge nur ein B&B gefunden habe, und das hatte superschlechte Kritiken. Da es in der Herberge auch ein Doppelzimmer mit eigenem Bad zu buchen gab und diese direkt gegenüber vom örtlichen Pub liegt, dachten wir uns, wir versuchen das mal mit den englischen Youth Hostels!

Resumee: Wir hatten schon bessere Unterkünfte, aber auch schlechtere. Unschlagbar ist hier das Preis-Leistungs-Verhältnis. Unser Zimmer liegt wirklich total abgeschieden vom Rest des Herbergsbetriebs in einem Seitenflügel, so dass wir des Nachts gar nichts von der Duke-of-Edinburgh-Mädchengruppe mitbekommen, die auch heute hier übernachtet. Unser Zimmer ist sehr einfach und total mückenverseucht, so dass wir erst mal auf Mückenjagd gehen müssen. Wie wir an den Wänden sehen, haben schon viel vor uns hier gewütet.

Da der local Pub heute kein Abendessen anbietet, müssen wir in der Jugendherberge essen. Wir haben die Wahl zwischen Spaghetti Bolognese und Fish and Chips – wir wählen letzteres. Das Essen ist wirklich okay ..

Was den Aufenthalt in der Jugendherberge wirklich zu einem besonderen Erlebnis macht ist Simon, der Herbergsvater. Er managt den gesamten Jugendherbergsbetrieb allein. Wir checken bei ihm ein, er bereitet das Essen zu, er bewirtschaftet den kleinen Kiosk … und immer ist er bemüht, uns besonders zuvorkommend zu behandeln. Damit wir unsere Ruhe haben, bekommen wir vor den giggelnden Mädchen unser Essen zuerst, an einem separaten Tisch. Beim Frühstück werden wir ebenso bevorzugt behandelt, obwohl er offensichtlich alle Hände voll zu tun hat. Dieser Mann ist wirklich multitaskingfähig!

Simon, wir sind echte Fans und verbeugen uns vor deiner täglichen Leistung!

Wir verbringen noch einen schönen Abend im gemütlichen Pub gegenüber und freuen uns auch über das zeitige Frühstück: Doch, wir würden wieder in einer Jugendherberge übernachten, wenn es denn nichts anderes gibt – und wir sparen dabei jede Menge Geld!