Erste Harzquerung 2022 Teil 2: Auf dem Harzer Grenzweg von Schierke nach Hohegeiß

Teil 2 unserer Brockentour an Walpurgis: 24 Kilometer, 5 Stempel
gelaufen am 27. Mai 2022

Ganz wunderbar geschlafen haben wir in unserer Pension in Schierke. Das mag an den beträchtlichen Höhenmetern gelegen haben, die wir gestern auf- und abgestiegen sind. Oder an dem hiesigen Magenbitter „Schierker Feuerstein“, den wir gestern zum ersten Mal probiert haben. Vielleicht aber auch daran, dass wir sonst eher in Gasthöfen übernachten, dieses Mal aber eine ruhige Pension gewählt haben. Nachts war’s tatsächlich wunderbar leise!

Am Frühstück in der Pension gibt es auch nichts auszusetzen. Uns erwartet ein „kontinentales“ Frühstücksbuffet mit Brötchen, Aufschnitt, Müsli, Joghurt, Eiern, Obst und Gemüse. Besser ist nur ein „Full English Breakfast“.

Nein, das ist nicht unsere Pension. Aber diese sieht so schön altmodisch aus!

Da wir fast die einzigen Gäste sind, erklärt uns unser sympathischer Gastgeber ausführlich die Strategie des Nationalparks: Der absterbende Wald wird sich selbst überlassen und man schaut, welche Bäume sich da so neu ansiedeln. Indem man das Bäume-Mikado einfach liegen lässt, bildet sich eine natürliche Barriere gegen das Rotwild, das so die neuen Bäumchen nicht mehr zerbeißen kann. Flugs zieht unser Gastgeber noch eine Broschüre des Nationalparks aus der Tasche. Wow, was für eine Werbung für den Nationalpark, unser Wirt könnte glatt ein „Ranger“ sein!

Beim Bezahlen dann die Überraschung: Als wir die „Gästekarte“ des Luftkurorts Schierke ausfüllen, um unsere obligatorische Kurtaxe zu bezahlen, stutzt unser Gastgeber merklich: „Ähhh … “ und er liest uns laut unsere Adresse vor: “ … da wohnen sie aber noch nicht so lange, oder?“ Hä? Nun sind wir wiederum irritiert: Woher kann er wissen, dass wir „Neuharzer“ sind?

Es stellt sich heraus, dass er der Sohn unserer Seesener Nachbarn zur Linken ist. Die beiden sympathischen Rentner sind die einzigen Seesener, die wir bisher näher kennenlernen konnten, und sechzig Kilometer entfernt landen wir, obwohl es in Schierke zahlreiche andere Übernachtungsmöglichkeiten gibt, ausgerechnet bei ihrem Sohn. Interessanterweise haben wir uns gleich viel zu sagen und freuen uns schon auf ein Wiedersehen am Gartenzaun.

Aber nun müssen wir uns dann doch von der Pension loseisen, denn 24 Kilometer und 700 Höhenmeter Aufstieg stehen heute auf dem Plan.

Unser erstes Ziel sind die „Mäuseklippen“ und kurz darauf die „Scharcherklippen“, bei denen es auch den ersten Stempel zu holen gibt. Wir steigen durch eine Baumwüste auf, denn fast alle Bäume um Schierke herum mussten mittlerweile „dran glauben“. Wenn man sich mit den alteingesessenen Harzern unterhält, äußern diese fast immer Bedauern und Trauer: Wir schön war der Harz doch früher, als alles noch so grün, dunkel und moosig war und wie schrecklich doch die kahlen Berge nun sind, kaum wiederzuerkennen! Nur wenige sehen den Wandel im Wald als Chance, so wie der Sohn unserer Nachbarn. Aber bis hier um Schierke herum wieder das Grün als Farbe des Waldes dominiert – das wird dauern!

Die Schnarcherlippen sehen aus, als hätte ein Riese einige flache Kiesel zu zwei Steinmännchen aufgetürmt. Der lustige Name rührt daher, dass bei starkem Wind aus einer bestimmten Richtung die Steine wohl nicht zu singen, aber zu „schnarchen“ beginnen. Das hätten wir heute nur zu gern gehört, aber der Wind steht leider ungünstig.

Einen der beiden Steintürme kann man sogar besteigen: Mehrere steile Eisenleitern führen bis zum „Gipfel“, von dem man einen weiten Blick auf Schierke und die verwüsteten umliegenden Berghänge hat. Das Panorama wird dominiert vom Brocken, dessen hässliche Radarstation auch heute, an diesem diesigen Tag, gut zu erkennen ist. Mögen die Hänge um diesen hübschen Ort herum doch bald wieder ergrünen! 🙂

Der zweite Stempel des Tages ist nicht weit vom ersten entfernt. Am Barenberg gibt es eine Aussichtsplattform, die ebenfalls einen Blick über Schierke eröffnet. Der Ausblick hier ist aber nicht besser als von anderen Stellen des recht kahlen Berges. Einen Vorteil hat das Waldsterben im Harz – Ausblicke gibt es nun an jeder Ecke!

Über den sogenannten „Ulmer Weg“ versuchen wir, wieder auf den „Harzer Grenzweg“ bzw. zum Grünen Band zu gelangen. Ulm kennen wir als properes, aufgeräumtes Städtchen, aber der Ulmer Weg hier im Harz ist eine echte Sauerei – Waldfahrzeuge haben den Weg total zerfahren und Äste und halbe Bäume auf dem Weg wurden kreuz und quer zurückgelassen. Der Weg sieht aus wie meine Haare heute Morgen!

Am „Kaffeehorst“ gibt es einen Stempel, aber keinen Kaffee. Früher stand hier ein Grenzturm der DDR-Schutztruppen, heute eine Schutzhütte der Harzclubs. Ein hübsches Plätzchen, aber da auf unserer Karte ein Skilift mit Bewirtung eingezeichnet ist, ziehen wir weiter.

Als wir aus dem Wald heraustreten, treffen wir auf einen riesigen Parkplatz. Im Winter muss hier am Skilift am Wurmberg die Hölle los sein. Heute steht auf dem riesigen Arreal kein einziges Auto, aber erstaunlicherweise ist die Skihütte trotzdem geöffnet. Hurra, wir haben es kaum zu hoffen gewagt, aber hier gibt es Kaffee, Pommes und Currywurst.

Auf den zweithöchsten Berg des Harzes, den Wurmberg, steigen wir heute aber nicht. Der Berg mit dem roten Aussichtsturm hat zwar auch eine Stempelstelle, aber die Logistikerin in mir hat den Wurmberg schon als Höhepunkt einer anderen Stempeltour bestimmt. Heute laufen wir weiter auf dem Kolonnenweg der ehemaligen DDR, immer entlang der Zonengrenze.

Schön, wenn man auf dem Grünstreifen zwischen den Lochplatten aus Beton laufen kann. Das ist nämlich nicht immer der Fall, manchmal ist der Steg total zugewachsen, steinig oder zu hubbelig. Dann muss man direkt auf den Lochplatten laufen, was mir extrem an die Nerven geht. Mit meinen kleinen Füßen laufe ich Gefahr, in den Löchern hängenzubleiben oder umzuknicken. Friedel mit seinen Quadratlatschen tritt einfach irgendwohin und deckt die Löcher ab. Ich kann mir nicht vorstellen, das komplette „Grüne Band“ zu laufen, das wäre mir echt zu anstrengend und monoton.

Neun Kilometer traben wir auf dem Betonstreifen durch den Wald, Friedel links, ich rechts. Nachdem wir die B242 überquert haben, entscheiden wir uns, auf dem Weg zum „Ring der Erinnerung“ nicht den Harzer Grenzweg zu nehmen. Wir wählen stattdessen eine kleine Abkürzung, die uns auf der Karte viel interessanter und kürzer als der eigentliche Wanderweg erscheint. Der eigentlich gut ausgetretene Pfad ist jedoch von umgestürzten Bäumen blockiert und beim Versuch, die Chaosstelle zu umgehen, landen wir am Steilhang. Tierpfade sehen aus wie Wanderwege, und wir folgen dem Weg, der am ehesten wie ein solcher aussieht. Dank unserer Wanderapp treten wir am Ende aus dem Dickicht und landen tatsächlich am „Ring“, aber Zweige und Spinnweben hängen in unseren Haaren … okay, in meinen!
Aber endlich sind wir wieder auf dem Weg!

Der „Ring der Erinnerung“ ist eine Kunstinstallation, die uns ohne die Erklär-Schilder gar nicht aufgefallen wäre. Der „Ring“ liegt auf dem ehemaligen Todesstreifen, hat 70 Meter Durchmesser und besteht aus einen Wall aus Totholz, aus dem „neues Leben“ (Brombeeergestrüpp?) sprießen soll. Friedel ist die Installation nicht mal ein Foto wert: Hier sieht es aus wie überall im Harz, aber immerhin gibt es hier eine Stempelstelle. Eine unscheinbare Konstruktion, aber welch ein bedeutungsschwangerer Name!

Kurz vor Hohegeiß machen wir noch ein Schlenker zum Hahnestein, weil sich hier noch ein abgelegener Stempelkasten befindet. Der Weg ist nichts Besonderes, der Stempelplatz auch nicht – aber der Weg ist nett und im Licht der untergehenden Sonne sieht der frühlingshafte Wald ganz wunderbar aus. Wären wir nicht zum Hahnestein gewandert, wären wir viel zu früh in der Unterkunft angekommen!

Hohegeiß ist ein Grenzort, in dem zu Zeiten des Kalten Krieges der Hund verfroren gewesen sein muss. Direkt östlich der Dorfstraße lag früher der „Eiserne Vorhang“ und dieser muss dem Ort förmlich die Lebensader abgeschnitten haben.
Aus dem Wolfsbachtal steigen wir extrem steil nach oben in den Höhenort … um auf DAS zu treffen!

Wie kann man nur! Ist das nicht der Inbegriff der Hässlichkeit? Welches krankes Bauherren-Hirn der 70er konnte sich so etwas ausdenken und erhielt auch noch freie Hand dabei, diesen perfiden Architekturplan auszuführen? Dieser Hotelkomplex ist das furchtbarste, was wir bisher im Harz sehen mussten! Und man sieht die Dinger schon von Weitem! Horrible!

Der Rest des Orts ist jedoch weitaus angenehmer. Nicht hübsch, aber authentisch dörflich und unser Hotel „Silbertanne“ ist ein Muster an Zuvorkommenheit und Serviceorientierung.

Unser Menü für den Abend mussten wir im Voraus wählen, denn der Chef kocht seit Corona nur noch für Hausgäste. Kein Problem für uns – Bett, Bad, Bier und Braten sind uns gewöhnlicherweise genug. Unsere Wirte sind zwei fidele Holländer und sie sorgen ganz wunderbar für uns. Wir mögen Hohegeiß – Heureka!

Erste Harzquerung 2022 Teil 1: Auf dem Teufelsstieg von Bad Harzburg zum Brocken und weiter nach Schierke

Teil 1 unserer Brockentour an Walpurgis: Von Bad Harzburg nach Schierke, 22 Kilometer, 3 Stempel
gelaufen am 26. April 2022

„… Aber wart ihr denn auch schon auf dem Brocken?“ haben wir schon tausendmal gehört, wenn wir von unseren Stempelabenteuern berichteten. Der Brocken ist ein mystischer Ort, mit seinen 1142 Metern der höchste Berg des Nordens, sagenumwobener Hexentanzplatz und die Hälfte des Jahres im Nebel versunken. Auf seinem Gipfel herrschen angeblich Klimabedingungen wie in Island.

Aber auf keinen Fall soll man den Brocken im Sommer besuchen. Nicht am Wochenende, nicht bei gutem Wetter und auf keinen Fall nach Sonnenaufgang. Ansonsten werde man als ernsthafter Wanderer von Massen an Tagestouristen in Grund und Boden getrampelt. Millionen von Ostfriesen, Holländern und Dänen suchen angeblich seine zugigen Höhen auf und der „Brockenwirt“ sei der Ballermann des Nordens, so wurden wir gewarnt.

Alles Gründe für uns, den legendären Berg möglichst früh im Jahr zu besteigen. Dann haben wir es hinter uns. Am liebsten hätten wir ihn schon im April erklommen, aber da lag oben noch zu viel Schnee, Nun haben wir drei zusammenhängende Wandertage zur Verfügung und gute Wetteraussichten: Nun muss es also sein!

Wegen der drei Wandertage am Stück steht bei uns eine komplette Harzdurchquerung auf dem Plan: Von Bad Harzburg am nördlichen Harzrand über den Brocken nach Schierke, am nächsten Tag über das Grüne Band bis nach Hohegeiß und am dritten Tag über den Baudensteig bis zum Bahnhof nach Bad Sachsa, am südlichen Rand des Harzes. Unsere erste Mehrtagestour seit eineinhalb Jahren – Wir freuen uns wie Bolle!

Bad Harzburgs schmucker Bahnhof

Heute, an Tag eins unserer dreitägigen Tour, starten wir erneut am Jugendstil-Bahnhof von Bad Harzburg. Vor nur einem Monat sind wir dieselben zwei Kilometer bis zum Harzrand durch die City gewandert, aber die Wiederholung stört uns keineswegs – die stylische Bäderarchitektur begeistert uns schon wieder und wir sind beeindruckt von der Menge an Läden, Restaurants und Cafés, die unseren Weg durch die Innenstadt säumen.

Direkt an der Waldkante geht es bereits steil bergauf. Dieses Mal haben wir einen etwas anderen Weg zum Molkenhaus gewählt: Der „Teufelsstieg“ über die Ettersklippe ist viel schmaler und wurzeliger als der Weg, den wir beim letzten Mal genommen haben.

Zudem beeindruckt uns das fast knallige Grün der Buchen um uns herum. Grün, grüner am grünsten – mehr geht nicht!

Wir amüsieren uns ein wenig über die Beschilderung in Richtung Brocken: Am Rand von Bad Harzburg lesen wir „zwölf Kilometer“, aber gefühlte zwei oder drei Kilometer später sind es auf den nächsten Wegweisern immer noch zwölf!

Um auf den Gipfel des Brockens zu gelangen, bieten sich drei Möglichkeiten an: Man fährt mit der historischen, von einer Dampflok angetriebenen Brockenbahn nach oben. Das ist bestimmt ein schöner Zeitvertreib, aber damit fahren wir später mal, wenn die Eltern uns besuchen! 🙂

Mit dem Auto kommt man – Gott sei Dank – nicht direkt zum Gipfel. Die häufigste und einfachste Erklimmung gelingt vom Parkplatz „Torfhaus“ über den Goetheweg, auf dem es in etwa acht Kilometern 350 Höhenmeter zu überwinden gilt, ehe man beim Brockenwirt seine Bratwurst vertilgen kann. Wir aber entscheiden uns natürlich für den mühsamsten Fußweg zum Brocken: Zwölf Kilometer vom Bad Harzburger Baumwipfelpfad aus, 900 Meter Anstieg bis zum Brocken, auf dem TEUFELSSTIEG!

Natürlich wollen wir auf unserer Tour auch Stempel sammeln. Den ersten Abdruck auf dem Weg, den vom Molkehaus, haben wir schon. Die Mitarbeiter der Ausflugsbaude stellen morgens um zehn gerade die Schilder und Sitzpolster raus, als wir an der Baude vorbeilaufen. Macht nichts, denn unseren Kaffee haben wir schon in Bad Harzburg getrunken.

Das finden wir ziemlich toll an unserer neuen Heimat Harz: Die „Bauden“, die oft auf den Gipfeln der Harzer Berge liegen, sind viel zahlreicher und viel häufiger geöffnet als auf der Schwäbischen Alb. Das hat uns schon auf unser Deutschlandtour 2020 auf dem E6 verwundert – An einem stinknormalen Wochentag im Oktober landeten wir im Sprühnebel am Großen Knollen an und ergatterten das, was wir kaum zu hoffen gewagt hatten – einen heißen Kaffee und ein Stück Apfelkuchen! (Allerdings hatten wir 2020 auf unserem DDLN noch keine Ahnung von der Stempelei und müssen deshalb bald auf jeden Fall noch mal zum Knollen, um den verpassten Stempel nachzuholen.)
Auch wenn wir heute also am Molkehaus nicht einkehren, finden wir es toll, dass wir es KÖNNTEN! Auf dem Brocken gibt es dann die nächste Einkehr-Möglichkeit und dann werden wir uns den Kaffee so richtig verdient haben.

Nach dem Molkehaus geht es auf dem Teufelsstieg erst mal bergab, ins Tal der Ecker. Uns erwartet ein wunderschöner Pfad entlang des Bachs, von Felsen umrahmt und mit grünen, gesund aussehenden Fichten umstanden. In den feuchten Tälern sieht der Wald insgesamt viel besser aus als im eher trockenen Oberharz. Hier gewinnt man einen Eindruck darüber, wie der Oberharz mal war, bevor der Borkenkäfer die Bäume befiel – dunkel, mystisch, moosig.

Der Blick auf den Staudamm des Eckerstausees ist ein kleiner Schock, denn plötzlich landet man gefühlt wieder in der Ziviisation. Oben auf der Staumauer begeistert dann aber der Blick auf das blaue Wasser und die heidebestanden Hänge des östlichen Seeufers. Das kleine, weiße Pumpenhäuschen in der Mitte der Staumauer wirkt fast mediteran, markiert aber auch die ehemalige Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland.

Schon bei unserer Tour auf dem Thüringischen Rennsteig hat uns das Wandern auf der ehemaligen Zonengrenze fasziniert. Noch immer empfinden wir es als besonderes Geschenk der Geschichte an unsere Generation, dass wir hier heute wandern dürfen, wo sich vor 35 Jahren noch Stacheldrahtzäune und Grenztürme befanden und Grenztruppen patrouillierten. Frei und selbstbestimmt leben zu dürfen, ist nicht selbstverständlich, auch nicht für uns aus dem „Westen“!

Was hier am Eckersee ebenfalls begeistert, ist das Fehlen von jedwedem Zivilisationslärm. Schön auch, dass das Ostufer so schön mit Heidekraut bewachsen ist. Hier müssen wir mal im August wiederkommen!

Aber zurück zur Wanderung: Noch ein besonderes Geschenk wartet auf uns am Ende der Staumauer – der Stempel mit der Nummer 1!

Um Wanderkaiser zu werden. muss man ja bekanntlich 222 Stempel gesammelt haben. Bis jetzt haben wir eher in der Nähe unseres Wohnorts gestempelt, also ist die fünfte bis siebte Seite unseres Stempelhefts schon ziemlich voll. Auf den ersten drei Doppelseiten haben wir jedoch noch gar keinen Stempel – das wird sich an dieser Dreitagestour ändern. Denn gleich nach dem wunderschönen Eckerstausee wird der Stempel mit der Nummer 2 auf uns warten.

Aber nein, ich bin zu blöd. Nach dem „Viehstall“, einem verfallenden Gehöft auf einer weiten Wiese mitten im Wald, beginnt der Kolonnenweg der ehemaligen Grenze. Was im Eckertal noch nicht richtig zu sehen war, springt einem hier förmlich ins Auge – Hier verlief die ehemalige Grenze zur DDR, mit Zaun, Todesstreifen und Grenzpatrouillen. Außerdem geht es ab hier, dem Frickenplatz, plötzlich ziemlich steil bergauf. Dass das irgendwann kommen musste, war uns schon klar – Nun heißt es das Ränzel schnüren und wacker bergauf steigen!

Vor lauter Vorfreude vergesse ich, dass sich direkt um die Ecke, bei der Ranger-Station, die Stempelstelle mit der Nummer 2 befindet. Dass wir dort auch einen Kaffee bekommen hätten, darf ich dem Friedel gar nicht erzählen!

Jedenfalls bemerken wir erst am Abend, dass wir statt vier Stempel nur drei neue im Stempelhaft haben. Wie blöd ist das denn? Da sind wir direkt an der Stempelstelle vorbei gelaufen!

Aber zurück zum Grenzweg … vor uns liegen nun 500 Meter Anstieg auf vier Kilometern – wahrhaftig teuflisch!
Wir nehmen uns vor, einfach ruhig und bedächtig nach oben zu steigen. Das gelingt uns erstaunlich gut, aber trotzdem schwitzen wir tüchtig. Links und rechts von uns ist viel Wald zerstört, aber zum Glück spendet uns die eine oder andere Fichtenschonung Schatten. Ein lustiger älterer Wanderer, der uns entgegenkommt, fragt uns strackfrech, ob wir denn heute wirklich noch bis ganz nach oben wollen. Erneut sind wir erstaunt, dass uns hier im Harz wildfremde Menschen einfach so ansprechen. Im Schwäbischen haben wir das fast nie erlebt!
Der Rentner aus dem Thüringischen ist ebenfalls Stempeljäger und ein paar Tage in Wernigerode zu Besuch. Es ist schön, dass sich durch die Stempelei häufig schnell ein Gesprächseinstieg ergibt und wir tauschen uns kurz über die schönsten Plätze in der Nähe aus. Solche kleinen, zwischenmenschlichen Begegnungen erfreuen uns, sieh einer an! 🙂

Den ganzen Aufstieg zum Brocken hin hören wir schon das Pfeifen der Brockenbahn. Die ist dann auch das beste am Brocken – die alte Bahn ist hübsch anzuschauen und bei unserem nächsten Besuch auf dem Gipfel werden wir auch mal damit FAHREN!

Oben ist es merklich kühl und es weht ein eisiger Wind. An schattigen Stellen liegen noch jede Menge Schneebretter und die Vegetation wirkt deutlich boreal. Krüppelkiefern, dicke Steine, Heidekraut – wir fühlen uns, als wären wir in Lappland!

Die touristischen Einrichtungen auf dem Brocken lassen uns ebenfalls kalt. Die Radarstation ist hässlich, die Brockenuhr langweilig, das Brockenhotel ist ein Betonklotz und die beiden Dependancen des „Brockenwirts“ können uns mit ihrem Kantinen-Flair auch nicht begeistern. Aber immerhin gibt es Kaffee und einen recht ordentlichen Apfelkuchen, wenn auch zu gesalzenen Preisen!

Am Brockenhaus sammeln wir unseren Stempel ein und machen uns bald wieder auf den Abstieg. Nur noch sieben Kilometer auf dem Teufelsstieg trennen uns von unserer Pension in Schierke und von nun an geht es permanent bergab. Ha, das ist doch eine unserer leichtesten Übungen!

Aber oh weh! Der Eckerlochstieg nach unten hat es in sich! Geradezu halsbrecherisch ist die Wegführung durch eine steinige Rinne mit dicken Steinen, in der man sich permanent fragt, ob man überhaupt noch auf dem Weg ist. Überall zwischen den Steinen rinnt Schmelzwasser den Hang hinunter und das Staken zwischen den dicken Steinen geht höllisch auf die Nerven und auf die Knie.

Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder auf die Brockenstraße treffen, beschließen wir, auf dieser zu bleiben und lieber auf Asphalt zu Tal zu traben, statt uns auf dem „Teufelsstieg“ die Haxen zu brechen. Dieser Weg ist einfach unverschämt steinig und unsere Konzentration lässt nach…

Erst um halb sechs kommen wir in Schierke in unserer Pension an und treffen auf eine verschlossene Tür. Zum Glück gibt es einen Schlüsselkasten und auf meinem Handy finde ich den Code für die Schlüsselausgabe. Im Zimmer halten wir uns aber nicht lange auf, wir duschen und machen und auf den Weg zum „Holzfäller“, denn wir haben Hunger!

Das Bier und unser Abendessen auf der Terrasse haben wir uns heute redlich verdient. Heute feiern wir den Beginn unserer ersten Mehrtagestour seit eineinhalb Jahren – und das bei bestem Wetter!

DDLN Etappe 47: Auf den Grünen Band und dem Naturparkweg Leine-Werra von Altenburschla nach Martinfeld

Samstag, 26. September 2020: 29 Kilometer

So schlimm wird’s heute dann doch nicht mit dem Regen – erst um 13 Uhr beginnt es zu tröpfeln und erst ab 16 Uhr regnet es sich richtig ein. Wir packen nicht mal die Regenhosen aus!

Heute stehen 29 Kilometer im Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal auf dem Programm. Wir sind erstaunt, wie bergig es hier ist – heute kommen satte 900 Höhenmeter Aufstieg zusammen, weitaus mehr als das tägliche Pensum auf dem Rennsteig.

Die meiste Zeit der Strecke sind wir auf dem Grünen Band unterwegs, auf dem Kolonnenweg der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Bei der Errichtung der Grenzanlagen wurde scheinbar keine Rücksicht auf geografische Gegebenheiten genommen: Der Kolonnenweg führt wie bei einer Achterbahn ständig rauf und runter, teilweise mörderisch steil.

Im Gegensatz zu dem Stück Kolonnenweg zwischen Blankenstein und Schlegel, das wir auch schon gelaufen sind, besteht der Weg hier nicht aus dem fiesen Lochbeton, sondern aus größeren Betonplatten – so muss man wenigstens nicht immer Sorge haben, in den Betonlöchern mit dem Fuß stecken zu bleiben.

Spannend ist der „Stasi-Tunnel“, an dem wir gleich auf den ersten Kilometern auf dem grünen Band vorbei kommen. Die Röhre sieht aus wie ein gewöhnliches Abflussrohr, ist aber für die Stelle gänzlich überdimensioniert. Eine Infotafel verrät uns, dass hier Waffen und Menschen über die Grenze transportiert wurden, die nicht über die offiziellen Grenzübergänge gehen sollten.

Später treffen wir noch auf zwei alte Grenztürme. Ansonsten erstaunt uns erneut, wie abgeschieden das Grüne Band ist: In der Nähe gibt es keine Dörfer, keine Straßen, keine Häuser.

Uns kommt hier eine gute Geschäftsidee: Wir gründen einen Verein mit dem Ziel, die ehemaligen Grenzwege zu einem großen europäischen Fernwanderweg umzugestalten. Der ginge dann von der Ostsee bis an die österreichisch-slowenische Grenze. Unterwegs richten wir auf dem „ICT“ (Iron Curtain Trail) Camps mit Duschen ein und stellen Picknick-Bänke auf. Finanzieren wollen wir das Ganze, indem wir eine der Betonplatten-Spuren nach Schottland verkaufen! 😜

In Geismar finden wir einen Netto-Supermarkt mit Bäckerei und kommen an einen Kaffee und den typischen Schmandkuchen der Region.

Als wir den Parkplatz verlassen, beginnt es so richtig zu regnen. Zum Glück liegen nur noch etwa acht Kilometer vor uns, die wir größtenteils durch Wald laufen. Durch das Blätterdach dringt nur wenig Regen durch, sodass wir nur mäßig nass werden. Und endlich kommen unsere Regenjacken zum Einsatz – die hätten wir doch sonst ganz umsonst mitgeschleppt!

In der „Krone“ in Martinfeld nimmt uns die junge Wirtin gleich die nassen Klamotten ab und hängt sie in den Trockenraum. Das nennen wir hikerfreundlich!

DDLN Etappe 38: Auf dem Frankenweg/Rennsteig von Naila nach Grumbach

25.11.2019: 27 Kilometer

Für heute war Frühnebel angesagt – Und es gab: Frühnebel!

Unser selbstgebastelter Weg am Morgen hat uns gut gefallen: Sehr schnell sind wir aus dem Ort heraus und der Weg entlang der Selbitz ist schön ruhig und romantisch – vor allem in Nebel!

Besonders gefreut haben wir uns auf das Höllental. Wir sind schon seit einigen Kilometern wieder auf dem Frankenweg, dessen letzte Kilometer wir nun beschreiten. Fast 500 Kilometer haben wir auf ihm zurückgelegt – dies ist einer der längsten Wege in Deutschland!

Das Tal ist im Herbst vermutlich viel schöner als in anderen Jahreszeiten. Niemand außer uns ist heute hier unterwegs. Links und rechts des Weges gibt es uralte Felsen aus Diabas, einem alten Lava-Gestein. Die Selbitz rauscht über moosiges Gestein durch die enge Schlucht. Allerdings ist es ziemlich schattig hier – typisches November-Wetter!

Am Blechschmidtenhammer zeugen ein alter Bahnhof und ein paar alte Waggons und Loren von der Geschichte des Tals als ehemaligem Steinbruch für Schiefer und Diabas, Silber und Erze. Bis heute sind viele Fassaden der alten Häuser hier mit Platten aus Schiefer verkleidet: Das schafft eine romantische, aber auch etwas düstere Atmosphäre in den Dörfern.

Hier am Blechschmidtenhammer verlassen wir den Frankenweg und wenden uns dem „Grünen Band“ zu. Zunächst geht es durch das Tal der Moschwitz, die geschichtlich die Grenze zwischen Bayern und Thüringen markiert. Den Rest des Tages wandern wir auf Thüringer Gebiet.

Als wir aus dem Tal aufsteigen und auf den Kolonnenweg der ehemaligen Grenze treffen, sind wir gleich von den Ausmaßen der ehemaligen Grenzlinie beeindruckt: Kilometerlang erstreckt sich die breite Schneise mit dem löchrigen Betonweg durch die Landschaft. Acht anstrengende Kilometer wandern wir auf der ehemaligen Grenzlinie. Auf der einen Seite ist der Weg echt anstrengend zu laufen – Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht in die Löcher im Beton treten und womöglich umknicken.

Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland noch nie eine so lange Strecke ohne jedwede menschliche Ansiedlung erlebt. Kilometerlang laufen wir auf Lochplatten durch eine absolut menschenlose Landschaft – keine Straßen, keine Häuser, keine Strommasten – einfach nichts außer Gras, Bäumen, einem Wall mit Graben und dem Panzerweg, auf dem wir laufen.

Auf Dauer wird die Trotterei auf dem Löcherbeton jedoch langweilig – Wir können uns nicht vorstellen, das gesamte „Grüne Band“ zu laufen. Das reicht jetzt!

Als wir hinter Schlegel auf den berühmten Rennsteig treffen, wird es aber auch nicht viel aufregender. Der Rennsteig ist hier ein extrem breiter Schotterweg, der kilometerweit schnurgerade durch den Tannenwald führt. Im weiteren Verlauf (nach unserer Mittagspause) gibt es aber auch ein paar Wegabschnitte, die auf wurzeligen Pfaden verlaufen.

Schon um 15 Uhr erreichen wir unseren Zielort Grumbach. Wir haben heute nur zwei kurze Pausen eingelegt und uns danach „warmhiken“ müssen – Kaltes Wetter verleiht Flüüüügel!