Coast to Coast 4: Durch’s Eden Valley von Bampton nach Kirkby Stephen

Tag 6 und 7 auf dem nordenglischen Coast to Coast Walk Mai 2014:
Bampton Grange-Orton: 18 Kilometer
Orton-Kirkby Stephen: 19 Kilometer

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Oh, elysisches Eden-Valley! So grün! So fruchtbar! So weit und eben! 🙂

Die nächsten zwei Wandertage des C2C stellen eine Art Übergang von den Bergen des Lake Districts zu den Pennines dar, dem großen Hochmoor in der Mitte Englands. Zwar ist das Eden Valley landschaftlich nicht ganz so spektakulär wie der Lake District und die vor uns liegenden Yorkshire Dales, aber wir freuen uns, dass wir uns in der sanft-hügeligen Landschaft ein wenig von den Strapazen der letzten Tage erholen können!

Als wir vier am Morgen in Bampton Grange aufbrechen, verlaufen wir uns erst mal ordentlich. Bampton liegt ja etwas abseits vom C2C und unser Plan ist, uns über Wiesen zur nächsten Wegmarke durchschlagen, zur Shap Abbey. Auf der Karte gibt es einen eingezeichneten Weg über die Wiesen, allerdings existiert der in der Realität gar nicht! So ist das, wenn man sich abseits der ausgetretenen Pfade bewegt – man muss sich im wahrsten Sinne des Wortes „durchschlagen“!

Zwei freundliche Bewohner des kleinen Örtchens Rosgill lassen und über ihr Grundstück laufen und erklären uns den richtigen Weg. Die beiden sind den C2C vor zehn Jahren gelaufen und schwärmen noch heute davon. Also flugs über die Mauer und auf  zur alten Abtei!

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Foto von Christiane
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In der Senke: Die Abbey

Das Highlight des heutigen Tages ist Shap Abbey. Die alte Klosteranlage wurde Ende des 13. Jahrhunderts erbaut, jedoch ist wenig über die weitere Geschichte der Abtei bekannt. Die mönchische Gemeinschaft wurde 1540 aufgelöst, als Heinrich der Achte (Henry XIII) das Kloster schließen ließ und an einen seiner weltlichen Vasallen verschenkte, wie so viele andere katholische Einrichtungen in England. Seitdem verfällt die Abbey. Wir aber sind erstaunt, dass von dem alten Gemäuer noch so viel erhalten ist und freuen uns über eine sonnige Mittagspause in der ansonsten menschenleeren Anlage.

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Foto von Carla

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Das Dörfchen Shap selbst gibt nicht viel her. Allerdings gibt es dort einen Laden, in dem wir unsere Vorräte wieder aufstocken können.
Der nächste Abschnitt ist nicht so schön: Wir müssen an einem riesigen Steinbruch vorbei und über eine fiese Autobahn, zum Glück gibt es eine Brücke. Das Eden Valley zwischen den Gipfeln des Lake Districts und den flachen Kuppen der Pennines war früher wie heute eine wichtige Passage zwischen Nord- und Mittelengland – und irgendwo müssen die Autobahnen ja hin. Immerhin sind die Highways nicht ganz so allgegenwärtig wie im Autoland Deutschland …

So freuen wir uns schon auf eine andere, ganz besondere Straße – auf unserer Karte sind eine Römische Straße und ein Steinkreis eingezeichnet. Jedoch erkennen wir in der Landschaft weder das eine noch das andere – irgendwie haben wir nicht das Auge für solche archäologischen Besonderheiten!

Dafür gibt es satte Wiesen, alte Mauern, verfallene Gehöfte und Ställe – und weite Blicke über das Grasland und die Berge vor und hinter uns.

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Mit dem Eden Valley haben wir Kalkstein-Gebiet betreten – überall auf den ansonsten grünen Wiesen finden sich weiße Farbtupfer – Steine und Schafe!

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Am Nachmittag zieht Regen auf, aber das schreckt uns nicht – bald sind wir in Orton und der dunkle Himmel und ein Regenbogen sind der krönende Abschluss unseres heutigen Wandertages, auch wenn wir ein wenig nass werden.

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Orton ist ein wirklich hübsches Dörfchen, geschützt in einer Senke gelegen, mit hübschen Vorgärten voller Blumen und kreativer Figuren.  Das Klima hier soll sehr gesundheitsfördernd sein – das Dorf ist bekannt dafür, dass viele Bewohner über 100 Jahre alt werden!

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Das George Hotel ist eine der wandererfreundlichsten Herbergen, in denen wir je übernachtet haben: Sofort beim Einchecken werden uns unsere nassen Schuhe abgenommen und in einen Trockenraum gebracht. Wir könnten unsere Wäsche zum Waschen abgeben und auch ansonsten ist der Laden superfreundlich und gut geführt. Da freut sich das Wandererherz! 🙂

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Am nächsten Morgen auf dem Weg nach Kirkby Stephen wird es rauher, sowohl landschaftlich als auch wettertechnisch. Glücklicherweise regnet es nur wenig, aber die Wiesen sind patschnass. Auch die Landschaft wird zunehmend mooriger – die Yorkshire Dales nahen!

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Foto von Christiane

Wir alle fluchen ein wenig wegen der vielen Pfützen und nassen Passagen, die es heute zu überspringen und zu durchwaten gilt – aber noch Schlimmeres wird kommen! 🙂

Unsere Mittagspause  verbringen wir im „Paradies“: Das Smardale mit seinem alten Eisenbahnviadukt ist eine grüne Oase in der ansonsten kargen Moorlandschaft.

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Blick zurück zum Lake District

Als wir nach neunzehn Kilometern in der Kleinstadt Kirkby Stephen ankommen, sind wir trotzdem recht entspannt  – der Weg war zwar etwas nass, aber nicht besonders anstrengend. Wir freuen uns auf eine schöne Dusche und ein Ale in unserem Hotel „Black Bull“. Doch der Wirt an der Rezeption kann unsere Buchung nicht finden – oh Schreck!!!
Steffi hat den blödesten Buchungsfehler ihrer Hiking-Karriere verzapft – statt drei Zimmer für den 26. Mai hat sie die Zimmer für den 26. April gebucht! Das Hotel hatte die 190 Pfund für den Aufenthalt sogar schon von der Kreditkarte eingezogen – aber sie hatte es für eine Vorauszahlung gehalten!
Glücklicherweise ist das Hotel aber heute nicht voll ausgebucht und wir bekommen unsere Zimmer – und das alles ohne Aufpreis! Vielen Dank, Black Bull!

Den Abend verbringen wir Karten spielend im gemütlichen Pub. Die Stadtbesichtigung verschieben wir auf morgen! 🙂

 

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Tag 63: Dufton nach Garrigill

Am Morgen verabschieden wir uns herzlich von Simon und gehen die schwierigste Passage auf dem Pennine Way an – THE CROSS FELL!

Der Berg ist nur 893 Meter hoch, aber der höchste in den Pennines. Ähnlich wie Mount Katadyn in den Appalachians gilt er aber als Schlechtwetterberg, der uns im Vorfeld unserer Planung schon ordentlich Respekt eingeflößt hat. Wikipedia:

„Eine Wanderung über Cross Fell ist nur bei gutem Wetter und mit angemessener Ausrüstung zu empfehlen, da der Gipfel im Frühjahr noch lange verschneit bleibt, häufig in Wolken und Nebel liegt und starken Winden ausgesetzt ist.

Huuuhh! Wird heute ein Tag mit gutem Wetter sein? Wir rechnen mit dem Schlimmsten und wissen, dass wir es mindestens bis Garrigill schaffen müssen. Das sind 25 Kilometer und wird wohl recht anstrengend bei den oben beschriebenen Bedingungen. Vor dem heutigen Tag haben wir am meisten gebangt. Wir haben von Wanderer gelesen, die sich auf der Hochebene des Cross Fells verlaufen haben und stundenlang herumgeirrt sind, bis sie den Abstieg gefunden haben. Wie wird es uns ergehen? Die Wettervorhersage ist durchwachsen!

Als wir loslaufen, ist es noch nicht neun Uhr. Wegen der umliegenden Hügel sehen wir den Cross Fell nicht – was wird uns erwarten? Egal – wir müssen eh über den Buckel!

Zunächst gilt es erst einmal, überhaupt in die Höhenlage der Pennines wieder aufzusteigen. Gestern sind wir auf unter 200 Meter abgestiegen, nur um in Dufton übernachten zu können. Für die Zelter unter euch: Einen Weg vom High Cup Nick in Richtung Cross Fell gibt es nicht – da wäre Querfeldeinwandern angesagt!

Von 200 Meter auf fast 900 … das ist schon ein ordentlicher Aufstieg. Viele Wanderer laufen durch von Dufton bis nach Alston – aber ob der vielen Höhenmeter und der unsicheren Wetterlage reichen uns die 25 Kilometer bis Garrigill. Im Vorfeld habe ich uns dort in ein B&B eingemietet. Also sind es heute 25 Kilometer mit einem ordentlichen Aufstieg und unsicherer Wetterlage – wir bibbern schon!

Zunächst geht es allerdings im strahlenden Sonnenschein langsam und gemächlich nach oben. Wir durchlaufen eine elysische Landschaft und die ersten fünf Kilometer geht es noch relativ gemächlich nach oben. Wir haben eine tolle Aussicht heute Morgen, auf das Eden Valley und Dufton Pike und Dodd Hill.

Schon ab 500 Höhenmetern wird es zunehmend kalt und neblig. Wir sind darauf eingerichtet und ziehen die Mütze und die Jacke aus den Seitentaschen – auf geht’s!

Immer höher geht es auf den Great Dunn Fell hinauf und die Landschaft im Tal ist immer weniger zu sehen. Wir steigen förmlich in die Nebelfelder ein. Immer wieder öffnen sich die Wolken und man sieht das sonnige Tal unter uns. Bei uns gibt es allerdings nur Stille und eine wabernde Masse um uns herum. Als wir auf dem Great Dunn Fell die ersten Cairns erreichen, sind wir recht froh, haben wir doch den größten Teil des Anstiegs hinter uns – Dafür wird es aber auch extrem nass. Zwar haben hier fleißige und hilfreiche Kräfte Steinplatten auf dem matschigen Weg verlegt, aber aufgrund der hohen Niederschläge der letzten Tage stehen sie alle unter Wasser. Egal – wo die „Slabs“ liegen, da verläuft der Weg! So verirren wir uns wenigstens nicht auf dem Hochplateau und erreichen so glücklich den Gipfel des Great Dunn Fell – aber Moment! Sollte hier nicht eine Radarstation sein? Ja wo ist sie denn?

Ein kleiner Wind kommt auf und quirlt den Nebel etwas durch … plötzlich taucht sie aus dem Nebel auf, die große Kugel der Radarstation, direkt vor uns, wie konnten wir sie vorher übersehen? Und Sekunden später ist sie wieder verschwunden, Zauberei! Wir gut, dass wir zu zweit sind und blöde Witze machen können, alleine wäre uns hier schon etwas mulmig zumute!

Wir patschen den Hang herunter durch die Nebelsuppe. Auch hier liegen ordentlich verlegte Steinplatten. Nach einem kleinen Zwischental geht es auf der anderen Seite wieder hoch auf den Little Dunn Fell. All diese Berge sind höher als alle anderen der Pennines, aber da sie in einer Reihe liegen, merkt man den Unterschied kaum. Hier auf dem Little Dunn Fell beginnt sich der Nebel zu lichten: Wow! Wir haben eine Aussicht hinter und und sehen die Radarstation auf dem zurückliegenden Berg – nach vorn sehen wir den Aufstieg auf den Cross Fell deutlich vor uns: Oje, da geht es noch mal runter und dann noch mal ordentlich rauf!

Plötzlich überholt uns ein Mann ohne Rucksack mit Hund und hechtet den Hang vor uns hinunter. Wo will er so schnell hin? Wo will er ankommen? Zurück nach Dufton? Nach Garrigill? Wieder nach Kirkland hinunter?

Als wir den Anstieg auf den Cross Fell geschafft haben, sind wir glücklich und erleichtert. Ab jetzt geht es nur noch bergab und der Sonne entgegen.

In der Tat herrscht hier oben ein ordentlicher Wind, und der weht uns fast das Mark aus den Beinen. Auf dem Cross Fell hat man das Gefühl, dass man auf dem Mond wandelt: Steine, Steine und eine eintönige Landschaft. Auf dem Platau verliert man irgendwann sogar die Radarkugel auf dem Great Dunfell aus dem Blick, und solange man nicht auf der Kante dieses großen Hochplataus steht, hat man auch keine Aussicht. Aber nachdem wir uns einen Tee und einen Snack am „Shelter“ (ein offener Windschutz mitten auf dem Hochplateau) genehmigt haben, geht es wieder herunter, und damit gibt es eine (zugegebenermaßen etwas verhangene) Aussicht ins Eden Valley und auf die umliegenden Hügel. Wir sehen den Weg und die Steinmarker klar vor uns, also ist alles wunderbar!

Unser nächstes Ziel ist „Greg’s Hut“, ein Bothy in England!

Wir kennen Bothies, also unbewirtschaftete Schutzhütten, schon aus unserem letzten Schottland-Urlaub. Zweimal haben wir sogar schon in einem übernachtet. Aber neu war mir, dass es diese Hütten auch (aber selten) in unwirtlichen Gegenden in England gibt. Nun, heute werden wir auf eines der wenigen Bothys in England treffen. Dieses ist eine ehemalige Schmiede, als dies alles noch Minengebiet war. Greg ist ein Fellwanderer, der in den Alpen bei einem Bergunfall um’s Leben gekommen ist. Die Hütte wurde zu seinem Gedenken renoviert.

Heute besteht sie aus zwei Räumen, ausgerüstet mit einem Vorraum mit ollen Plastikstühlen  und einem „Schlafraum“ mit einem Podest aus Spanplatten und einem Ofen. Es stellt sich allerdings die Frage, wo man das Holz herholen soll, um den Ofen zu befeuern. Mitbringen?

Wir grüßen das Bild von Greg an der Wand des Bothys, fotografieren den berühmten Ort (mehr als 600 Wanderer übernachten hier jedes Jahr) und machen uns weiter auf den langen Abstieg nach Garrigill.

Von Greg’s Hut aus sind es noch mal zehn Kilometer bis nach Garrigill. Diese verlaufen fast durchweg auf breiten Schotterwegen. So kommen wir gut voran, aber der Abstieg durch ehemalige Abraumhügel der Minen aus alter Zeit ist eher bedrückend: Wie viele Menschen haben hier früher unter unmenschlichen Bedingungen und diesen fiesen Winden geschuftet? Wie kalt und ärmlich müssen die Lebensbedingungen hier gewesen sein? 

Fünf Kilometer vor Garrigill werden wir durch Schüsse aus unseren düsteren Gedanken geweckt – Jagdsaison, oje!

Zunächst versuchen wir das Geballere noch zu ignorieren, denn immerhin befinden wir uns auf einem NATIONAL TRAIL! Man wird uns doch hier nicht über den Haufen schießen?

Aber irgendwann sehen wir vor uns auf dem Weg junge Männer, die wie wild Fahnen vor uns schwenken – Oh Gott, wir laufen durch ein Kriegsgebiet!

Unser Schritt beschleunigt sich in der Tat – nichts wie weg von dieser wilden Moorhuhnjagd!

Kurz vor Garrigill, nachdem wir die Kehre hinter uns gebracht haben, treffen wir auf einen Konvoi von Jägern. Diverse SUV, teilweise in Tarnfarben, überholen uns, die Fahrzeuge voll mit alten Männern – Ihrer Lordschaft erlesene Gäste? Einer spricht uns an, aber wir haben große Probleme, den Mann zu verstehen. Haben wir seine Fragen beantwortet? Wir glauben schon! 🙂

Endlich erreichen wir Garrigill, einen kleinen Ort mit weniger als zweihundert Einwohnern. Es gibt ein Post Office und einen Pub, der aber seit 2016 leider endgültig geschlossen ist. Bei unserer Planung standen wir vor folgender Überlegung:

  1. Übernachten wir in einem B&B in Garrigill und nehmen wir ein Abendessen mit, so dass wir unabhängig vom Pub hier übernachten können oder
  2. laufen wir 32 Kilometer durch bis Alston und kommen spät, aber kaputt und happy dort in einem Pub an?

Zum Zeitpunkt unserer Planung erschienen uns die 32 Kilometer zu viel und wir entschieden uns für die Garrigill-Übernachtung. Aber im Nachhinein müssen wir zugeben, dass wir auch die 32 Kilometer geschafft hätten, da das Wetter auf den Fells ganz gut war. Wir hatten Glück, aber es hätte natürlich auch schlimmer kommen können!

In Garrigill erwartet und folgende Situation: Als wir in unserem B&B ankommen (East View B&B), finden wir die Tür des Cottages unverschlossen und eine Nachricht von unserer Landlady Lana, dass sie heute Abend nicht da sei, da sie arbeiten müsse. Wir sollten uns jedoch wie zuhause fühlen und sie habe in einem benachbarten B&B ein Abendessen für uns arrangiert. Das ist doch super, oder?

Das B&B mit dem Abendessen hat nicht nur zwei Gerichte für uns zur Auswahl (naaa, was ist es wohl? Lasagne und Steak and Ale Pie!!!!), sondern auch gezapftes Ale. Also freut sich Friedel ein Loch in den Bauch über das unverhoffte Bier, Glückes Geschick! 🙂

Wir genießen unseren gemütlichen Abend in dem improvisierten Pub und kommen später auch mit einem anderen Gast ins Gespräch. Nach kurzer Zeit bemerken wir allerdings, dass dieser ziemlich betrunken und nationalistisch eingestellt ist, sodass wir tunlichst das Weite suchen. Mit uns flüchten noch diverse andere Gäste, die er auch vollgequatscht hat.

Wir verbringen einen schönen Restabend mit Tee und Keksen im Cottage. Unser Zimmer ist sehr gemütlich eingerichtet, so auch die Lounge für die Gäste. Da wir die einzigen Übernachtungsgäste sind, haben wir das gesamte Cottage für uns. Wir betrachten Karten und Bildbände der Region und genießen das Ferienhaus-Ambiente. Morgen früh werden wir Lana, die Landlady, kennenlernen. Wir sind schon gespannt!

Tag 62: Langdon Beck nach Dufton

Heute macht der Pennine Way eine große Schleife nach Westen. Ursprünglich hatten wir überlegt, uns diesen Umweg zu ersparen und direkt nach Garrigill zu laufen, unserer Unterkunft für den Tag 64. Das wären dann heute nur 18 Kilometer nach Garrigill und wir hätten damit einen ganzen Tag und 27 Kilometer gespart. Aber dann hätten wir High Cup Nick nicht gesehen und wären nicht über den Cross Fell gestiegen, den höchsten Berg auf dem Pennine Way. Nein, der Umweg muss sein!

Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung haben wir uns ganz besonders auf High Cup Nick gefreut. In der Tat wird es Steffis Meinung nach der beste Tag der Tour!

Als wir morgens in unserem Bett im Langdon Beck Hotel aufwachen, reißen wir sofort die Vorhänge unseres Erker-Fensters auf – Der Nebel steht pittoresk zwischen Tal und Bergen, die Sonne kommt gerade heraus – Was für eine Aussicht!

Jedoch müssen wir zuerst frühstücken – High Cup Nick, wir kommen!

Die Wanderung durch das obere Teesdale erleichtern wir uns, indem wir eine Abkürzung vom Hotel zur Widdy Bank Farm nehmen. Wir denken, dass die Farm das Isolierteste ist, was man sich überhaupt denken kann – Aber wie wir heute sehen werden, geht es noch extremer!

Kürzlich las ich in einem Artikel, daß die Bewirtschaftung der Hochflächen in Großbritannien auch von der EU hoch subventioniert wird. Aber ist diese jahrhundertealte Form der Farmwirtschaft mit Schafzucht und Abbrennen der Hochflächen für die Moorhuhn-Jagd wirklich die richtige Art der Farmwirtschaft? Ähnliche Fragen stellen sich auch für Deutschland, aber hier ist selbst der Boden auf der Alb insgesamt noch wesentlich ertragreicher im Vergleich zu den kargen Flächen der Pennines.

Sollte man das gesamte Gebiet nicht einfach lieber versumpfen lassen und die Landwirtschaft effektiveren Landstrichen überlassen? Das sind Fragen über Fragen, aber wir fragen uns hier vor allem, warum Lammfleisch in Deutschland so teuer ist, wenn wir es diese Form der Landwirtschaft so subventionieren? Und warum kommt es größtenteils aus Neuseeland? Was soll dann diese VERDAMMTE EU, hä??? 🙂

Egal, wir leben im Hier und Jetzt. In diesem sind die Berghänge extrem grün, die Sonne lacht und der Weg ab Widdy Bank Farm wird sehr steinig. Bis zum Cauldron Snout Wasserfall geht es durch ein enges Tal immer am Fluss entlang. Teilweise ist der Weg eine echte Kletterpartie – Der Weg ist steinig bis sumpfig, aber solange man von Stein zu Stein hüpft, bleiben die Füße trocken!

Von Cauldron Snout, dem „Wasserfall“ vor dem Cow Green Reservoir haben wir wenig erwartet, aber wir finden ihn trotzdem sehr beeindruckend – offiziell ist Couldron Snout gar kein Wasserfall, weil die horizontale Wasserfläche größer ist als die vertikale – wir jedoch finden die „Stromschnellen“ imposanter als den High Force, vor allem, wenn man neben dem Fall nach oben klettern muss! Der Fluss führt heute auch ordentlich Wasser, nachdem es einige Tage lang immer wieder mal stark geregnet hat. Dies trägt bestimmt zu der beeindruckenden Wassermenge bei, die die Stromschnellen herunter donnert.

Die Passage neben dem Cauldon Snout ist für uns die schwierigste auf dem ganzen Pennine Way. Die Kletterei ist geradezu eine Unverschämtheit. Ist dies ein Wanderweg oder ein Klettersteig? Da die Sonne aber lacht und die Felssprünge, an denen wir uns hochziehen müssen, trocken sind, nehmen wir das alles mit Humor.

Oben angekommen schauen wir auf die Staumauer des Reservoirs. Von dem See selbst sehen wir nichts – dafür müssten wir noch weiter nach oben steigen.

Wir treffen hier oben auf eine Schotterstraße, die zu einem abgelegenen Gehöft führt – der Birkdale Farm. Diese wird mittlerweile nicht mehr bewirtschaftet – wenn sie das noch wäre, würden wir sie zu der abgelegensten Farm in England küren! 🙂

Die Farm ist aber mittlerweile ein Field Centre, aber heute ist dort keine Menschenseele zu sehen. Der Weg bis dahin und danach bis zum Maize Beck ist unverschämt breit und geschottert. Links vom Track sehen wir noch, durch welche unwirtliche, matschige Moorlandschaft sich der PW früher geschlagen hat. Wir sehen hier zwei Extreme – unser Weg ist eine fette Schneise aus Schotter, wirklich nicht die Art von Wegen, die wir gern mögen. Aber die tief erodierte Rinne aus dunklem und matschigen Torf, die den Original-Weg ausmacht, wollen wir nun auch nicht laufen. Immer wieder checken wir unsere OS-App, ob uns der Schotterweg wirklich in Richtung High Cup Nick führt … aber ja, die Richtung stimmt!

Am Maize Beck ist dann Schluss mit lustig: Auf unserer Karte sind zwei Varianten eingezeichnet. Eine nördlich vom Bach, eine südlich. Da uns der Weg über die Brücke aber begangener erscheint, entscheiden wir uns für die südliche Variante. Vermutlich ist dies die absolut richtige Entscheidung, denn wir können nach einiger Zeit keinen wirklichen Pfad auf der anderen Seite des Flusses erkennen.

Wir jedoch kommen auf gutem Weg bis zur Kante vom High Cup Nick und – Wow!! Wow! Dieses Tal ist wirklich tief! Schon auf Fotos war ich beeindruckt von der Rinne, aber wenn man wirklich oben an der Kante steht, dann ist das noch mal ganz was anderes! Wir beide sind uns einig, dass dieser Ausblick der beste auf dem Pennine Way ist, auf jeden Fall den Umweg wert!

Friedel schlottern jedoch schon die Knie, wenn er sich den Abstieg in das Eden Valley ansieht – er ist nicht schwindelfrei. Rechts vom Tal führt der Weg immer an der Kante lang, mit tiefen Abgründen links ins Tal. Am Ende ist es jedoch nicht so schlimm. Das Sims, auf dem der Weg verläuft, ist breit genug.

Unten angekommen, führt uns der Weg wieder durch grüne Wiesen voller Schafe, mit den typischen Mauern des Swale Dales. Nach der Kargheit des Moorlands genießen wir wie immer den Abstieg durch die grüne Landschaft, auch Bäume sind wieder anzutreffen. Wir bummeln am Ende unserer heutigen Etappe gemütlich nach Dufton, denn vor 17 Uhr brauchen wir in der Jugendherberge nicht anzukommen, sie schließt den Tag über und macht erst am frühen Abend wieder auf.

Ja, richtig gelesen – das erste Mal seit 30 Jahren übernachten wir wieder in einer JUGENDHERBERGE! Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ich in Dufton neben der Jugendherberge nur ein B&B gefunden habe, und das hatte superschlechte Kritiken. Da es in der Herberge auch ein Doppelzimmer mit eigenem Bad zu buchen gab und diese direkt gegenüber vom örtlichen Pub liegt, dachten wir uns, wir versuchen das mal mit den englischen Youth Hostels!

Resumee: Wir hatten schon bessere Unterkünfte, aber auch schlechtere. Unschlagbar ist hier das Preis-Leistungs-Verhältnis. Unser Zimmer liegt wirklich total abgeschieden vom Rest des Herbergsbetriebs in einem Seitenflügel, so dass wir des Nachts gar nichts von der Duke-of-Edinburgh-Mädchengruppe mitbekommen, die auch heute hier übernachtet. Unser Zimmer ist sehr einfach und total mückenverseucht, so dass wir erst mal auf Mückenjagd gehen müssen. Wie wir an den Wänden sehen, haben schon viel vor uns hier gewütet.

Da der local Pub heute kein Abendessen anbietet, müssen wir in der Jugendherberge essen. Wir haben die Wahl zwischen Spaghetti Bolognese und Fish and Chips – wir wählen letzteres. Das Essen ist wirklich okay ..

Was den Aufenthalt in der Jugendherberge wirklich zu einem besonderen Erlebnis macht ist Simon, der Herbergsvater. Er managt den gesamten Jugendherbergsbetrieb allein. Wir checken bei ihm ein, er bereitet das Essen zu, er bewirtschaftet den kleinen Kiosk … und immer ist er bemüht, uns besonders zuvorkommend zu behandeln. Damit wir unsere Ruhe haben, bekommen wir vor den giggelnden Mädchen unser Essen zuerst, an einem separaten Tisch. Beim Frühstück werden wir ebenso bevorzugt behandelt, obwohl er offensichtlich alle Hände voll zu tun hat. Dieser Mann ist wirklich multitaskingfähig!

Simon, wir sind echte Fans und verbeugen uns vor deiner täglichen Leistung!

Wir verbringen noch einen schönen Abend im gemütlichen Pub gegenüber und freuen uns auch über das zeitige Frühstück: Doch, wir würden wieder in einer Jugendherberge übernachten, wenn es denn nichts anderes gibt – und wir sparen dabei jede Menge Geld!

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