Glanz und Elend des Selketals

Auf dem Selketalstieg von Mägdesprung über Harzgerode und Alexisbad und zurück.
Gelaufen am 20. Oktober 2022, 23 Kilometer und vier Stempel

Landschaftlich war das heute eine tolle Tour!
An unserem Regen-Wandertag sind wir ja auch schon ein Stück an der Selke gewandert, aber das Flusstal bei Meisdorf hat uns da nicht so von den Puschen gehauen. Das Tal ist da schon sehr breit und der Wanderweg führt selten direkt am Fluss vorbei.

In Mägdesprung aber führt der Wanderweg aber direkt am Fluss entlang, durch eine enge Schlucht. Heute Morgen ist es mal wieder ziemlich kalt und wir ohrfeigen uns gegenseitig dafür, dass wir nicht am Mütze und Handschuhe gedacht haben. Da hilft nur Warmlaufen und die Hände tief in die Taschen zu schieben.

Friedel war heute Morgen besorgt, dass ich die 23 Kilometer mit 500 Höhenmetern heute nicht schaffen würde. Aber mein Knie hält sich heute wacker, auch wenn ich im späteren Verlauf des Tages bergab wieder ein wenig hinken muss. Im Vergleich zu gestern geht es meinen Gräten jedoch erstaunlich gut!
Vor Jahren habe ich mir beim Skifahren mal einen Kreuzbandriss zugezogen und nach Konsultation mit meinem schlauen Physiotherapeuten das Knie nicht operieren lassen. Ich müsse das Bein halt regelmäßig gut trainieren, so sein Rat. Oder den “Fuß”, wie man im Schwäbischen sagt. 🙂
Das beste Training für das Laufen ist das Laufen, aber das habe ich in letzter Zeit ein wenig vernachlässigt, seit ich das Radfahren wieder entdeckt habe. Also freut es mich, dass ich so langsam lauftechnisch wieder fit werde und werde mich bemühen, auch meine Lauffähigkeit in Zukunft besser zu erhalten.

Aber zurück zum Selketal – Uns gefallen hier die schmalen Wege, das abwechslungsreiche Auf-und-Ab, die vielen Felsen und dass wir hier heute Morgen ganz alleine sind. Im Nu haben wir die erste Stempelstelle am Vierten Friedrichshammer erreicht. Früher gab es hier eine alte Metallschmiede, heute befindet sich hier eine kleine Häuseransammlung und ein Gasthof mit Ferienzimmern, natürlich geschlossen. Unter der Woche können wir im Harz auch nichts anderes erwarten, das wissen wir mittlerweile.

Nicht der Gasthof, aber ein anderes, typisches Harzhaus

An der Selkemühle verlassen wir das Tal, um den Berg zur Ruine Anhalt zu erklimmen. Hier handelt es sich um die Stammburg der Anhaltiner? Anhalter?, die wir schon als Modell vor dem Schloss in Ballenstedt bewundert haben.

Der “unbequeme” Weg zur Burg, den wir statt des “bequemen” nehmen, führt zahm nach oben, ist aber gut begehbar, auch für Knielahme. Wir verlassen somit das enge Selketal und betreten das Reich der Sonne – oh welche Wohltat!

Von der ehemals prächtigen Burg ist nur noch wenig erhalten. Viele Schautafeln informieren jedoch über das ehemals prächtige Ausmaß der Burg, die mindestens so groß wie die Wartburg gewesen sein soll. “Anhalt” bedeutet ursprünglich “ohne Holz”, denn die Burg soll die erste Festung nördlich der Alpen gewesen sein, die komplett aus Ziegelsteinen erbaut wurde. Hier und da schauen ein paar Mauerreste aus dem Erdreich heraus und man braucht viel Phantasie (und das Modell vor dem Schloss im Ballenstedt vor dem inneren Auge), um sich Glanz und Gloria der ehemaligen Burg samt untergegangenem Dorf vorzustellen.

Die Eindrücke von der Burg führen dazu, dass Friedel und ich den gesamten weiteren Weg bis Harzgerode darüber diskutieren, was nach dem Untergang des Römischen Reiches war, was dazu geführt hat, warum Hochkulturen untergehen und vergessen werden und ob es nach der Energiekrise heute zu einem ähnlichen Einschnitt in der Geschichte der Menschheit kommen könnte. Welche Rolle dabei Moral und Religion gespielt haben und in der Zukunft … bla bla bla ..

Erst ein Café im Harzgerode stoppt unsere lebhafte Diskussion. Dort sind wir neben einem anderen Paar die einzigen Gäste. Statt weiter über die Zukunft der Menschheit zu diskutieren, bewundern wir die besonderen Exponate im Café, die die Gäste dort neben Kaffee und Kuchen käuflich erwerben können. Filzschuhe, Filztaschen, Filzblumen zum Anstecken …

Harzgerode ist übrigens ein recht hübsches, kleines Städtchen und besitzt neben einigen Geschäften, Restaurants und Cafés natürlich auch ein Schloss, wie jede ordentliche Kleinstadt im Ostharz.

Nach Harzgerode treffen wir wieder auf den Selketalsteig, der hier bis zurück nach Mägdesprung oberhalb des Selketals verläuft. Die letzten beiden Stempelstellen liegen hier, auf dem Zickzackweg zurück nach Mägdesprung. Wir wandern mittlerweile jackenlos, die Sonne wärmt und verführt dazu, immer wieder mal länger an einem der zahlreichen Aussichtspunkte zu verweilen.

Die “Verlobungsurne”, dritte Stempelstelle

Tief unter uns im Tal liegt der Ort Alexisbad mit seinem alles dominierenden Wellness-Hotel – einem Ausbund an Hässlichkeit. Wie kann man ein Tal nur so verschandeln!

Man betrachte das Kleinod an Jugendstil-Architektur im Vordergrund, nunmehr verlassen und verrammelt. Im Hintergrund dann der zweckmäßig-moderne Bau, natürlich viel bequemer und zeitgemäßer als der alte. Schauderhaft!

Ausgesprochen hübsch dagegen ist die vierte Stempelstelle, die wir nach einigen Schlenkern an der Kliffkante entlang erreichen. Die Köthener Hütte ist die mondänste Wanderhütte, die wir bisher im Harz für unsere Teepausen genutzt haben!

Kurz vor Mägdesprung geht es wieder auf einem steinigen Pfad hinunter ins Tal. Ich schaffe den steilen Abstieg, indem ich langsam gehe und Pinocchio-artige kleine Schritte mache – aber immerhin ohne Schmerzen.

Die Tafel erklärt die Herkunft des Namens “Mägdesprung”

Unten im Tal sind wir geschockt, was aus dem ehemaligen Bergwerksort geworden ist. Fast alle ehemaligen Hotels und historischen Gewerbehallen sind verrammelt und halb verfallen. Dieser Ort hat seine Glanzzeit schon lange überschritten!

Das schockt uns immer wieder, diese heruntergekommen ehemaligen Kur-und Erholungsorte im Harz, die es einfach nicht in die neue Zeit geschafft haben. Die gibt es auch in Niedersachsen, nicht nur hier in Sachsen-Anhalt. Wir finden das sehr schade, aber vielleicht liegt es daran, dass die meisten Touristen es nur bis zum Brocken schaffen und nicht bis hierher in den Ostharz. Das hat aber auch sein Gutes – So haben wir die Naturschönheiten abseits der Touristenorte oft ganz für uns allein!

Ankunft und Weiterflug 13:45 Uhr

Stempeltour im äußersten Ostharz
Gelaufen am 19. Oktober 2022, 23 Kilometer, vier Stempel

Im Gegensatz zu gestern ist es heute recht kühl. Aber immerhin regnet es nicht.
Den frühen Morgen verbringen wir damit, darüber zu diskutieren, ob wir die 23 Kilometer heute schaffen oder einen Stempel weniger erlaufen sollen. Irgendwie habe ich in den letzten Tagen Knieschmerzen entwickelt, die sich vor allem beim Bergabgehen bemerkbar machen. Wir beschließen, dass wir mal schauen, wie es so läuft und erst im Dorf Wieserode entscheiden, ob wir direkt nach Maisdorf zurückgehen oder den Schlenker zur Konradsburg noch machen.

Gut an der Tour heute ist, dass sie relativ wenige Höhenmeter aufweist, “nur” 377 Meter Anstieg und Abstieg. Gut für lädierte Knie. Jedoch stehen nicht gerade die Highlights des Harzes auf dem Programm: Ein Landschaftspark, eine Pausenbank unter einem bewaldeten Hügel, ein Wildgehege und eine halbverfallene Klosteranlage. Immerhin verspricht die Klosteranlage etwas Glamour auf dieser eher sehr ländlich orientierten Tour. Aber ob wir da hinkommen, das werden wir erst später sehen.

Trotzdem wird es eine sehr schöne Tour. Wir schlendern nämlich durch eine abwechslungsreiche und hügelige Landschaft, treffen auf hübsche, verschlafene Dörfer und auf sehr wenig Menschen.

Die erste Stempelstelle, der Degenershausener Landschaftspark, lässt uns darüber spekulieren, wie sich solch eine Anlage wohl finanziert. Wir wandern über ein weitläufiges Gelände mit exotischen und einheimischen Baumarten, einem Staudengarten und riesigen Rasenflächen. Das Gelände befindet sich aber äußerst abgelegen mitten im Wald und außer uns ist hier niemand unterwegs. Die Spendenbox am Eingang wird die vielen Gärtner, die zur Pflege der Anlage nötig sind, wohl kaum finanzieren, da sind wir uns einig.

Auf dem Weg zur zweiten Stempelstelle, dem Rastplatz am Klusberg, trainiere ich verschiedene Techniken, um das Kniepicken bei den Abstiegen zu verringern. Friedel rät mir zu verschieden Qi-Gong-Techniken, aber für mich bewährt sich der “Storchengang”, bei dem ich beim Abstieg die Knie bis auf Hüfthöhe hochziehe. Sieht bescheuert aus, hilft aber! 🙂

Die Picknickstelle mit Stempelkasten “Am Klusberg” liegt in einem entzückenden Tal, das mich (sorry Darina!:-)) mal wieder an Wales erinnert. Vielleicht liegt es an den Weißdornbüschen, an den grünen Hügeln oder am Licht, aber Friedel stimmt mir voll zu!

Die dritte Stempelstelle, das Wildgehege, finden wir spektakulär!
Nicht oft kann man Bisons in Deutschland betrachten, aber vor allem nicht in solch einem weitläufigen Gehege und trotzdem aus der Nähe.

Bestimmt über einhundert von den wilden Gesellen tummeln sich in der privat geführten Anlage. Netterweise kommen die zotteligen riesigen Biester sogar ziemlich dicht zu uns an den Zaun, um gemütlich an der Futterstelle zu mampfen. Ich sage nur: “Tatonka!”

Ach ja, fast hätten wir es vergessen- eine Stempelstelle gibt es hier auch!

Kurz vor dem Dorf Wieserode hören wir über uns plötzlich ein Gezeter und Gekreische. Wir entdecken die erste Abordnung einer Zugvogel-Armada, die sich scheinbar auf dem Weg nach Süden befindet. Wir vermuten. dass es sich um Wildgänse handelt. Auf jeden Fall machen sie einen Mordslärm.

Aber dies ist, wie gesagt, nur die erste Gruppe. Die Turmuhr der Fachwerk-Kirche in Wieserode schlägt mal eben Viertel vor zwei, da kommt eine Reisegruppe nach der anderen über dem Himmel über uns an. Den ganzen Nachmittag fliegt eine Gruppe nach der anderen vorbei, teilweise in Gruppen von über fünfzig Vögeln. Fasziniert beobachten wir, wie sich die Gruppen am Himmel neu orientieren, zu neuen Teams zusammenschließen und immer wieder andere Formationen bilden.

Eigentlich haben wir schon vor Wieserode beschlossen, dass ich es bis zum Kloster Konradsburg noch schaffe. Das Kniepicken kommt und geht, da machen die drei Kilometer mehr auch nichts mehr aus!

Auf dem zugegeben eher langweiligen Wegabschnitt zwischen den Dörfern Wieserode und Neuplatendorf kommt sogar ein wenig die Sonne raus. Da sieht die weite Felderlandschaft doch gleich viel besser aus!

Kloster Konradsburg sieht aus der Ferne imposanter aus als aus der Nähe. Die ehemals wohl sehr weitläufige Anlage ist bis auf wenige Restgebäude nicht mehr existent. Es steht noch die große Mauer, der hintere Teil der großen Klosterkirche und einige Nebengebäude, die als Wohnhäuser genutzt werden.

Wir freuen uns, dass wir mit dem Bisongehege und dem Kloster Konradsburg die östlichsten Stempel der Harzer Wandernadel erworben haben, und das an so einem wunderbaren Herbsttag. Interessanterweise hatten wir nicht das Gefühl, im Harz unterwegs zu sein. Aber eine nette Landpartie war das heute!

Ein Salamander kommt selten allein

Im Selketal bei Meisdorf: Gelaufen am 18. Oktober 2022, 18 Kilometer, 4 Stempel

So schön der Tag gestern auch war – umso schlechter ist das Wetter heute!

Schon morgens pladdert der Regen gegen das Schlafzimmerfenster unserer Hütte. Wir ziehen das Frühstück extra in die Länge, aber es hilft nichts. Wir müssen raus!

Wir betrachten den Dauerregen alsTest für unsere Regensachen. Schon länger hatten wir das Gefühl, dass unsere Ultralight-Jacken und Hosen nicht mehr dicht sind. Leicht bedeutet halt auch filigran!

Schon an der ersten Stempelstelle, dem Mausoleum von der Asseburg, haben wir das Gefühl, dass wir beginnen durchzuweichen. Gleiches gilt auch für die Stempelhefte. Wenn es so stark regnet, ist es superschwierig, die Stempelhefte mit nassen Fingern aus dem Etui zu fummeln, schnell in den Stempelkasten zu befördern und keine Tropfen vom Ärmel auf die Stempel laufen zu lassen. Die sind nämlich wasserlöslich!

Zur Burg Falkenstein kommt man aus dem Selketal nur, wenn man einen Kilometer den superpatschigen Eselspfad hochsteigt, und wieder zurück. Bei trockenem Wetter mag der Weg gut begehbar sein, aber heute, mit den vielen aufgeweichten Blättern, ist er einfach nur glitschig!

Auf der Burg beschließen wir, dass wir, wenn wir wieder unten im Selketal sind und es weiter so stark regnet, zurück in unser Ferienhaus gehen. Machen wir natürlich nicht!
Wir verändern unsere Marschroute aber so, dass wir vier Kilometer abkürzen, aber trotzdem unsere vier Stempel für heute einsammeln.

An der dritten Stempelstelle, der Schutzhütte am Mettenberg, haben wir die Chance auf eine halbwegs trockene Mittagspause. Wir sind mittlerweile bis auf die Unterhosen nass, aber immerhin bleiben unsere Brote so trocken!

Gegen zwölf Uhr haben wir den Eindruck, dass es langsam weniger regnet und tatsächlich hört es kurz darauf auf zu pladdern. Wir gehen ein Stück auf dem Selketal-Stieg zurück und nehmen eine Abkürzung den Berg hoch, die wir am Morgen auf der Karte entdeckt haben. Der sogenannte “Steile Stieg” ist weniger steil als vermutet und verläuft durch ein entzückendes Bachtal voller Feuersalamander!

Bei zehn hören wir auf zu zählen. So viele Feuersalamander auf einmal haben wir noch nie gesehen!

Der Weg nach oben ist wichtig, damit wir oben den für heute vierten und letzten Stempel mitnehmen können. Auch hier, zum “Selketal-Blick”, müssen wir circa einen Kilometer vom Hauptweg abgehen und später die gleiche Strecke wieder zurück. Sowas mögen wir eigentlich gar nicht, denn unser Motto lautet eigentlich “Vorwärts immer, rückwärts nimmer.” Aber heute müssen wir das gleich dreimal aushalten!

Der Aussichtspunkt, so erfahren wir, wurde zur schönsten Stempelstelle im Harz 2021 gewählt. Die Juroren müssen auch bei so einem Schietwette hier oben gewesen sein – die Aussicht auf das nebelverhangene Selketal ist nämlich phänomenal.

Auf direktestem Wege begeben wir uns danach zurück in unser Häusle. Nichts wie raus aus dem nassen Klamotten und die Rucksäcke ausgepackt. Wir schaffen es, innerhalb kürzester Zeit die komplette Hütte mit feuchten Karten, nassen Klamotten und tropfenden Rucksäcken zu verschandeln. Wenn das unsere pingeligen Vermieter wüssten!

Ein bisschen dezenter Nieselregen ist ja okay, aber drei Stunden Fußmarsch im Pladderregen – das brauchen wir nicht täglich!

Auf Stempeltour im Ostharz: Rund um Ballenstedt

Gelaufen am 17. Oktober 2022: 21 Kilometer, 5 Stempel

Blick von der Hubertushöhe auf den Kleinen Siebersteinteich

Vor zwei Tagen noch waren wir mit dem Rad in Ostwestfalen unterwegs. Tatsächlich sind wir am Freitag glücklich bei meinen Eltern angekommen. Das Wetter war nur mittelprächtig, die Gegend superflach, wir sind schnell wie der Blitz gefahren und haben kaum Fotos gemacht – denn Mutterns Kürbissuppe duftete schon von Weitem!

Wir haben aber zwei Wochen Urlaub. In der zweiten Urlaubswoche ist Wandern angesagt und wir haben uns dieses Mal den äußersten Osten des Harzes vorgenommen. Unser Auto parken wir an der Feuerwehr in Opperode und sind schon nach fünfzehn Minuten an der ersten Stempelstelle, dem Bismarckturm.

Blick vom Turm auf Oppenrode

Heute ist es warm und ziemlich windig und die Blätter fliegen uns nur so um die Ohren. Es sind aber noch genug an den Bäumen, um uns heute eine farbenprächtige Tour zu bescheren. Der Herbst ist echt die schönste Wanderzeit, finden wir!

Über weite Wiesen und über Massen an Eicheln und Bucheckern erwandern wir die zweite Stempelstelle, “Am Kohlenschacht”. Von dem alten Bauwerk ist nichts mehr zu sehen, aber an der Stempelstelle steht eine hübsche Hütte.

Um zur dritten Stempelstelle, dem “Schirm” zu kommen, habe ich uns mal wieder eine tolle Wegführung über schmale, verwunschene Pfade kreiert. Aber wie so häufig landen wir komplett im Dickicht. Laut unserer Wanderapp sind wir aber absolut auf der richtigen Route!

Zum Glück landen wir irgendwann wieder auf einem richtigen Weg, allerdings warten hier andere Gefahren auf uns!

Irgendwie sind wir beide aus der Wanderform, merken wir heute. Vielleicht sind wir zu viel Rad gefahren statt zu wandern oder haben zu lange im Homeoffice gesessen, aber uns tun heute die Füße (Steffi) und der Rücken (Friedel) weh. Zum Glück ist der Weg heute nur mäßig steil und steinig und wir kommen gut voran.

Die dritte Stempelstelle, der “Schirm”

Viel interessanter als die Stempelstelle “Schirm” finden wir ein altes Gedenkkreuz, das wir wenig später am Wegrand finden. Zu diesem gehört die Sage des “Armen Heinrich”, eines bei Kindern und Erwachsenen beliebten Vagabunden des Mittelalters, der an dieser Stelle gestorben sein soll und in dessen Taschen man siebenhundert eingenähte Taler fand. Vermutlich ist es aber nur eins der alten Büßerkreuze, die man noch überall in Deutschland finden kann. Wir meinen, dass der “Arme Heinrich” eigentlich auch eine Stempelstelle verdient hätte!

Jedenfalls mehr als die Stempelstelle “Grauwacke”, der Blick in einen noch immer aktiven riesigen Steinbruch. Der Weg dahin ist leider weit, denn die Stempelstelle ist ziemlich abgelegen.

Immerhin gibt es vor und nach dem Steinbruch ein paar hübsche Teiche. An einem der beiden legen wir unsere Mittagspause ein. Dabei müssen wir alle Tüten gut festhalten, denn der Wind weht ganz ordentlich!

Nach dem Kleinen Siebensteinteich geht es über wacklige Stufen und Serpentinen noch mal steil hoch in Richtung Schloss Ballenstedt. Von oben haben wir einen wunderschönen Blick zurück auf den Teich.

Die letzte Stempelstelle des heutigen Tages gibt nicht viel her. Der Kasten am Arboretum im Schlosspark ist recht unspektakulär, aber der Schlosspark herrlich verwildert.

Schloss Ballenstedt ist riesig. Wir haben uns schon mehrmals darüber gewundert, dass jede Kleinstadt am nördlichen Harzrand ihr eigenes Schloss hat. Dieses ist aber besonders groß und prächtig und, wie wir erfahren, das Stammschloss der Anhaltiner.

Wie so häufig ist das Schloss im Verlauf der Geschichte viele Male umgestaltet und verändert worden. Wir freuen uns über ein großes Modell der “Urburg” des Hauses Anhalt, das am Parkplatz vor dem Schloss zu sehen ist.

Wie immer sind alle Cafés in Schlossnähe geschlossen, wie sollte es auch an einem Montag anders sein. Kaffeelos schleppen wir uns die letzten drei Kilometer am Ortsrand entlang bis zum Auto. Auch hier gibt es keine Aussicht auf Erfrischung, auch wenn unsere Route auf dem Radwanderweg R1, dem Selketalstieg und dem Fernwanderweg E11 verläuft!

Zum Glück ist es nicht mehr weit bis zu unserer Ferienhütte in Meisdorf, die wir uns für vier Nächte gebucht haben. Wir sind entzückt, denn die Hütte ist wirklich hübsch eingerichtet und der Kaffee ist schnell aufgesetzt.

Hier werden wir es ein paar Tage aushalten!

R1: Von Nieheim über Detmold nach Stukenbrock

Am Donoper Teich bei Detmold

13. Oktober 2022: 55 Kilometer

Heute Morgen ist der Himmel ausnahmsweise mal bedeckt, aber es sind immerhin zehn Grad. Um diese Jahreszeit ist ein blauer Himmel leider oft mit tiefen Temperaturen am Morgen verbunden. Es stört uns also nicht, dass der Start in den Tag heute mal nicht ganz so strahlend ist!

Die Abfahrt von unserem Höhenhotel ist somit verträglich.

Was das Besondere an der heutigen Etappe bis Detmold ist – Wir fahren fast ausschließlich über kleine Teerstraße oder Waldwege, abseits vom Autoverkehr. Das gefällt uns natürlich sehr!

Gerade als wir uns darüber austauschen, dass es so langsam ins langweilig-flache NRW geht, treffen wir auf das hübsche Wasserschloss Vinsebeck: Perfekt mit weißen Türmchen und Wassergraben.

Unweit des Schlosses treffen wir auf den dicksten Baum, den wir in unserer Wanderkarriere bisher gesehen haben. Die alte Eiche ist seeehr beeindruckend und noch super in Schuss!

Nächstes Nahziel sind die Externsteine. Die stehen allerdings im Teutoburger Wald, der ein Höhenzug ist und folglich in bergigem Gelände. Soll heißen – es geht bergauf!

Allerdings wird der Aufstieg dadurch versüßt, dass es durch wunderschönen bunten Herbstwald geht.

Die Externsteine sind heute, unter der Woche, glücklicherweise nicht so sehr überlaufen. Friedel und ich tauschen uns darüber aus, wann wir das letzte Mal hier waren. Ich bin als Studentin mal den Herrmannsweg von Bielefeld nach Detmold gelaufen. Friedel wurde als Kind von seinem Vater hierher gescheucht. Lang ist‘s her und was uns früher mal gigantisch erschien, beeindruckt uns heute allenfalls ein wenig.

Interessant sind aber die Infotafeln, die beleuchten, wie mystisch aufgeladen der Ort ist: Eventuell bereits prähistorischer Kultort, mittelalterlicher Wallfahrtsort und dann von den Nazis als urgermanischer Versammlungsort deklariert. Wallhallakitsch pur!

Der R1 führt eigentlich elegant an Detmold vorbei. Wir aber wollen die schöne Beamtenstadt nicht verpassen. Zwischen Schule und Studium habe ich hier zwei Jahre in einem Backpacker-Laden gejobbt und war seitdem nicht mehr hier. Den Laden gibt es aber immer noch! Friedel hat viele Jahre in der Paderborner Umgebung gelebt und ebenfalls vage Erinnerungen an Detmold und andere Orte in dieser Region.

Uns überrascht, wie viele Menschen in der Fußgängerzone unterwegs sind und wie viele nette Cafés und Restaurants es hier gibt. Die ganze Stadt macht einen sehr wohlhabenden Eindruck, ähnlich wie einige Städte im Stuttgarter Speckgürtel, die wir so kennen. Nach dazu sind das Schloss, der Wallgraben und die vielen historischen Gebäude im Ort sehr sehenswert. Allein für unsere Mittagspause in einem Café im Schlosspark hat sich den Umweg schon gelohnt.

Das Schloss in der Detmolder Innenstadt
Landestheater

Leider führt der Weg aus Detmold an einer fiesen Straße entlang, und dazu auch noch arg bergauf. Erst nach vielen Kilometern sind wir wieder auf unseren geliebten Abseits-Wegen, die uns an der Senne (einem ehemaligen riesigen Truppenübungsplatz) zu unserem heutigen Ziel bringen, nach Stukenbrock. Unangenehm, dass unsere letzten zehn Kilometer zwar konsequent bergab gehen, aber leider an einer extrem dicht befahrenden Bundesstraße entlang. Bielefeld und Paderborn sind nahe, zwei Industriestandorte in Ostwestfalen, deren Einwohnerzahlen und Infrastruktur ihren Preis fordern. Hässlich und laut – entbehrlich!

Immerhin ist unsere Pension in Stukenbrock sehr nett und es gibt einige Auswahlmöglichkeiten, was unser Abendessen betrifft. Ansonsten muss man diesen Ort nicht gesehen haben. Es sei denn, man möchte ins Safariland!

Den Weg zum Abendessen legen wir im Regen zurück – Fast hätten wir vergessen, wie das ist! 🙂

Europa-Radweg R1: Von Dassel nach Nieheim

12. Oktober 2022: 65 Klometer

Mann, ist das kalt!
Als wir heute Morgen um 8:00 Uhr in Dassel losfahren, sind es nur zwei Grad. Überall liegt Rauhreif, die Nebel wallen … und die Finger verursachen unendliche Quallen!

Die lächerlichen Fahrrad-Fingerhandschuhe vom Aldi – komplett entbehrlich! Eigentlich wäre hier die Schottland-Ausrüstung angesagt. Das nächste Mal machen wir es besser!

Wir weichen heute gleich am Morgen vom R1 ab und umfahren den Solling nicht. Der R1 macht nämlich einen großen Bogen über Holzminden am Solling vorbei. Wir aber queren ihn durch das Hellental – wobei es nur am Anfang ein Tal ist. Später geht es über den Berg und dann ab Silberborn wieder abwärts zur Weser.

Wir wissen nicht, wie sehenswert Holzminden gewesen wäre. Aber das Hellental ist auf jeden Fall phänomenal schön, vor allem bei DEN Herbstfarben und DEN Nebeln. Wir teilen uns den Weg mit dem Weserberglandweg, der ja einer der besonders schönen Wanderwege in Deutschland sein soll. Was dieses kleine Stück angeht, können wir das nur bestätigen – und unsere bisherige Erfahrung, dass Wanderwege die viel schöneren Radwege sind!

Kurz vor Silberborn kommen wir noch an einem schönen Hochmoor vorbei. Tolle Passage, auch wenn der Holzbohlenweg eigentlich für Radler verboten ist, Heute Morgen sind wir hier aber ganz allein!

Die Abfahrt von Silberborn zur Weser ist auf jeden Fall klapperkalt! Gefühlte zehn Kilometer sausen wir durch den Wald bergab und sind froh und glücklich, dass es in Lüchtringen einen Supermarkt mit Bäckerei gibt, wo wir uns die Hände an einem Kaffee aufwärmen können.

Hier überqueren wir auch die Weser und landen somit in NRW. Heimatgefühle kommen hier aber noch keine auf.

Unterhalb einer schattigen Ahorn-Allee schlottern wir weiter zum Kloster Corvey bei Höxter, einem meiner Sehnsuchtsorte. Immer, wenn ich mit Friedel von Seesen auf dem Weg zu meinen Eltern die Weser überquert habe, habe ich gesagt: „Nach Corvey möchte ich auch mal!“

Aber nun finden wir die weitläufige Klosteranlage eher enttäuschend. Das ist kein Kloster, das ist ein Schloss, finden wir, und touristisch überorganisiert und abweisend. Schon wieder sind weite Teile der Ablage mit Baugerüsten verschandelt und die weltberühmte Bibliothek wollen wir mit Rucksack auf dem Rücken eh nicht besichtigen – UNESCO-Weltkulturerbe hin oder her. Wir fahren jetzt nach Höxter!

Auch dort – Die Katastrophe: Der ganze Ort ist eine einzige Baustelle. Zwar können wir mit dem Rad noch entlang der historischen Stadtmauer cruisen, aber die Altstadt ist komplett abgesperrt und mit superengen Baustellenwegen versehen – da sind sogar unsere Lenker breiter!

Höxter scheint aber sonst ein tolle Ort zu sein. Es gibt jede Menge Geschäfte und Restaurants, auch der originelleren Art. Der historische Stadtkern ist prächtig – auch wenn man es vor lauter Baustellen kaum sehen kann.

Der Radweg von Höxter nach Marienmünster verläuft zwar permanent parallel zu einer vielbefahrenen Landstraße, ist aber perfekt von dieser abgeschirmt. Wir radeln unter Eichen und Buchen auf und ab und unter unseren Reifen knacken die Eicheln und Bucheckern. Das mögen wir!

Das Kloster Marienmüster sieht aus, wie es sich für ein Kloster gehört. Die Anlage mit diversen halbverfallenen Gemäuern ist von einer Mauer umschlossen und trotzdem frei zugänglich. Es gibt einen Barockgarten, einen Klosterkrug, einen alten Friedhof .. perfekt!

Der Homerun nach Nieheim führt über einsame Apfelbaum-Alleen bergab. Unter den Bäumen liegen Millionen vernachlässigter Äpfel, die keiner mehr erntet und die vor sich hingammeln, einzig beachtet von Wespen und unseren Profilreifen.

Nieheim wirkt lebhaft, zumindest gibt es hier noch einige Geschäfte. Unser Hotel liegt hoch am Berg, sodass wir am Ende noch mal ordentlich bergauf fahren müssen, Am Ende schieben wir, schließlich wollen wir nicht vollkommen verschwitzt dort ankommen.

Uns erwartet ein Restaurant mit tollem Weitblick und großzügigen Zimmern. Befremdlich sind jedoch die schwäbische Speisekarte (Kässpätzle, hier „Käsespätzle“) und die Servicedamen im bayrischen Dirndl. Aber das Essen ist gut!!

Fazit: Wegen unseres Schlenkers durch den Solling und der langen Pause in Höxter waren die 65 Kilometer heute angenehm. Ein paar Kilometerchen mehr gingen noch, aber viel mehr wären unbequem – It‘s all about terrain!!

Social media meets reality extended

Am Freitag und Samstag fand das zweite phänomenale niedersächsische Bloggertreffen statt. Teilnehmende: Drei!

Und da ich das Treffen nicht besser als Darina von „Adventure in Pink“ beschreiben kann, reblogge ich Ihren Text mal – zum ersten Mal mache ich das!

Vielen Dank für das tolle Wochenende, Darina – und mögen weitere Folgen! 👍😄

Social media meets reality extended

Wildes Niedersachsen: Auf dem Hildesheim-Harz-Weg von Seesen nach Derneburg

Gefahren/gelaufen am 17. September 2022
Seesen-Derneburg 38 Kilometer

Schon mal vom Hildesheim-Harz-Weg gehört?
Nein, wir bisher auch nicht. Der Weg beginnt in Hahausen am nördlichen Harzrand, einem Nachbarort von Seesen. Entdeckt haben wir den Hildesheim-Harz-Weg (HHW) erst auf unserer “Outdooractive”-Karte und siehe da – Genialerweise können wir die Tour direkt vor unserer Haustür beginnen. Und nach Hildesheim mit seinem weltberühmten Dom wollten wir auch unbedingt mal. Die knapp 58 Kilometer lange Wanderung steht deshalb schon lange auf unserer Liste, ließe sie sich doch bequem an einem Wochenende erwandern.

Eine Übernachtung auf halber Strecke müsste da aber schon sein, hatten wir bisher gedacht, denn 58 Kilometer an einem Tag, das schaffen wir zu Fuß nicht. Deshalb wanderte der Weg auf unserer Liste immer weiter nach unten – Unterkünfte auf dem Weg gibt es nämlich in der wenig besiedelten Gegend nicht und illegal im Wald schlafen wollten wir auch nicht. Also haben wir unsere Wanderpläne zum Hildesheim-Harz-Weg immer wieder verschoben.

Aber jetzt haben wir ja die Fahrräder! Warum radeln wir die Strecke also nicht? Die 58 Kilometer schaffen wir doch locker an einem Tag!

Während unserer kurzen Radlerkarriere haben wir festgestellt, dass wir am liebsten naturbelassene Wege radeln. Mit den typischen Radfernwegen können wir eher wenig anfangen, denn die führen fast immer über Asphalt, durch Orte und oft an breiteren Straßen entlang. Da haben wir nicht das Gefühl, wirklich in der Natur unterwegs zu sein.

Zum Glück sind wir auf den schmalen Naturwegen hier noch nie mit Wanderern in den Clinch geraten. Im Nördlichen Harz ist kaum jemand unterwegs und selbst auf dem Zertifizierten “Karstwanderweg” am südlichen Harzrand haben wir kaum eine Menschenseele getroffen. Wenn doch, sind wir brav abgestiegen und haben die Räder an den Wanderern vorbei geschoben. Wir können uns noch gut erinnern, wie oft wir uns früher über rücksichtslose Radler geärgert haben – Solche Waldrüpel wollen wir nicht sein!

Seit einer Woche steht nun unser Plan, heute am Samstag nach Hildesheim zu fahren. Jedoch ist es in den letzten Tagen empfindlich kalt geworden und für heute ist immer wieder mal Regen angesagt. Egal – wir haben unsere regendichten Wanderjacken und -hosen, die werden wohl auch auf dem Fahrrad funktionieren!

Beim Frühstück in unserer Gartenlaube prasselt der Regen auf das Überdach und es sind gerade mal neun Grad. Ein wenig mulmig ist uns da schon und wir erwägen kurz, die Radtour zu verschieben. Jedoch wollen wir im Oktober eine mehrtägige Radwanderung unternehmen und da wird das Wetter vermutlich noch schmuddeliger sein. Also wollen wir heute das Schlechtwetter-Fahren üben!

Kurz hinter Hahausen kommt dann sogar die Sonne raus. Bis Derneburg haben wir Glück – Sämtliche Regenschauer werden an uns vorbeiziehen.

Die ersten sieben Kilometer Richtung Hahausen radeln wir an der Landstraße entlang. Direkt hinter dem Ort geht es dann mittelsteil eine lange Strecke den Berg hoch. Wir sind stolz, dass wir es mittlerweile schaffen, solche Hügel zu erklimmen, ohne vom Rad steigen zu müssen. Das hätten wir früher nicht gedacht, dass uns das Radfahren mit Steigung auch noch Spaß machen würde!

Die lange Strecke durch den Wald ist eine echte Attraktion. Der Boden im lichten Wald steht voller Farn, der sich an den Spitzen schon rot und gelb färbt. Von den Bäumen tropft es und der Wald duftet frisch nach Nadelbäumen. Keine Menschenseele außer uns ist hier unterwegs und im sonst absolut stillen Wald krächzen über uns die Raben.

Auf die Bodensteiner Klippen – nach Kilometer 18 – waren wir schon gespannt. Bis jetzt konnten wir nämlich bequem fahren und mussten kein einziges Mal vom Rad steigen. Auf unserer Karte haben wir aber schon gesehen, dass der Hildesheim-Harz-Weg auf den nächsten Kilometern in Zickzacklinien den Hang hoch führt. Das verheißt eine schwierige Wegführung, bei der wir die Räder bestimmt schieben müssen. Und hier beginnt unser heutiges Abenteuer.

Die vielen Sandsteinklippen im Wald sind wirklich beeindruckend und der Wanderweg versucht, möglichst viele davon mitzunehmen. Der Weg ist dabei jedoch haarsträubend schmal und führt an fiesen Kanten und über steile Stufen kreuz und quer und hoch und runter. An vielen Stellen müssen wir unsere Räder tragen und ständig bleiben wir mit den Pedalen an Felsnasen oder Dornen hängen. Noch dazu ist der Weg schlecht markiert und wir landen ziellos in irgendwelchen Dornengebüschen oder an Abhängen. Für die zwei Kilometer bis zum höchsten Punkt, der Sofaklippe, brauchen wir fast zwei Stunden, auch weil wir natürlich ausgiebig staunen und fotografieren.

Die Felsen aus Sandstein erinnern uns an das Elbsandsteingebirge. Aber im Gegensatz zu dem touristisch überlaufenen Wandergebiet in Sachsen sind wir hier im niedersächsischen Hainberg ganz allein!

Oben auf der Sofaklippe habe zumindest ich Arme wie Gummi und wir haben uns unser Zweitfrühstück auf dem in den Stein gehauenen Sofa redlich verdient!

Von der Klippe wieder abzusteigen wäre auch ohne Fahrrad schon nicht einfach. Aber mit den Fahrrad an der Seite wird der Abstieg geradezu halsbrecherisch und wir wundern uns, dass unsere Knie das mitmachen und auch die Fahrräder heil bleiben.
Mit den Klippen hinter uns können wir auch wieder ein Stück auf den Fahrrädern verbringen, denn nun führt uns der HHW auf wurzeligen, aber befahrbaren Waldwegen nach unten, Richtung Hubertuskapelle.

An der Kapelle hören wir von Weitem lautes Gekreische. Wir staunen nicht schlecht, als vor uns eine wilde Horde Kinder in voller Feuerwehrmontur auf den Weg springt. Scheinbar übt hier die örtliche Jugendfeuerwehr ihren Einsatz. Ab hier werden wir immer wieder mal auf einzelne Fußgänger oder Radfahrer treffen – Schließlich ist Samstagnachmittag.

Eine Kapelle entdecken wir nicht, aber ein weites Arreal mit verschiedenen Veranstaltungsgebäuden. Früher gab es hier scheinbar mal eine Ausflugsgaststätte (Jägerhaus), aber heute sind alle Türen des schlossartigen Ensembles verschlossen.

Wir wollen nicht lange nach Kapelle und Grotte suchen, denn wir sind noch nicht weit gekommen und haben noch rund 35 Kilometer Fahrstrecke vor uns.

Kurz hinter der Hubertuskapelle/Jägerhaus teilt sich der HHW in zwei alternative Abschnitte. Beide führen über die A7, aber die südliche Variante erschien mir im Vorfeld auf der Karte attraktiver. Wie sich herausstellt, ist diese Wegvariante jedoch krass zugewachsen.

Auf den knapp fünf Kilometern nach Wohldenberg schlagen wir uns durch Brombeergebüsch und Brennnesseln, hieven unsere Fahrräder über vermoderte Baumstämme und kratzen mit unseren Helmen an tiefhängenden Ästen. Noch dazu ist ein starker Wind aufgekommen und über uns ächzen die Bäume und quietschen die Äste. Mit den sperrigen Rädern sind wir der norddeutschen Wildnis hilflos ausgeliefert. Wir brauchen ewig, um uns durch das Gebüsch zu schlagen!

In dem Chaos von Wind, Dornen und Gestrüpp verlieren wir irre viel Zeit. Friedel vergisst hier sogar das Fotografieren. Vor Sottrum kommen wir endlich aus dem Wald heraus und können ein paar Kilometer über Teer rollen. Doch erscheint es uns zu gefährlich, bei dem Wind noch weiter im Wald unterwegs zu sein. Auch drohen aus der Ferne schon die dicken Regenwolken. Wir beschließen hier und jetzt, in Derneburg unsere Tour zu beenden und mit dem Zug zurückzufahren. Hildesheim besichtigen wir dann halt ein anderes Mal!

Sottrum – endlich wieder übersichtliches Terrain!

Derneburg hat Schloss und Landschaftspark und wäre das Ganze nicht von einer großen Mauer umgeben und wäre der Himmel nicht so regenverhangen, hätten wir uns die Anlage gern angesehen. Im Schloss befindet sich eine große Kunstausstellung, so erfahren wir, aber für einen Museumsbesuch haben wir heute keine Zeit mehr. So werfen wir nur einen kurzen Blick auf das eher modern anmutende Schloss und suchen lieber nach dem Café, dass sich in einem der Nebengebäude befinden soll.

Ein Teil von Schloss Derneburg ..
… und ein der viel hübscheren Nebengebäude!

Im Café im Glashaus findet heute aber eine Hochzeit statt. An uns vorbei stöckeln elfenhafte Damen in cremefarbenem Plissee, viel zu luftig angezogen für den heutigen Tag. Wir aber, in unseren schlammbespritzten Radlerklamotten, trauen uns nicht, uns unter die Festtagsgesellschaft zu mischen.

Stattdessen checken die Feiglinge mal kurz ihre Bahn-App, wann denn der nächste Zug Richtung Heimat fährt. Wow! Vier Minuten bis zur Abfahrt am Bahnhof Derneburg! Das schaffen wir noch!

Wir schwingen uns in die Sättel, zum Glück geht es bergab. Am Bahnübergang leuchtet es bereits rot, die Warnhupe tönt. Wir flitschen unter der rotweißen Schranke durch – die ist schon halb unten. Noch dreihundert Meter bis zum Bahnhof, der Zug ist gerade eingefahren. Kurz vor der piepsenden Tür springen wir von den Rädern, Friedel wedelt mit den Armen, damit die Tür sich nicht schließt. Der Zugführer hängt aus dem Fenster raus und schüttelt missbilligend den Kopf. Aber egal – Wir haben es geschafft!

In der Bahn parken wir unsere Räder illegalerweise vor der Bahntoilette. Schnell buchen wir die Bahntickets auf unseren Handys, denn schwarz fahren wollen wir nicht auch noch. Ein Bahnticket von Derneburg über Goslar nach Seesen, noch dazu Niedersachsen-Fahrradkarte – da kommt Stress auf!

Fünf Minuten nach Abfahrt sind wir wieder entspannt genug, um der automatischen Durchsage aus den Lautsprechern zu lauschen. “Nächste Station Hildesheim Ost” – Ja, toll, wir sind in der falschen Richtung unterwegs!
Und erst beim Aussteigen fällt uns auf, dass die Leute vor der Tür auf dem Bahnsteig alle Masken aufhaben. ABER WIR NICHT! In der Hektik des Einstiegs war uns vollkommen entfallen, unsere Masken aufzusetzen!

In Hildesheim-Ost haben wir noch Zeit, bei Edeka Kaffee und Käse-Schinken-Brötchen zu vernaschen. Noch Zeit, uns beim Warten auf dem Bahnsteig noch gründlich nass regnen zu lassen. Dem Regen, dem wir entkommen wollten, sind wir geschwind entgegen gefahren. Schön blöd!

Und da der Zug schon bei der Abfahrt viel zu spät ist, steigen wir nicht wir geplant in Goslar um, sondern am Umsteigebahnhof Salzgitter-Ringelheim. Da wir die Räder dabei haben, können wir in der Zeit bis zum nächsten Zug noch den ganzen Ort inklusive vergammeltem Schloss besichtigen.

Zum Hildesheimer Dom fahren wir dann ein anderes Mal – hoffentlich dann nicht mit dem Zug, sondern mit dem Fahrrad! 🙂

Auf die Räder!

Da schwingen wir uns auf unsere alten Tage noch mal auf die Räder!

Damals an und auf der Alb haben wir unsere alten Drahtesel im Keller verstauben lassen. Viel zu eng und steil waren die schmalen Albwege und viel zu viele Wanderer sind dort unterwegs. Als eingeschworene Fußgänger haben wir uns oft aufgeregt über die fiesen Downhill-Biker, die uns auf den Albpfaden vom Weg gescheucht haben. Fußgänger und Radfahrer prügelten sich um den Platz auf den Wegen. Gehasst haben wir es, gehasst!

Hier im Nördlichen Harz jedoch treffen wir auf unseren abendlichen Touren kaum eine Menschenseele. Und zu Fuß würden wir es kaum schaffen, am Abend noch bis zur Kalten Birke und zurück zu kommen. Mit den Rädern aber haben wir unseren Aktions-Radius extrem erweitert!

Schnell haben wir aber festgestellt, dass unseren alten Tourenräder für die holprigen Harzwege recht wenig geeignet sind. Deshalb haben wir uns auch noch Mountainbikes gekauft – Wir, ja wir, die ehemals eingeschworenen Fußgänger!

Wenn es arg zu steil bergauf geht, schieben wir. So sind unsere Radtouren oft eine Mischung aus Radeln und Wandern mit Rad an der Seite.

Radwandern halt! 🙂

Wundert euch also nicht, wenn wir demnächst auch mal von unseren Radtouren berichten. So sind wir zum Beispiel mittlerweile fast den gesamten “Karstwanderweg” abgefahren. Wir werden berichten!

Und hoffentlich bleibt ihr uns gewogen, auch wenn wir nicht mehr ausschließlich zu Fuß unterwegs sind! 🙂

Blankenburg… ist teuflisch!

An der Teufelsmauer am Hamburger Wappen

Von Timmenrode über die Teufelsmauer nach Blankenburg bis zur Ebertbrücke und wieder zurück, gelaufen am 4. August 2022: 17 Kilometer und 5 Stempel

Teufel auch!
Während unseres Kurzurlaubs in Thale habe ich fleißig jeden Abend geschrieben. Aber der letzte unserer vier Wandertage war natürlich auch Abreisetag. Als wir nach Hause kamen, mussten wir noch schnell zum Bäcker huschen, die Taschen auspacken, die Waschmaschine anschmeißen, die Post durchsehen, meine Mutter anrufen, den Garten wässern …

Ehe ich mich’s versah, war es schon dunkel und ich hatte noch keine Zeile geschrieben. Kein Problem, dann mache ich das halt morgen! Und dann übermorgen, und dann beginnt die Arbeitswoche wieder …

Dabei sind unsere Erlebnisse an diesem letzten Wandertag unseres Thale-Urlaubs besonders erzählenswert. Zum einen, weil die Kletterei über die Teufelsmauer wirklich etwas Besonderes war. Zum anderen, weil wir heute unseren einhundertsten Stempel gesammelt haben!

Wir parken unseren kleinen schwarzen Teufel am Sportplatz in Timmenrode und als wir aussteigen, herrschen schon höllische Temperaturen. Dieser Sommer wird uns als einer der wärmsten unserer Wanderkarriere in Erinnerung bleiben. Schon auf unserer DDLN-Tour von Braunschweig zur Elbe im Mai war es einfach nur heiß. Aber hier in unserer neuen Heimat gibt es so viel Neues zu entdecken, dass wir trotz hoher Temperaturen fast jedes Wochenende im Harz wandern waren. Soooo viele Touren haben wir unternommen – ich konnte gar nicht von allen berichten!

Auch heute Morgen brennt schon um neun Uhr die Sonne erbarmungslos. Auf der Karte haben wir gesehen, dass der erste Abschnitt über die Teufelsmauer größtenteils durch einen Waldstreifen verläuft. Aber der Boden hier ist extrem sandig und der Wald besteht fast ausschließlich aus lichten Kiefern – Viel Schatten spenden die nicht!

Eigentlich liegt die Teufelsmauer auch gar nicht richtig im Harz. Wie auch unsere Tour um die Sandsteinhöhlen am ersten Tag unseres Kurzurlaubs, verläuft unsere heutige Strecke größtenteils im nördlichen Harzvorland, etwa einen Kilometer vom nördlichen Harzrand entfernt. Wenn man dann oben auf dem felsigen Kamm einen Weitblick durch die Kiefern erhaschen kann, hat man gleich zu zwei Seiten eine Aussicht: Links schaut man auf die grünen, nördlichen Ausläufer des Harzes und rechts in die weite, zurzeit aber eher braune Ebene der Norddeutschen Tiefebene. Viele Wiesen sind schon abgemäht, das Korn ist eingefahren und wir blicken auf ein braungelbes Schachbrettmuster, das sich bis zur grünen Hügelkette des Huy zieht.

Auf der Hügelkette der Teufelsmauer zwischen Timmenrode und Bankenburg hat man die Wahl zwischen drei Wegen – dem nördlichen Hangweg, dem südlichen Hangweg und dem “Teufelsmauerstieg”, der in der Mitte verläuft. Natürlich entscheiden wir uns für den Weg in der Mitte, denn nur der führt einen direkt auf den Hahnenkamm der Formation. Hahaaaa, was für ein Abenteuer!

Die Kletterei über die ausgesetzten Felsen ist nicht unbedingt gefährlich – aber höllisch anstrengend! Eigentlich steigen wir nur knapp drei Kilometer direkt über die Felsen. Aber bei dem Wetter ist die Aktion total anstrengend und wir küren die zwei Stempel, die wir hier ergattern, zu den härtesten unserer bisherigen Kaiserkarriere. Zurück, nehmen wir uns vor, nehmen wir aber den südlichen Hangweg!

Nachdem wir den Stempel am Großvaterfelsen abgeholt haben, steigen wir ab nach Blankenburg. Dort warten Schloss und Barockgarten auf uns – und unser einhunderterster Stempel!

Auf dem Weg zur Stempelstelle 78 “Barocke Gärten” passieren wir manch pittoreskes Wasserspiel und akkurates Heckchen. Aber das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier in dieser penibel gepflegten Anlage die Rasenflächen total verbrannt sind.

Auf dem Weg zum Burgberg schwitzen wir erneut ausgiebig. Gern hätten wir ein ein kleines Päuschen im Schatten eingelegt, bevorzugt mit Kaffee und Kaltgetränk. Aber weder im Barockgarten noch im Schloss sind die Cafés geöffnet. Und das mitten in der Ferienzeit!

Vor den verschlossenen Türen des Gasthauses “Obere Mühle” befindet sich der Stempelkasten, der uns unseren Jubiläumsstempel beschert. Wir feiern diesen besonderen Augenblick mit einem ausgiebigen Schluck Wasser aus unserer Weithalsflasche.

Das Schloss von Blankenburg ist wunderschön, aber macht einen quasi abbruchreifen Eindruck. Wir wundern uns sehr darüber, dass sich das wunderschöne barocke Gebäudeensemble um den romantischen Innenhof in einem solch römisch-desolaten Zustand befindet. Vermutlich gibt es hier im Nördlichen Harzvorland einfach zu viele Schlösser, als dass sie alle unterhalten werden können?

Noch höher als das Schloss liegt die “Luisenburg”, ein Pavillion, der an der Stelle eines alten Lustschlösschens hoch über Blankenburg thront. Das total verkrautete Plätzchen hätten wir nie besucht, wenn wir hier nicht mit dem vierten Stempel unseres Wandertags belohnt worden wären …

Eigentlich hätten wir uns nun nur zu gern in die Innenstadt von Blankenburg begeben, die Stadt besichtigt, auf schattiger Terrasse zu Mittag gegessen und wären dann wieder zurück zum Auto gelaufen. Aber nein – westlich von Blankenburg gibt es im Wald noch eine Stempelstelle, die wir unbedingt noch mitnehmen müssen. Nichts an der Lokalität wirkt bei der Kartenansicht besonders verlockend. Mitten im Wald soll sich nahe einer Fußgängerbrücke über einer Bahntrasse ein Stempelkasten befinden. Wow!

Aber die Stempelstelle heute auszulassen und dann extra dafür noch mal in die Gegend um Blankenburg fahren zu müssen, das kommt gar nicht in Frage. Also machen wir uns auf den sechs Kilometer langen “Umweg” durch den Wald und holen uns den Stempel an der Ebertbrücke. Zum Glück ist der Weg schön schattig und wir wandern auf schmalen, duftigen Wegen bis zur Brücke.

Die Ebert-Brücke besitzt außer ihrer Höhe in der Tat keine besonderen Qualitäten, die ihren Status als Stempelstelle des Harzes rechtfertigen könnten. Doch halt! Wie so häufig ist die Brücke mal wieder einem verdienten Förderer des Harzer Wandertourismus gewidmet. Otto Ebert war Bauleiter beim Bau der Rübelandbahn und wünschte sich als Natur- und Wanderfreund zu seinem 70. Geburtstag statt Geschenke Spenden zum Bau der Brücke. Manch Gedenkstein im tiefsten Wald hat dank solch rührender Geschichten nicht nur das Monument, sondern oft auch gleich eine Stempelstelle verdient. Für uns erschließt sich die Schönheit vieler dieser Orte nicht auf den ersten Blick – aber wir können es so stehen lassen! 🙂

Die Mittagshitze auf dem Rückweg ist mittlerweile nur noch mit Hut zu ertragen. Überraschenderweise hat der herrlich altmodische Berggasthof auf dem Ziegenkopf geöffnet. Zwar verweigert man uns den Aufenthalt auf der Terrasse … “Zu viele Wespen!!” .. aber Käsekuchen und Kaffee im Kännchen munden im klimatisierten Teakholz-Saal mit den altmodischen Möbeln und dem altenglischen Kaffeeservice ganz vorzüglich! Wir sind entzückt und nehmen uns vor, hier mal ein stilvolles Wochenend-Arrangement zu buchen. Idealerweise sollten wir dann aber nicht mit unserem kleinen schwarzen Teufel, sondern mit dem Borgward anreisen!

Zurück in der Innenstadt von Blankenburg, hoffen wir auf eine erneute Gelegenheit, von einer schattigen Terrasse aus dem quirligen Kleinstadtleben zuzuschauen. Aber wie schon das Schloss ist die Innenstadt von Blankenburg verfallen, verrammelt und verwaist. Selbst in der Straße am Rathaus hat kein Geschäft mehr geöffnet und wir treffen keine Menschenseele – wahrhaft traurig, denn Blankenburgs Innenstadt ist eigentlich sehr schön!

Zurück geht es über den gleichen Höhenrücken wie auf dem Hinweg, jedoch nun unterhalb der Teufelsmauer, über den Südlichen Hangweg. Bei der Hitze verfluchen wir jeden Hügel und jeden wurzeligen Anstieg, den wir überwinden müssen. Die Sonne flirrt und es duftet nach Kräutern der Macchia.

Selten waren wir so glücklich, wieder am Parkplatz zu sein. Schon nach einstündiger Fahrt sind wir wieder in einer anderen Welt. Zurück im Alltag .. aber immerhin im Schatten! 🙂

Thale, nochmal Bodetal und der Hexentanzplatz

Rundtour südlich des Bodetals, 5 Stempel, 20 Kilometer
gelaufen am 3. August 2022

Gestern haben wir uns noch ein wenig auf die Schulter geklopft, dass wir so früh aufgewacht und so zeitig am Morgen unterwegs waren. Heute jedoch haben wir irgendwie “verschlafen” und waren erst eine Stunde später, um 8:15 Uhr, am Einstieg zum Bodetal. Und das, obwohl heute 32 Grad Hitze angesagt sind!

Die Kabinenbahn zum Hexentanzplatz fährt so früh am Morgen auch noch nicht, so wie der Sessellift auch noch nicht verkehrt. Wir sehen die Gondeln langsam zwischen Berg- und Talstation hin und her eiern, allerdings ohne Passagiere. Ganz Europa spart Energie, nicht so aber die Thaler Bergbahnen!!

Schon beim Aufstieg zum legendären Hexentanzplatz schwitzen wir ganz ordentlich. Trotzdem ist es gut, dass wir den Aufstieg gleich am frühen Morgen bewältigen – alles andere wäre eine Qual heute.

Oben angekommen sind wir froh, schon so früh am Morgen hier zu sein. Nur Bedienstete der umliegenden Touristen-Attraktionen wuseln über die Wege, aber noch keine Besucher. Die kommen erst nach halb zehn. Aber auch ohne Besuchermassen ist schnell zu erkennen, dass der vielleicht früher mal mystische Ort nun jeglichen Charme verloren hat. Es gibt hier ein Freiluft-Theater, ein auf den Kopf gestelltes Hexenhaus für Kinder, eine Art Geisterbahn, einen Tierpark und jede Menge Fressbuden. Dazu einen fulminanten Bauzaun, der die Besucher um eine Großbaustelle herumführt. Familien mit Kindern können im “Hexenkessel” im Tal schon jede Menge Geld lassen, aber hier geht es gleich weiter. Jedwede Erinnerung an einen vorchristlichen Versammlungs- und Kultort wurde hier konsequent ausgemerzt und durch Hexenkitsch ersetzt.

Wir verlassen diesen unseligen Ort ganz schnell und nehmen uns vor, niemals wiederzukehren. Zum Glück sieht der Wald schon wenige Schritte nach dem Tierpark wieder ganz normal aus, nämlich wie Wald.

Von der La Viershöhe, unser ersten Stempelstelle für heute, haben wir einen phantastischen Blick auf die Berge der gegenüberliegenden Talseite, wo wir gestern waren.

Gut möglich, dass es sich hierbei aber auch um die Aussichten von der “Prinzensicht” handelt. Wir hatten heute so zahlreiche Aussichten, dass ich nicht mehr weiß, was wo war!

Die Stempelstelle “Prinzensicht” wird uns nicht nur wegen der tollen Aussicht in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des unsäglich langen One-Way-Anmarschwegs zu Aussicht und Stempelkasten. 1,2 Kilometer geht es über einen breiten, schattenlosen Schotterweg hin und desselben Weg wieder zurück. Keine Möglichkeit, der Abwechslung halber einen vielleicht einen anderen schattenlosen Schotterweg zu wählen. Da kann man sich nur ein Mountain-Bike wünschen!

Das “Pfeil-Denkmal” ist eine dieser merkwürdigen Stempelstellen, bei der irgendwelche Forstmeister oder Pioniere des Harzclubs geehrt werden. Davon gibt es einige im Harz, gerade gestern haben wir den Hinkelstein zu Ehren von Georg von Langen bewundert. Bei diesem heute wird Wilhelm Pfeil, ein Forstwissenschaftler des 19. Jahrhunderts geehrt, von den der berühmte Lehrsatz stammt:

“Fragt die Bäume, wie sie erzogen sein wollen, sie werden euch besser darüber belehren, als die Bücher es thun!” 🙂

Zum “Weißen Hirsch”, dem nächsten Aussichtspunkt mit Stempelstelle, rasen wir durch den Wald. Wie haben uns vorgenommen, noch vor der große Mittagshitze zurück im Ferienhaus zu sein, also beeilen wir uns!

Blick vom “Weißen Hirsch” auf Treseburg

So, eigentlich haben wir für heute alle Stempelstellen abgegrast. Nur ist Friedel heute aufgefallen, dass ich eine Stempelstelle im Bodetale glatt übersehen habe. Der Kasten steht am Gasthaus Königsruhe, wo wir gestern früh schon vorbeigelaufen sind!

Wir fahren also nicht mit der Seilbahn zu Tale, sondern wählen einen – zugegeben ziemlich abenteuerlichen – Abstieg durch eines der Nebentäler zur Bode runter, am Dambach entlang. Wir klettern über umgestürzte Bäume, stapfen durch Pfützen und bahnen uns den Weg durch Brennesels und Brombeergestrüpp. Aber schön schattig und kühl ist es hier. Und abseits der ausgetretenen Wege findet man auch im Bodetal ein ruhiges Plätzchen!

Im Bodetal angekommen wundern wir uns über die vielen Menschen, die trotz der Hitze hier unterwegs sind. Wir treffen unter anderem auf folgende Spezies: Eltern mit kleinen Kindern, die verzweifelt versuchen, ihren quengligen Nachwuchs mit “Waldabenteuern” bei der Stange zu halten. Gestresste Familien mit Teenagern, die grußlos und verkniffen an uns vorbeiziehen. Fitte Rentner, die mit BARFUSSSCHUHEN die extrem steinigen Wegpassagen meistern und dabei locker mit ihrer Frau plaudern. Rentnerinnen mit Wanderstöcken, tränennah, die von den extrem steinigen Wegpassagen wirklich überfordert sind. Die Familie mit dem Bollerwagen, die scheinbar den weiteren Weg gestrichen hat und mitten auf dem Weg ein Picknick veranstaltet. Rücksichtslose Mitwanderer, die niemanden außer sich selbst registrieren, sich mitten auf dem Weg die Schule zubinden und niemanden vorbeilassen. Gelegentlich treffen wir aber auch auf freundlich grüßende Wanderpaare, die ganz normal wirken!

Wir sind glücklich und dankbar, dass wir noch gut zu Fuß sind und nicht noch nebenbei Kinder bespaßen müssen. Das Bodetal hat im Vergleich zu gestern früh einen ganz anderen Charakter – es ist heiß, grell und wesentlich voller!

Am Gasthaus Königsruhe angekommen, stempeln wir hurtig und wollen uns Pommes und Kaltgetränke bestellen. Es bleibt aber bei der Holunderlimonde, weil mir die Wartezeit für die Pommes viel zu lange dauert und in der Schlage hinter mir die Kinder in die Waden treten. Ich schnappe mir unsere Getränke und verziehe mich auf die Aussichtsterrasse, wo Friedel unsere Rucksäcke hütet. Gegessen wird dann halt “zuhause”!

Das Gasthaus wirbt übrigens damit, über einen der “100 schönsten Biergärten Deutschlands” zu verfügen. Wir fragen uns, wer die Lokalitäten dabei kürt und welche weiteren Biergärten noch auf der Liste stehen. Vielleicht sollten wir als Nächstes mal eine “Biergarten-Fernwanderung” veranstalten?

Am Eingang/Ausgang zum Bodetal befindet sich der “Hexenkessel”, eine kirmesähnliche Anlage mit Hüpfburgen, Kletterpark und Fahrgeschäften, alles im Zeichen der Hexe. Trotz der Hitze tobt hier der Bär.

Wir beeilen uns, dieses lebhaften Ort wieder zu verlassen und genießen kurz darauf Kaffee und Eis auf unserer schönen Terrasse mit Blick auf die Wohnblocks gegenüber. So schön es im Bodetal auch ist, so freuen wir uns aber auch darüber, dass wir im wenig besuchten Nordharz wohnen dürfen!

Thale, das Bodetal und die Rosstrappe: Fünf Stempel müssen hart erkämpft werden!

Thale, Bodetal, Böser Kleef und Rosstrappe: 22 Kilometer
gelaufen am 2. August 2022

Unglaublich, welche Freiheiten so eine Ferienwohnung uns eröffnet – Bekanntlich sind wir ja Frühaufsteher und sonst haben wir auf unseren Wandertouren immer die Zeit bis zum Hotelfrühstück totschlagen müssen, indem wir Stadtbesichtigungen eingeschoben, eingekauft, rumgedöst haben …

Heute hingegen können wir bereits um sechs Uhr aufstehen, gemütlich frühstücken und sind schon um 7:15 Uhr am Eingang zum Bodetal. Natürlich ist es unmöglich, um diese Uhrzeit den Sessellift zur Rostrappe zu nehmen: Der hat – geradezu lächerlich spät – seine erste Fahrt erst um 9:30 Uhr. So lange warten wir auf keinen Fall!

Also müssen wir laufen. Wir beginnen unseren Wandertag mit einer Neun-Kilometer-Tour das Bodetal hoch, immer entlang des Flusses. Dabei kommen bis Treseburg locker 350 Höhenmeter zusammen. Auf steinigen Pfaden geht es ständig bergauf und bergab. Wir dachten, dass wir den Tag mit einem beschaulichen Spaziergang an der Bode entlang beginnen – mitnichten!

Also .. das Bodetal ist ECHT beindruckend. Unserer Ansicht nach haben wir heute das absolute Highlight des Harzes durchwandert. Der Fluss windet sich durch eine tiefe Schlucht, links und rechts ragen die Felswände steil nach oben. Der Weg (übrigens die letzte Etappe des Harzer Hexenstiegs) folgt dem mäandernden Fluss mal links, mal rechts, aber meistens ausgesetzt und ungesichert. Wir sind begeistert!

Friedel ist ein wenig verzweifelt, weil sich die Pracht kaum fotografieren lässt. Am Morgen ist es stockdunkel in der Schlucht und die dreidimensionale Pracht ist bei den schwierigen Lichtverhältnissen fototechnisch nur schwer einzufangen.

Um die frühe Uhrzeit haben wir den Weg ganz für uns allein. Erst kurz vor Treseburg entdecken wir einen einsamen Fliegenfischer mitten im Fluss. Das haben wir in Deutschland noch nie gesehen – fast wie in Schottland!

Außerdem treffen wir erst um Treseburg herum die ersten Wanderer, die in die Gegenrichtung unterwegs sind. Gern hätten wir in Treseburg einen Kaffee genommen, aber um kurz vor zehn ist hier noch alles zu!

Der Weg aus dem Ort heraus führt unschön an einer engen Landstraße entlang. Hier handelt es sich um einen ausgeschilderten, offiziellen Weg des Harzclubs, aber wir müssen uns trotzdem eng an die Felswand drücken, wenn uns mal wieder ein rücksichtsloser Wagen mit dänischem oder holländischen Kennzeichen entgegenkommt, der keinen Zentimeter für uns Platz macht!

Der Weg zur nächsten Stempelstelle, dem “Wilhelmsblick”, führt kurioserweise erst durch einen engen Tunnel im Fels, bevor er über steile Stufen zum Aussichtsfelsen führt. Nie und nimmer hätten wir den Auf- und Abstieg auf gleicher Strecke auf uns genommen, wenn sich dort oben nicht so ein vermaledeiter grüner Stempelkasten befände!

Zum “Bösen Kleef” traben wir zunächst über schmale Wege weiter nach oben. Mittlerweile ist es hübsch heiß geworden und der Schweiß rinnt in Strömen. Vor allem auch deshalb, weil gleich zwei Wege zum Aussichtspunkt wegen Windbruch eigentlich gesperrt sind, wir aber trotzdem über Baumstämme und Äste weiter klettern. Mögliche Alternativen würden einen Umweg von mehreren Kilometern bedeuten und die wollen wir auf keinen Fall laufen. Da zerkratzen wir uns doch lieber die Beine und hauen uns die Köpfe ein! 🙂

Am Ziel legen wir eine Mittagspause ein und genießen den Ausblick über Altenbrak. Herrlich einsam ist es hier, obwohl der August ja eigentlich die Hauptsaison sein müsste. Seit Treseburg haben wir niemanden getroffen!

Den Stempel bei der Ausflugsgaststätte “Todtenrode” nehmen wir wie im Fluge mit. Trotz des schaurigen Namens scheint hier zu anderen Zeiten der Bär zu toben – heute aber ist hier alles verrammelt. Montags und dienstags ist hier Ruhetag!

Auf zunächst schattenlosen Forstwegen, aber zunehmend schmalen Waldwegen nähern wir und dem touristischen Highlight des heutigen Tages, der Rosstrappe. Der Anmarsch über den Fuß der Winzenburg, einer altgermanischen Fluchtburg, ist gut gewählt, denn fast niemand begegnet uns und wir können schon den einen oder anderen Blick von den Felsen hinunter ins Bodetal erhaschen.

Aber bei der Einmündung zur Rosstrappe trifft uns fast der Schlag – Millionen sind hier unterwegs, Dänen, Holländer, Asiaten, die Damen in luftigen Sommerkleidchen und die Herren in feschen Shorts und mit Riemensandalen. Und Kinder, jede Menge Kinder!

Trotzdem schlagen wir uns bis zum Ende des schmalen Felsenstegs durch. Wir sind hier, da wollen wir mehr sehen als den grünen Kasten mit dem Stempelkissen! Die Aussichtspunkte sind fast gänzlich mit Selfie-Fotografen verstellt, aber den einen oder anderen Blick ins Bodetal und auf die umliegenden schroffen Felswände können wir trotzdem erhaschen.

Hoffentlich haben wir und in dem Gedränge kein Corona geholt! Wir erholen uns bei Apfelschorle und Bockwurst am Kiosk beim Hotel. Am Ende unseres Wandertages gönnen wir uns ein ganz besonderes Schmankerl: Mit dem Sessellift lassen wir uns bequem zu Tal befördern – ein wenig flau im Magen ist uns aber auch dabei!

Unser früher Start am Morgen hat dazu geführt, dass wir schon vor der großen Nachmittagshitze wieder zurück in unserem Ferienhaus sind. Wir gönnen uns heute ein ausgiebiges Nachmittagsschläfchen und zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Oliven und Tomatensauce. Denn wir könnte es auch anders sein – die umliegenden Restaurants haben montags und dienstags Ruhetag!

Blankenburg fünf Stempel – jetzt ist der Osten dran!

Blankenburg Nord 18 Kilometer und 5 Stempel
gelaufen am 1. August 2022

Die Großen Sandsteinhöhlen bei Blankenburg

Mittlerweile haben wir fast alle Stempelstellen in unserer Nähe abgegrast. Der Harz aber ist groß und im Osten warten jede Menge weitere Attraktionen und tolle Touren auf uns.
Friedel und ich habe ein paar Tage frei und haben etwas arrangiert, was wir zu zweit noch nie gemacht haben – Wir haben uns ein kleines Ferienhaus in Thale gemietet!

So sah das Häusle bei unserem Einzug aus – mittlerweile haben wir überall unsere Sachen verteilt!

Wie ihr wisst, sind wir ja eigentlich sonst eher als Streckenwanderer unterwegs. Allerdings gibt es rund um Blankenburg und Thale so viele von diesen grünen Kästen mit Stempeln, dass sich die Tour von Hotel zu Hotel kaum lohnt. Unser Ferienhaus als Basisstation in Thale ist da eine sinnvolle Alternative.

Schon heute am Anreisetag sind auf den 18 Kilometern unserer Rundtour diverse Hotspots des Harzes nahezu inflationär vorhanden. Die Sandhöhlen bei Blankenburg, die Festung Regenstein und das Kloster Michaelstein lassen sich sehr gut verbinden, wenn auch mit einigen hässlichen Passagen an Bundesstraßen entlang. Aber dazu später.

Erste Station: Die Regenstein-Mühle. Angelegt Ende des 12. Jahrhunderts, beeindrucken nicht nur die rekonstruierten Mühlräder, sondern die gesamte Szenerie. Die Anlage liegt in einer sandigen Gegend, mit dicken Eichen und alten Kiefern bestanden. Im Nieselregen mutet die Gegend fast schon archaisch an.

Auf sandigen Wegen geht es weiter zu den “Kleinen Sandsteinhöhlen”. Die finden wir schon beindruckend genug. Die hellen Wände und der feine, helle Sand im Inneren der Höhlen mutet fast gemütlich an. Das muss ein lauschiges Plätzchen für unsere Vorfahren gewesen sein!

Noch beeindruckender sind dann die “Großen Sandsteinhöhlen”. Zwar sind die Höhlen nicht unbedingt tiefer oder höher, aber sie liegen allesamt in einer tiefen Senke, rund um einen riesigen, feinsandigen Platz. Dies wäre eine extrem coole Location für ein sommerlich-strandartiges Musikfestival!

Besonders schön ist , dass heute Morgen außer uns niemand anderes hier ist. Es ist mitten in der Sommerferienzeit, aber wir haben den Platz ganz für uns allein!

Zur Festung Regenstein geht es dann extrem fies bergauf. Wenn sich oben auf dem steilen Felsen nicht eine Stempelstelle befinden würde, hätten wir die Festung glatt ausgelassen!

Oben auf der Klippe liegt die Festung Regenstein

Obwohl es regnet, ziehen wir auf dem Weg nach oben unsere Regensachen aus. Lieber regennass als schweißdurchtänkt!

Immerhin werden wir auf dem Weg mit einigen tollen Ausblicken belohnt. Oben landen wir auf einer Straße, die Parkplatz-Wanderer bequem über eine steinerne Brücke in die Festung führt. Gemein – und wir haben uns so gequält!

Da das Café in der Festung nicht geöffnet ist und der Eintritt vier Euro pro Person kostet, machen wir uns nach der Stempelei gleich wieder an den Abstieg. Um 16:00 Uhr müssen wir unser Ferienhaus beziehen und vorher noch zwei Stempel einsammeln!

Der Weg von der Festung zum Kloster Michaelstein gehört zu den Tiefpunkten unserer bisherigen Unternehmungen. Entlang eines vielbefahrenden Autobahnzubringers laufen wir im Nieselregen durch ein Industriegebiet und entlang eines riesigen Einkaufs-Arreals. Wir fragen uns, warum wir so stur sind und unsere Stempelstellen partout zu Fuß erreichen wollen. Jeder außer uns fährt hier!

Kloster Michaelstein ist dann auch nicht so der Bringer. Die Anlage wurde schon vor Jahrhunderten profanisiert und beherbergt heute eine Musikakademie. Die Anlage ist hübsch und gepflegt, aber hat irgendwie keinen Flair. Fotogen sind jedoch das alte Torhaus und die vielen Fischteiche der ursprünglich mönchischen Fischzuchtanlage.

Neben den Sandhöhlen ist das heutige zweite Highlight das leckere Fischbrötchen mit geräucherter Forelle, dass wir uns in der Außenanlage des “Klosterfischers” besorgen. Schließlich haben wir die vier Euro Eintritt auf der Festung eingespart, da kann man sich schon mal ein Gourmet-Fischbrötchen für 5,50 Euro pro Person gönnen!

Solide gestärkt machen wir uns auf zur letzten Stempelstelle, der Ruine “Altenburg” in Heimburg. Durch sandige Wälder laufen wir auf dem “Harzer Klosterwanderweg”, der Goslar und Quedlinburg und zwölf ehemalige Klöster des Harzvorlandes miteinander verbindet. Schon zweimal sind wir bisher dem Weg begegnet: Auf DDLN von Goslar nach Schladen haben wir das Kloster Wöltingerode besucht und auch bei Wernigerode haben wir auf dem Weg zum Austberg den Klosterwanderweg beschritten.

Der letzte Anstieg des Tages, rauf zur Ruine Altenburg, sieht schlimmer aus, als er ist. Von der Burg ist nicht mehr viel erhalten, aber der Ausblick auf den Harz und das Harzvorland ist hübsch. Wären wir die Erfinder der Stempelstellen gewesen, wir hätten der Altenburg jedoch keinen Stempelkasten verpasst. Der Blick vom Austberg bei Wernigerode ist doch sehr ähnlich.

Der Klosterwanderweg führt uns von der Ruine weiter in Richtung unseres Parkplatzes, an dem unsere heutige Wanderung enden wird. Die Wegführung ist eine echte Unverschämtheit! Entlang eines Autozubringers laufen wir auf der Grasnarbe zwischen Leitplanke und Fahrbahn, wir haben kaum Platz und die Autos sausen an uns vorbei. Dies soll ein überregionaler Wanderweg sein? Vielen Dank auch!

Das letzte Stück ist dann wieder recht hübsch. Zwar hören wir rechts neben uns das Brausen des Verkehrs auf der Autobahn, aber wir wandern durch eine grasige heide-ähnliche Landschaft, die uns ausnehmend gut gefällt.

Unser kleines Ferienhaus für zwei befindet sich in der Altstadt von Thale, etwa zweieinhalb Kilometer von den Seilbahnen zum Hexentanzplatz und der Rosstrappe entfernt. Anscheinend ist die Altstadt von Thale kein touristischer Hotspot. Die Gebäude sind zwar aus Bruchstein, aber in keinem guten Zustand. Das Kloster ist die halbe Woche verrammelt und es gibt keine Restaurants oder Cafés in der Nähe. Unser historische Unterkunft in einer alten Gasse mit Kopfsteinpflaster ist schön renoviert, aber vom Balkon aus genießen wir den Blick auf die “Platte”. Das hat Lokalkolorit! 🙂

DDLN Etappen 58 und 59: Durch die Ostheide und das Wendland von Wahrenholz nach Reddereitz

16.05.2022: Wahrenholz nach Bad Bodenteich 28 Kilometer
17.05.2022: Bad Bodenteich nach Reddereitz 30 Kilometer

“Grüner geht’s nicht!”
Das beschreibt unsere zwei nächsten Wandertage auf unserer Deutschlandtour, dieses Mal durch die Ostheide und das Wendland, am besten.

Gern hätten wir uns weiter östlich gehalten und wären heute, an unserem dritten Wandertag im Mai 2022, lieber der Originalroute des E6 über Oerrel und Hankensbüttel gefolgt. Vielleicht hätten wir dann ein bisschen mehr Heidekraut gesehen und weniger Wald. Der E6 schlägt jedoch einen großen Haken nach Westen und leistet sich dabei auch noch den einen oder anderen Schlenker nach links und rechts. Flugs wären da auf der Originalroute des E6 satte 37 Kilometer bis nach Bad Bodenteich zusammengekommen – für uns eindeutig zu viel. Deshalb habe ich uns eine direktere Route zusammengebastelt, die uns in einer geraden Linie durch die Wälder westlich der Ise bis nach Wentorf leitet, wo wir dann wieder auf den E6 treffen und erneut entlang des Elbe-Seitenkanals Bad Bodenteich erreichen. Von dem Kurort hatten wir zuvor noch nie gehört – aber hier gibt es Abendessen und Bett!

Schön sind die Wälder rechts des Flüsschens Ise. Das ganze Gebiet “Ise mit Nebenbächen” ist Naturschutzgebiet und wir wandern auf größtenteils schnurgeraden Wegen durch einen lichten Nadelwald mit Blaubeergebüsch und feuchtem Unterbewuchs. Friedel nennt solche Abschnitte oft “Wald im Wald”, was sehr schön beschreibt, dass es im Unterholz viel zu bestaunen gibt. Mitunter bricht die Waldlandschaft auf und wir erhaschen einen Blick auf sattgrüne Feuchtwiesen mit Binsen und Mengen an Schmetterlingen. Aber leider haben wir kaum die Muße, das schöne Arrangement ausgiebig zu betrachten und zu fotografieren …

… denn hier gibt es UNMENGEN an Mücken!

Die Mistviecher lieben vor allem den Friedel. Flügelschlagend eilen wir durch den Wald, denn viel Bewegung verhindert die Landung der Insekten auf Haut, Hose oder T-Shirt. Wir stellen nämlich fest, dass unsre Merinoshirts nicht mückenfest sind – verdammte Hacke!

Im Gegensatz zu sonst renne ich HINTER Friedel durch den Wald, wo ich dich sonst immer vorne laufe. Dabei schlage ich ihm die eine oder andere Mücke von den hinteren Waden oder aus dem Nacken. Keine Ahnung, warum der Friedel bei den Viechern so beliebt ist!

So manch schönes Fleckchen lädt zu einer Teepause ein, aber die Mücken geben uns keine Ruhe. So fliegen wir förmlich durch den Wald und freuen uns, dass wir nach sechzehn gehetzten Wanderkilometern bei Alt-Isenhagen endlich aus dem Waldsumpf auftauchen können. An der Böschung zum Elbe-Seitenkanal dürfen wir nun endlich eine wohlverdiente Pause einlegen.

Heute sind jede Menge Schiffe auf dem Kanal unterwegs und wir sitzen recht lange da und schauen zu, wie die bunten Kähne an uns vorbeiziehen. Diese Form des Transports von Waren und Rohstoffen finden wir gut!

Heute am Montag sind am Kanal viel weniger Radler unterwegs als gestern am Sonntag. Dementsprechend gemütlich können wir nebeneinander laufen und gemütlich wandern wir die restlichen neun Kilometer bis zu unserem Endziel für heute, Bad Bodenteich.

Kurz vor Bad Bodenteich kommen wir noch einmal durch eine heideähnliche, mückenarme Landschaft und siehe da – es gibt sogar eine Bank. Hier trinken wir unser restliches Wasser und aus den Tiefen meines Rucksacks ziehe ich noch einige Haferkekse. Wir schon viele Male vorher stellen wir fest, dass wir diese letzten Pausen kurz vor dem Tagesziel besonders lieben. Aber natürlich nur bei gutem Wanderwetter!

Bad Bodenteich ist ein schmuckes Städtchen: Im Ortskern gibt es zwei Seen, auf denen es sogar Tretboote gibt.

Wir schätzen Bad Bodenteich vor allem für sein Eiscafé … denn da gibt es den wohlverdienten Eiskaffee, auf den sich Friedel schon seit gestern freut!

Das Eiscafé befindet sich in Bad Bodenteich hinter den Mülltonnen und Autos!

Dieses Eiscafé nun wird uns als das mit dem autistischen Kellner im Gedächtnis bleiben. Als er unserer Rucksäcke ansichtig wird, zieht er uns mit der Bemerkung ins Gespräch, dass er auch ein großer Outdoor-Liebhaber sei. Er erzählt uns minutenlang von seinen Radtouren in Italien, Frankreich und sonst wo und wir kommen kaum dazwischen. Als er mit seinem Monolog am Ende ist, kassiert er und verschwindet. Er hat nicht mal gefragt, warum wir in Bad Bodenteich sind!

Weitaus weniger gesprächig ist der Wirt im “Gasthaus zum alten Ritter”, in dem wir heute nächtigen. Wir erreichen das Themenhotel durch ein kleines Waldstück, in dem allerhand Verlustierungen des Mittelalters aufgebaut sind: Bahnen zum Bogenschießen, Buden zum Tonkrug-Werfen, hölzerne Pranger. Witzig!

Auch die Gasträume, der Innenhof und die Zimmer sind stilvoll im Mittelalter-Look gestaltet. Als wir den Wirt auf die gelungene Dekoration seines Hotels ansprechen, verzieht er keine Miene – und den Rest des Abends auch nicht mehr.

Zum Abendessen bestellen wir jeder eine halbe gegrillte Ente mit Rotkohl. Fürwahr ein ungewöhnliches Mahl! Wir schaffen jeder nur ein Viertel des fettigen, aber überaus leckeren Vogels. Beim Abräumen betonen wir dem Wirt gegenüber, dass unsere Portionen zwar wohlschmeckend, aber wirklich nicht zu schaffen seien. Wir meinen, da die Spur eines triumphierenden Lächelns auf seinem Gesicht zu sehen – und schweigend verschwindet er mit unseren Bergen an Knochen in Richtung Küche. Hintergründig – solche wortkargen Zeitgenossen sind uns weitaus lieber als Schwätzer!

Nach dem Abendessen besichtigen wir noch Burg Bodenteich. Die Anlage ist hübsch restauriert und beheimatet einige lokale Behörden und ein Museum. Extra der Burg wegen hätte sich die Anreise nach Bad Bodenteich wohl kaum gelohnt – aber für die Verdauung von halben Enten an einem lauen Sommerabend ist die Anlage absolut geeignet!

Am nächsten Tag halten wir uns ziemlich genau an dieWegführung des E6 – die knapp dreißig Kilometer bis nach Reddereitz erscheinen uns für eine Tagesetappe im Flachland gut machbar.

Heute erwartet uns ein ganz entzückender Wandertag. Zum einen ist es heute nicht so warm und schwül, es nieselt sogar. Zum anderen laufen wir heute durch äußerst abgelegene, aber sehr reizvolle Landschaften. Das Wendland ist eine alte, sehr urtümliche Region mit alten Wegen und schönen Wäldern!

Die Gegend um Bad Bodenteich herum könnte man sogar als sumpfig bezeichnen. Da es aber bei unserem Auszug aus der Stadt regnet, haben wir heute kein Problem mit Mücken. Friedel hat sich heute eh gewappnet – mit seinem (so finde ich) äußerst lächerlichen Regencape schreckt er jede Mücke ab!

Hier im Wendland wandern wir durch eine eher trockene Gegend – selbst heute, nach dem Regen, werden die Felder großräumig bewässert.

Beim Durchmarsch durch die Bewässerungsanlagen müssen wir unser Timing gut optimieren: Erst Warten, bis der Strahl sich vom Weg entfernt , dann zügig auf dem Weg voranschreiten und dabei immer die bewegliche Düse im Blick behalten. Nach dreißig Sekunden heißt es auf dem Weg nämlich wieder “Wasser Marsch!”

Das Wasser wird übrigens aus einer Art Hydranten im Boden mit dicken Schläuchen zu den Düsen geleitet. Die dicke Spulen für die Schläuche stehen überall mehr oder weniger dekorativ in der Landschaft herum.

Verrostete Wasserschlauch-Spule, vorteilhaft beleuchtet

Heute ist deutlich zu bemerken, das wir uns in einer alten und irgendwie vergessenen Kulturlandschaft bewegen. Viel Kopfsteinpflaster, alte Höfe, schattige Alleen.

Zwischendurch lange Abschnitte mit dichtem Kiefernwald. Auffällig ist der sandige Boden und die völlige Abwesenheit von Bächen und Pfützen. Knochentrocken ist es hier, jedenfalls am Boden!

In einem Waldstück kurz vor dem Weiler Gledeberg treffen wir auf etwas, was wir in Deutschland noch nie gesehen haben: Eine Hütte des Europäischen Fernwanderweg E6!

Freunde der Europäischen Wanderidee, die im nahegelegen Gledeberg wohnen, haben die Betreuung des hiesigen Abschnitts übernommen und pflegen vorbildlich Hütte, Wegmarkierungen und Informationen zum Weg. Schon den ganzen Wandertag haben wir uns über die lückenlosen Wegmarkierung seit Bad Bodenteich gewundert, die den Einsatz unserer Wanderapp nahezu überflüssig macht. In der Hütte finden wir Karten und Beschreibungen der gesamten Route von der Adria bis nach Finnland und ein Wanderbuch, in das wir uns sogleich eintragen. Der letzte Eintrag vor dem unseren ist vom Februar!

Neben den Mücken wird der Friedel dieses Mal noch von einem weiteren Ungemach geplagt: Blasen an den großen Zehen!
Noch nie in unserer ganzen Wanderkarriere hatten wir bisher Ärger damit. Andere Wanderer klagen ständig auf jeder längeren Tour über Blasen, aber wir haben darüber stets milde gelächelt. Wir hatten bisher NIE welche!

Friedel hat sich gestern Abend gut verpflastert, aber ab Kilometer 25 schmerzen die Dinger immer unangenehmer. Die letzten fünf Kilometer geht der Friedel auf dem Zahnfleisch – der Vergleich “hinkt”, ich weiß! 🙂

Kurz vor unserem Etappenziel Reddereitz kommen wir am phänomenalen “Findlingspark Clenzer Schweiz” vorbei. Hier hatten wir gehofft, große Findlinge in ihrer natürlichen Umgebung zu bestaunen. Aber die Steine sind größtenteils künstlich angeordnet und wurden nach geologischen Erdzeitaltern klassifiziert und beschriftet. Insgesamt ein nettes Plätzchen, aber für geologische Laien wir uns eher langweilig …

“Clenzer Schweiz” heißt die Gegend wohl, weil es hier doch tatsächlich recht hügelig ist. Am Ende des Tages müssen wir sogar einige Hügel erklimmen!

Reddereitz ist gar kein richtiges Dorf. Zusammen mit dem benachbarten Kloster und dem nördlicher gelegenen Gohlefanz kommen vielleicht fünfzehn Gehöfte plus Nebengebäude zusammen, mehr nicht. Trotzdem leistet sich der Ort den “Heidehof”, eine herrlich altertümliche Hotelanlage!

Der Heidehof kocht nur für seine Gäste. Viel zu tun hat die Wirtin nicht – neben uns gibt es noch ein älteres Paar und einen allein reisenden Mann mit Badeschlappen, den wir für einen Radler halten. Bei mittlerweile schönstem Wetter sitzt das Paar drinnen, die “Outdoor-Sportler” auf der Terrasse. Sowohl die Innen- als auch die Außenanlagen sind gepflegt, aber konsequent-durchgestylt in den Siebzigern stecken geblieben. Herrlich!

Friedel kann ich heute nach dem Abendessen gar nicht mehr überreden, noch einen Gang durch die Ortschaften zu machen, zu sehr schmerzen seine Füße. Stattdessen sitzen wir auf dem Balkon vor unserem Zimmer und beobachten den Pferdewirt von gegenüber aus Kloster, wie er eine Stunde lang ein Pferd nach dem anderen von der Koppel holt. Ein wahrhaftig abendfüllendes Unterhaltungsprogramm!

Aber wie es immer so ist – leider haben wir keine Fotos von unserem romantischen Abend mit Kunstrasen und Monoblock-Stühlen auf dem Balkon gemacht. So bleibt uns nichts anderes übrig, als zum Schluss noch ein paar Highlights des Tages einzufügen!

In GB gibt es jede Menge nach Honig duftenden Ginster – in Deutschland duftet er nicht!

I

Wales vor unserer Haustür

Blick nach Norden zum Buchenberg

Letzte Woche musste ich beruflich mal wieder nach Stuttgart fahren. Und erneut habe ich festgestellt, dass mir das “pulsierende Leben der Großstadt” enorm auf den Wecker geht. Stuttgart City = Autolärm, Hitze, Gestank, Geschrei und Großbaustellen. Heilfroh war ich, als ich gestern wieder in Seesen aus dem Zug stieg!

Friedel konnte ich heute zu keiner Wanderung motivieren. Deshalb beschloss ich, einfach allein eine kleine Runde zu drehen – und ich habe es nicht bereut!

Unser neuer Wohnort Seesen nennt sich selbst “Das Fenster zum Harz”, denn nur ein kleiner Teil des Stadtgebiets liegt tatsächlich im Gebirge. Die eigentliche Kernstadt und diverse Dörfer, die auch zur Stadt zählen, sind dem Harz vorgelagert. Beispielsweise vom Schildberg aus hat man einen tollen Blick über eine weite Ebene, mit Harz und Leinebergland im Hintergrund.

Blick nach Osten zum Harz

Ich liebe meine kleine Sieben-Kilometer-Runde über den Schildberg und durch das Schildautal, für die ich nur aus der Haustür treten muss. Im Herbst sowieso, aber auch im Sommer erinnert mich die Landschaft mit seinen Hügeln und den Licht- und Schattenspiel an Wales. Findet ihr nicht?

Blick nach Westen zum Heber

.. und “wilde” Ponys gibt’s hier auch! 🙂

DDLN Etappe 56 und 57: Durchs Braunschweiger Land von Weddel nach Wahrenholz

14.05.2022: Weddel nach Fallersleben, 26 Kilometer
15. 05.2022: Fallersleben nach Wahrenholz, 33 Kilometer

Was bisher geschah:
Erinnert ihr euch noch, dass wir 2019 und 2020 von Schaffhausen an der Schweizer Grenze bis nach Goslar am Südlichen Harzrand gelaufen sind? Wir haben dabei den Schwarzwald, den Schwäbisch-Fränkischen Wald, die Fränkische Schweiz, Oberfranken, den Rennsteig, das “Grüne Band”, das Eichsfeld und den Harz durchwandert. Über 1300 Kilometer sind wir auf DDLN “Deutschland der Länge nach” gelaufen – dem Weg, den wir uns selbst ausgedacht haben. Ihr erinnert euch nicht? Wir aber schon! 🙂

In Goslar war dann 2020 erst mal Schluss. Nur 25 Kilometer westlich von unserem letzten Zielort haben wir uns in Seesen ein altes Fachwerkhaus gekauft und sind im November 2021 endgültig vom Ländle an den Harzrand gezogen. Seitdem haben wir abgerissen, verputzt, geweißelt und lediglich kleine Touren unternommen, um den Harz und unsere neue Heimat kennenzulernen. Aber jetzt – eineinhalb Jahre nach unserer letzten längeren Tour – geht es endlich weiter auf unserem DDLN!

Sieben Tage Wandern von Braunschweig bis zur Elbe liegen vor uns. Mit dem Harz haben wir dabei das letzte Mittelgebirge hinter uns gelassen. Von hier bis nach Flensburg wandern wir durch Flachland – Für uns als Freunde des Mittelgebirges ein echtes Novum!

Die ersten drei Etappen von Goslar nach Braunschweig-Weddel lassen wir erst mal aus: Sie lassen sich durch Tagestouren erwandern und wir laufen sie später an Wochenenden. Ab Braunschweig würde die An- und Abfahrt drei Stunden überschreiten – zu lang für uns, um das bequem an einem Tag zu fahren. Wir beginnen unsere Reise also in Weddel östlich von Braunschweig, weil es dort einen Bahnhof gibt. Dafür laden wir ein Tagesticket des “Verkehrsverbunds Region Braunschweig” auf unsere Handys – So billig war noch keine unserer Anreisen in den Urlaub!

In Weddel bei Braunschweig geht es dann los. Am Ortsrand verläuft der E6 – auf dem waren wir schon 2020 unterwegs und wir werden dem Weg im Großen und Ganzen bis Flensburg folgen. Da aber unterwegs die Unterkünfte rar sind, werden wir den Weg immer wieder mal verlassen und die eine oder andere Abkürzung einbauen. Gern würden wir jeden Schlenker des Europäischen Fernwanderwegs mitnehmen. Das würde jedoch zu Etappen über 35 Kilometer führen und das sollte eher die Ausnahme bleiben!

Vom Bahnhof Weddel aus sind wir recht schnell in Wald und Flur. Die Landschaft ist nicht spektakulär, aber die Sonne scheint, der Kuckuck ruft und der Raps blüht und duftet. Im Mai ist (fast) jede Landschaft schön!

Was uns heute gut gefällt, sind die vielen naturbelassenen Wege. Kaum einen Meter laufen wir auf Schotter oder Asphalt. nur dann, wenn wir einen der wenigen Orte auf der Strecke durchlaufen, müssen wir Pflaster treten.

In Wendhausen haben wir das Gefühl, nun endgültig im Norden angekommen zu sein – zum ersten Mai auf DDLN sehen wir eine echte Windmühle!

Viele alte Bäume säumen unseren Weg. Unter einem von Ihnen verbringen wir unsere Mittagsrast und beobachten mit der Teetasse in der Hand, wie die Eichhörnchen die Bäume rauf und runter flitzen. Die Szenerie hier ist zwar nicht ganz so spektakulär wie im Harz, aber schön ist es hier auch!

Tatsächlich hatten wir vor unserem Urlaub eigentlich gar keine richtige Lust, weiter nach Norden zu laufen. Unsere neue Heimat am Harz begeistert uns immer noch sehr und wir hätten uns auch gut vorstellen können, unsere Urlaubswoche im Harz zu verbringen, zum Beispiel im Ostharz, wo wir noch gar nicht waren. Aber der läuft uns nicht weg – wir werden ihn an Wochenenden erkunden!

Unser Zielort Fallersleben liegt eigentlich gar nicht auf dem E6, aber nur dort ist Bett, Restaurant und Frühstück zu ergattern. Gern nehmen wir die zusätzlichen Kilometer fernab der eigentlichen Strecke in Kauf, um am Abend im historischen Brauhaus der Stadt zu sitzen und dabei auf den Fallersleber Schlosspark zu blicken. Ein würdiger Ausklang unseres ersten Wandertags!

Das alte Brauhaus von Fallersleben
Schloss Fallersleben

Der berühmteste Sohn der Stadt ist übrigens August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der den Text zur Deutschen Nationalhymne schrieb. Aber nicht nur das – auch diverse, typisch deutsche Kinderlieder stammen aus seiner Feder: “Alle Vögel sind schon da”, “Der Kuckuck und der Esel” oder “Kuckkuck, Kuckkuck, ruft’s aus dem Wald”. Auf unserem Weg von Weddel nach Fallersleben haben wir verstanden, woher August Heinrichs Inspiration stammte – aus der lieblichen Frühlingslandschaft des Braunschweiger Landes und der ständigen Kuckkucksrufe, die uns begleiten!

Diverse Hotels und Pensionen in Fallersleben standen uns zur Auswahl. Wir haben uns blöderweise für die glattgebügeltste und gesichtsloseste Unterkunft entschieden. Das Hotel ist korrekt modern und das Frühstück guter Standard – aber ein bisschen charaktervoller könnte es schon noch werden!

Unser zweiter Wandertag im Braunschweiger Land bricht an – und die Sonne scheint ganz heftig!

Neulich am Elbe-Seitenkanal

Heute ist “Canal Walking” angesagt. Sehr gern sind wir immer in Mittelengland an den Kanälen entlang gewandert, die in der Frühzeit der Industrialisierung dem Transport von Kohle und Erzen diente. Solche Wasserwege gibt es auch in Deutschland – aber statt romantischer Narrowboats mit winkenden Freizeitkapitänen sind in Deutschland echte, vollbepackte Kähne unterwegs.

Wir hatten es uns sehr hübsch vorgestellt, am Mittelland- und am Elbe-Seitenkanal entlang zu wandern. Wir hofften, quakende Enten und ihren Nachwuchs im Dickicht der Rohrkolben verschwinden zu sehen. Stattdessen erwartet uns eine hochtechnisierte Wasserstraße.

Nun, hätten wir uns an die exakte Wegführung des E6 gehalten, wären wir heute 45 Kilometer durch Wald und Feld unterwegs gewesen. Die Wirtschaftswege an den Kanälen versprechen jedoch eine Abwechslung zu der Wald- und Wiesenroute gestern und dabei können wir noch einige Kilometer sparen. Die historische Stadt Gifhorn lassen wir also aus und kürzen ab über den Elbe-Seitenkanal.

Im Gegensatz zum Mittellandkanal gib es am Elbe-Seitenkanal durchaus schöne Ecken. Teilweise ist die Uferlinie hübsch eingewachsen und wirkt fast natürlich. Auch die eine oder andere Entenfamilie fühlt sich auf dem Kanal wohl.

Aber der Tag wird immer heißer und die Wirtschaftswege am Kanal spenden kaum Schatten. Noch nie haben wir bei einer Wanderung Mitte Mai solche Temperaturen erlebt!

Noch dazu nervt, dass wir hier am Kanal fast die einzigen Fußgänger sind. Heute ist Sonntag und der Weg am Kanal dient vor allem als Schnellfahrstrecke für Radfahrer. Friedel und ich können immer nur hintereinander gehen – und dabei den schmalen Schatten der Bäume suchen.

Rechts des Weges ändert sich die Landschaft – Der Boden wid zunehmend sandiger und Kiefer und Birke dominieren die Wälder am Ufer des Kanals. Wir nähern uns der Lüneburger Heide!

Eigentlich lieben wir es, auf unbefestigten Wegen zu wandern – Aber hier stapfen wir lange Strecken durch Pudersand: Ganz schön anstrengend! Aber besser als Pflastertreten ist der Sand allemal.

Am Bernsteinsee hoffen wir auf einen Kaffee, denn hier gibt es einen Campingplatz und eine Wasserski-Anlage. Der Badesee, so lesen wir bei Wikipedia, entstand 1970 beim Bau des Kanals. Hier wurde damals eine halbe Million Kubikmeter Sand entnommen. Vom Wall am Kanal aus sehen wir jedoch, dass der Strand und das Strandcafé pickepackevoll sind. Da habe ich mal wieder gar keine Lust, mich für einen Kaffee anzustellen und Friedel hat dafür zum Glück Verständnis.Wir haben noch Tee in der Thermoskanne und suchen uns lieber ein schattiges Plätzchen im Wald, so beschließen wir.

Am Bernsteinsee verlassen wir nämlich den Kanalweg und betreten das “Große Moor bei Gifhorn”. Auf unser Wanderkarte sieht es so aus, als wenn es den ganzen restlichen Weg bis zu unserem heutige Endziel durch Wald laufen. Da wird sich doch wohl ein schattiges Plätzchen für eine Pause finden lassen!

Nun ja .. mitten auf den Weg könnten wir uns setzen … links und rechts des Weges blubbert nämlich ein echtes Moor! Wir halten Ausschau nach einem Baumstamm, Steinen zum Sitzen oder einem trockenen Rasenstück – Aber Kilometer nach Kilometer finden wir kein geeignetes Pausenplätzchen. Außerdem treffen wir hier im Moor auf eine Spezies, die wir von der Alb kaum kennen … Mücken! Jede Menge Mücken!

Friedel kann nur dann fotografieren, wenn ich ihm dabei die Mücken vom Leib halte. Das Moor ist durchaus fotogen, aber jeder Stillstand zieht die Biester scharenweise an!
Mit den Arme fuchtelnd sausen wir auf den schnurgeraden Wegen durchs Moor und beneiden ausnahmsweise mal die Radfahrer, die an uns vorbei sausen. Wandern im Norden unserer Republik stellt uns vor ganz neue Herausforderungen!

Im Wald treffen wir zudem auf einige interessante mechanische Objekte. Wir erfahren, dass es sich um Pumpen für die ÖLFÖRDERUNG handelt!

Heimisches Erdöl liegt natürlich voll im Trend. Aber wir erfahren, dass die Förderung hier im Landkreis Gifhorn sehr kontrovers diskutiert wird. Das können wir uns gut vorstellen, denn wer will schon gern Ölförderungsanlagen in seinem Wald sehen?

Kurz vor unserem Tagesziel Wahrenholz tauchen wir aus dem Wald aus und stehen sogleich am Lokalbahnhof, vor der heruntergelassenen Schranke. Der Zug von Gifhorn nach Uelzen fährt ein (nach unserem Wanderurlaub werden wir genau diese Stecke mit dem Zug fahren und uns wundern, dass wir das alles gewandert sind ).

Nach der Schranke spricht uns ein radelnder Familienvater an: “Ja wat denn? Haben wir euch nicht noch eben am Kanal gesehen?” Es stellt sich heraus, dass uns die Familie am Elbe-Seitenkanal mit den Fahrrädern überholt hat, in Wahrenholz “mal schön Kaffeetrinken war” und uns nun auf dem Rückweg wieder trifft. Ob wir denn wirklich die ganze Strecke zu Fuß gelaufen seien?

“JA ALTER VERWALTER!” grölt unser Fan begeistert – “Das ist ja nicht zu fassen!”, dass wir die ganze Strecke sooo schnell gelaufen seien! Wir sind ein wenig peinlich berührt, aber fühlen uns auch ein wenig geschmeichelt. Das war doch nur wegen der Mücken!

In Wahrenholz fällt uns zum ersten Mal die typisch norddeutsche Backstein-Architektur auf: Die Kirche ist rot, die Apotheke, das Rathaus und der Gasthof. In Letzterem übernachten wir und der Wirt drückt uns beim Einchecken drei Schlüssel in die Hand – “Die drei Zimmer sind frei, sucht euch aus, welches ihr wollt!”

Am Abend sitzen wir noch lange auf der Terrasse, während nebenan die Kegelbrüder feuchtfröhlich ihre Siege feiern. Auf der Speisekarte gibt es Schnitzel, Schnitzel und … Schnitzel. Wahlweise mit Pommes, Wedges oder Bratkartoffeln.
Egal – echte Athleten brauchen Energie!

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