Tag 46: Fenny Bentley nach Youlgreave

ES GEHT WIEDER! Wie man auf der Karte unschwer erkennen kann, haben wir heute wieder ordentlich Kilometer geschafft. 🙂

Am Morgen wissen wir das allerdings noch nicht. Wir überlegen uns vielmehr verschiedene Exit-Strategien, falls Friedels Knie unterwegs wieder den Dienst verweigern. An bestimmten Wegabschnitten wäre es zum Beispiel möglich, ein Taxi zu rufen, zum Beispiel in Milldale am Ende des Dove Dales oder in Heathcote am Ende des Biggin Dales, wenn wir auf eine Straße treffen.

Jaaa, wir sind in den Dales! Besonders auf das Dove Dale haben wir uns schon lange gefreut, also versuchen wir heute auf jeden Fall, wenigstens dieses erste Tal zu durchlaufen. Durch das Dove Dale führt keine der klassischen Fernwanderwege, aber es liegt auf der klassischen Route von Andrew McCloy und Mark Moxton.

Von Fenny Bentley aus laufen wir zunächst auf demselben Weg wie gestern zurück zum Tissington Trail, überqueren diesen aber nur und laufen über Wiesen und eine kleine Teerstraße zum Dorf Thorpe. Von hier aus ragen plötzlich die ersten grasbewachsenen Kegelberge des Peak Districts hervor. Steinmauern und jede Menge in der Sonne spielende Lämmer erinnern uns an unsere Tour durch die Yorkshire Dales auf dem Coast to Coast Walk. Hübsch, hübsch, hübsch! Wir haben also das Flachland tatsächlich überwunden. Von nun an bleibt es bis Schottland hügelig bis bergig!

Als wir den Parkplatz am Eingang zum Dovedale erreichen, trifft uns dann aber fast der Schlag – MENSCHENMASSEN sind unterwegs! Na klar, heute ist der erste Tag eines langen Wochenendes, die Sonne lacht und es ist das Dove Dale! Tapfer reihen wir uns in den Fluss der Menschen ein, der aber zum Glück nach den Stepping Stones schon nachlässt. Das haben wir schon öfters bemerkt: Wandere von einem Parkplatz aus in einer Menschentraube los, nach drei Kilometern bist du dann aber schon wieder allein.

Von der Geografie her erinnert das Dove Dale viel an unsere Trockentäler auf der Schwäbischen Alb. Aber im Gegensatz zu diesen fließt hier ein sehr hübsches Flüsschen durch das Tal, die Dove.

Je höher wir dem Flusslauf folgen, desto enger und eingewachsener wird das Tal. Große Höhlen erinnern ebenfalls an die Alb: Sowohl die Schwäbische Alb als auch die Felsen im Peak District bestehen aus Jura-Gestein, weshalb man die Gegend hier auch „White Peak“ nennt, nach dem charakteristischen hellen Kalkstein. Dieser ist wasserdurchlässig, sodass sich im Verlauf der Erdgeschichte unterirdische Flüsse durch den Kalk gefressen haben. Erkennbar ist dies an den vielen Höhlen, von denen aber heute viele kein Wasser mehr führen.

Ungefähr in der Mitte des Tals kommen wir in den entzückenden Weiler Milldale, bis hierher wollte sich Friedel auf jeden Fall schleppen. Der Ort besteht aus malerischen Cottages aus grauem Kalkstein, die kleinen Gärten sind allesamt typisch englisch gestaltet. Wir finden es sehr angenehm, dass die Bewohner kein Disneyland aus ihrem Ort gemacht haben, es gibt nicht einmal ein Café, nur einen Kiosk, der Kaffee verkauft. Wir erstehen je einen und auch noch ein paar Flapjacks, die wir uns auch gleich einverleiben wollen. Leider findet sich kein freies Bänkchen, und da es gerade zu regnen begonnen hat, wollen wir uns auch nicht ins nasse Gras setzen. So verzehren wir unsere Zwischenmahlzeit im Stehen und machen, dass wir weiterkommen.

Auf dem Weg zum Biggindale beginnt es richtig zu schütten, aber was soll’s. Is’ halt England, ne?

Am Dalehead angekommen, hört es aber schon wieder auf. Als wir in Heathcote ankommen, hätten wir eine erneute Möglichkeit zur Beendigung der Tour, aber Friedel zeigt sich tapfer – Die letzten acht Kilometer nach Youlgreave will er nun auch noch schaffen.

Ursprünglich wollten wir den von Andrew McCloy vorgeschlagenen Weg durch das Gratton Dale nehmen, aber das wären dann insgesamt 31 Kilometer, das ist uns zu weit. Also geht es von Heathcote aus ein Stück über den bereits bekannten Tissington Trail und dann über kleine Nebenstraßen nach Middleton.

Regen und Sonne wechseln sich ab und es entsteht eine schöne Stimmung beim Ausblick auf das Bradford Dale. Sogar einen doppelten Regenbogen können wir über dem Tal bewundern.

Der letzte Abschnitt durch das Bradford Dale ist noch mal ganz besonders schön. Durch einen dunklen Wald geht es von Middleton aus nach unten, die Talsohle ist voll von moosigen Steinen und Mauern. Der River Bradford führt uns direkt bis nach Youlgreave hinein. Am Ende laufen wir an zwei Fischteichen vorbei, und schon sind wir im Ort.

Das Farmyard Inn ist ein Fuchsbau! Der Schankraum ist unglaublich eng und verwinkelt, aber als Residents können wir einen Tisch reservieren lassen. Selbstverständlich ist das nicht: An diesem Wochenende sind besonders viele Touristen unterwegs, denn dies ist ein Bank Holiday Weekend. Das bedeutet, dass am Montag ein Feiertag ist und dementsprechend viele Engländer an so einem Wochenende eine Kurzreise unternehmen. In der Zukunft werden wir darauf achten und rechtzeitig alles buchen, so nehmen wir uns vor.

Zum Glück hat das Farmyard Inn seine Gästezimmer in einem kleinen Anbau neben dem Hauptgebäude. So verbringen wir eine ruhige Nacht, auch wenn unser Fenster zum Parkplatz rausgeht. Nach den 27 Kilometern sind wir aber auch so erledigt, so dass wir gut schlafen! Überhaupt ist das ein sehr netter Pub, das Farmyard Inn ..

Tag 42: Little Haywood nach Rugeley

Natürlich haben wir das Bier und die Chips heute Morgen gleich bezahlt! 🙂

Wir bekommen ein wunderbares Frühstück an die Tür unseres Apartments geliefert: Frische Croissants, Brot, Käse, Wurst, O-Saft, Obst – da vermissen wir das englische Frühstück gar nicht.

Leider geht es Friedels Knien heute gar nicht gut. Er kommt kaum die Treppe aus dem Schlafzimmer herunter. Den Weg bis zum Kanal zurück schafft er ganz gut, aber die Stufen zum Treidelpfad neben dem Kanal sind auch wieder sehr schmerzhaft. Solange der Weg eben und nicht zu hubbelig ist, geht es, ansonsten verzieht er das Gesicht.

Wir beschließen also schweren Herzens, heute nur den Kanalweg bis nach Rugeley zu laufen. Dort wollen wir einen Bus oder Zug nehmen und so irgendwie nach Uttoxeter kommen. Unsere eigentliches Ziel heute wäre nämlich Uttoxeter und die Unterkunft dort ist schon gebucht. Statt der geplanten 24 Kilometer werden es heute also nur fünf.

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Der Weg am Kanal entlang ist mal wieder sehr schön, zumal die Sonne lacht. Wenn Friedel seine Knie heute schont, geht es morgen vielleicht wieder.

So bummeln wir sehr gemütlich durch die Sonne und erreichen nach ca. zwei Stunden Rugeley. Dort nehmen wir einen Bus, der uns nach Lichfield bringt. Dann einen Bus, der nach Burton-upon-Trent fährt. Dann endlich noch einen nach Uttoxeter. Zwischendurch haben wir Zeit, sowohl in Lichfield wie auch in Burton einen Kaffee zu trinken.

Es ist schon 17 Uhr, als wir in Uttoxeter ankommen. Ich habe uns in einem B&B am Ortsrand eingemietet, das im Internet wirklich gute Kritiken bekommen hat. Wir finden den Laden allerdings nur schrecklich. Die Dame am Check-In ist unfreundlich, die Zimmer sind muffig, klein und abgewohnt. Tripadvisor-Rezensenten – habt ihr sie noch alle?

Am Abend regnet es auch noch, also müssen wir im Regen und auch noch bergauf in den Ort laufen. Friedels Knien geht es gar nicht gut, also echt blöd, das wir gerade heute Abend nicht in einem Pub wohnen.

Uttoxeter ist wirklich nichts Besonderes, der Regen tut sein Übriges zu der trüben Stimmung, die der Ort auf uns macht. So gehen wir nach einem frühen Abendessen früh schlafen und hoffen, dass Friedel morgen wieder fit ist.

Tag 45: Ashbourne nach Fenny Bentley

In der Zählung haben wir zwei Tage übersprungen. Friedel kann nämlich immer noch nicht laufen und so werden wir heute wieder Bus fahren müssen. Die gestrige und die für heute vorgesehene Laufstrecke wollen wir später nachholen. Das werden dann die Tage 43 und 44 🙂

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Das Ziel für heute ist Fenny Bentley, aber dorthin fährt kein Bus. Der nächste Ort mit Busanschluss nahe Fenny Bentley ist Ashbourne, das wir normalerweise auf dem Limestone Way westlich umlaufen hätten.

Der Bus von Uttoxeter fährt tatsächlich ganz in der Nähe unserer eigentlichen Strecke vorbei und so sehen wir Rocester und Ellastone wenigstens vom Busfenster aus.

In Ashbourne nieselt es und der Ort ist eng und voller Autos. Ich hatte vorher gelesen, dass Ashbourne eine hübsche Marktstadt sein soll. Das mag stimmen, aber vor lauter Autos ist die Schönheit kaum zu erkennen, geschweige denn zu fotografieren. Viel herumlaufen können wir auch nicht, aber immerhin schafft Friedel es einmal durch den Ort.

Wir trinken also Kaffee, essen Scones und machen uns dann auf, die fünf Kilometer nach Fenny Bentley in Angriff zu nehmen.

Eigentlich wollten wir nicht über den Tissington Trail laufen. Aber Bahntracks haben den Vorteil, dass sie eben verlaufen und keine fiesen Auf- und Abstiege vorweisen. So schafft Friedel die fünf Kilometer den Umständen entsprechend ganz gut. Mittlerweile machen wir uns aber schon Sorgen, wie es weitergehen soll – Schließlich können wir nicht jeden Tag Bus fahren!

Da es aber wirklich den ganzen Tag regnet, sind wir nicht allzu traurig, dass wir bald da sind.

Das Bentley Brooks Inn ist ein wirklich gepflegter und gut geführter Laden. Als der freundliche Wirt erfährt, dass Friedel Probleme mit dem Treppensteigen hat, bekommen wir sogar ein Update ohne Aufpreis auf einen ebenerdiges größeres Zimmer. Very nice!

Noch wissen wir nicht, wie wir am nächsten Tag nach Youlgreave kommen sollen. Zwar gibt es einen Bus, aber der fährt nicht am Wochenende. Am Abend übt Friedel ein wenig das Laufen auf dem abschüssigen Parkplatz des Inns, aber es pickt noch immer gewaltig. Nun, wir werden sehen!

 

Tag 41: Penkridge nach Little Haywood

Heute Morgen pickt es Friedel im Knie. Wir messen dem aber noch keine besondere Bedeutung bei. Im Nachhinein können wir uns auch nicht erinnern, dass seine Knieprobleme den Tag groß beeinträchtigt hätten. Aber hat sich das Unglück hier schon angekündigt?

Heute erwartet uns ein „Hubbel“ im Flachland. Cannock Case ist eine „Area of Outstanding Beauty“ und erhebt sich auf 242 Meter (Umgebung: Ca. 100 Meter)!

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Zunächst führt uns der Staffordshire Way schnell aus Penkridge heraus und damit in die Wiesen und Felder der Umgebung. Zunächst geht es ein kleines Stück am Staffordshire and Worcestershire Canal entlang. Das ist mal wieder so ein richtig hübscher Kanal mit Bäumen und Hecken links und rechts und alten Hausbooten darauf. Leider müssen wir den Kanal relativ bald wieder verlassen, denn der Weg führt uns über braune Felder nach Bednall. Hin und wieder gibt es einen alten Baum zu bestaunen und dazu scheint die Sonne, also haben nichts zu meckern.

Nach Bednall überqueren wir eine A-Road und danach gehr es schon hinauf in den Cannock Chase. Wenig haben wir vorher darüber gelesen und wenig erwartet. Aber der Chase entpuppt sich als echte Schönheit – Ein Birkenwald mit Farnen und Heidekraut, hin und wieder wird der Wald unterbrochen von mit Ginster und Wacholder bestandenen Heideflächen.

Der Staffordshire Way folgt einem hübschen Längstal durch den Chase, das teilweise durch eine wüstenartige Heidelandschaft führt, aber dann auch wieder in den Wald, entlang eines hübschen, von Birken eingerahmten Baches. Zwar wird es im Chase plötzlich wieder empfindlich kalt und es beginnt sogar ein Schneeregen (Mützen raus!) aber wir genießen die fünf Kilometer durch diese wunderschöne Landschaft sehr und werden im Verlauf unserer späteren Wanderung immer wieder Gebiete mit dem Chase vergleichen: „Oh, hier sieht es aus wie im Cannock Chase!“

Die schönsten Abschnitte findet man immer dort, wo man sie am wenigsten erwartet …

Anschließend führt der Weg durch den großen Park von Shugborough Hall. Der trutzige graue Bau mit seiner riesigen Parkanlage gehört heute dem National Trust und wurde zu einer Art Vergnügungspark umgebaut. Neben dem Schloss kann man allerlei Einrichtungen besuchen, die auch mit einem Busverkehr verbunden sind: Eine Windmühle, eine Farm, eine Käserei ..

Zum Glück sind heute an diesem Mittwoch nicht viele Leute unterwegs. Nach der wilden Schönheit des Chase können wir Shugborough Park jedoch nicht viel abgewinnen und lassen den Park schnell hinter uns.

Nun treffen wir auf den River Trent und auf eine wunderschöne historische Bogenbrücke aus dem 16. Jahrhundert. Mit seine vierzehn Bögen ist die Essex Bridge die längste noch erhaltene Lastpferdebrücke in England. Sie überspannt den Trent und hatte im Original sogar vierzig Bögen. Wir machen eine Pause am grasigen Ufer des Flusses, mit Blick auf die Brücke. Da mittlerweile auch wieder die Sonne scheint, können wir uns hier richtig gut entspannen. Es ist erst 14 Uhr und bis zu unserem Ziel sind es nur noch zwei Kilometer.

Direkt neben dem River Trent verläuft auch der Trent and Mersey Canal, dem wir nun bis Little Haywood folgen. Die letzten Kilometer sind wieder allerbestes Kanal-Wandern. Der Kanal ist an dieser Stelle sehr hübsch und zahlreiche Boote fahren vorbei und die Insassen winken freundlich. Im Hintergrund des Kanals stehen die baumbestandenen Hügel vom Cannock Chase.

Unsere Unterkunft in Little Haywood ist etwas skurriler Art: Wir wohnen im Dorfladen. Beim Eintritt in den Laden klingelt eine alte Glocke und die Besitzerin führt uns in den hinteren Teil des Ladens und durch eine Tür in ein kleines Nebengebäude. Voilá – hier ist unser kleines Ferienapartment mit Küche und Wohnzimmerchen im Erdgeschoss. Das Schlafzimmer und das Badezimmer sind über eine steile Treppe zu erreichen. Das alles ist ausgesprochen hübsch renoviert und geschmackvoll dekoriert. Es gibt sogar eine Fußbodenheizung!

Wir genießen unseren „freien Nachmittag“, baden ausgiebig und lesen auf dem Sofa. Am Abend wollen wir zum Essen in den lokalen Pub. Das erweist sich aber als schwierig, weil gerade am heutigen Abend die Küche geschlossen ist. Die Gäste im Pub nennen uns aber noch einen anderen Pub etwas außerhalb des Ortes, in dem wir noch etwas zu Essen bekommen – wir können  nur zwischen zwei Gerichten wählen, aber das ist uns egal – Hauptsache etwas zwischen die Kiemen!

Zurück pickt es Friedel ganz ordentlich in den Knien. Wir schaffen es aber noch bis zum Village Store und zücken unseren Schlüssel, um quer durch den dunklen Laden zu laufen und unsere Apartment zu erreichen. Unterwegs sacken wir noch eine Packung Pringles und eine Flasche Bier ein. Really handy!

Ein Schelm, wer böses dabei denkt – natürlich bezahlen wir das am nächsten Morgen!

Tag 40: Shifnal nach Penkridge

So schlimm war’s gestern nicht. Wir wachen ohne Kater auf und freuen uns über Judys leckeres Frühstück (Mike schläft noch) .

Der heutige Tag beginnt bedeckt, aber es regnet nicht. Zunächst müssen wir auf einer Ausfallstraße aus Shifnal hinauslaufen. Die Straße ist dicht befahren und hat keinen Seitenstreifen.  Das mögen wir wirklich nicht. Wir laufen noch unter dem lauten Motorway 6 durch, aber dann ist endlich Ruhe. Hier treffen wir auf den Monarch’s Way und folgen diesem auf den nächsten acht Kilometern bis zum Boscobel House.

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An dieser Stelle ein paar Anmerkungen zum Monach’s Way: Er ist mit seinen 932 Kilometern einer der längsten Wanderwege Englands und beschreibt den ungefähren Fluchtweg des katholischen Monarchen Charles des Zweiten, als er im 1651 nach der Schlacht von Worcester nach Brighton an die Südküste Englands fliehen musste. Auf seiner Flucht versteckte er sich unter anderem im Kloster „White Ladies“ und im Boscobel-House. Das Symbol des Weges ist das Bild einer hohlen Eiche, in der er sich auf dem Boscobel-Estate vor seinen Häschern versteckt haben soll.

Teile des Monarch’s Way sind wir schon im Abschnitt 3.1 gelaufen, als wir in Somerset unterwegs waren. Wir grüßen also den Monarchen als alten Bekannten und freuen uns über das Wiedersehen. Bei der Gelegenheit fällt uns auf, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt: Fernwanderwege, die nach historischen Begebenheiten konzipiert wurden. Bei uns hätte man daraus vermutlich die „Straße der Gegenreformation“ (*hihi!*) gemacht: Eine Autostraße halt!

Viel Spektakuläres gibt es nicht zu berichten über diese acht Kilometer. Der Weg führt größtenteils über Feldwege, teilweise mit alten Bäumen bestanden. In der Ferne blinkt manch blühendes Rapsfeld, alte Zäune und Hecken stehen am Weg. Es gibt nichts Besonderes zu sehen, aber uns gefällt es trotzdem. Eigentlich hatten wir keine besonderen Erwartungen an diesen Tag – Wir haben uns immer vorgestellt, hier schnell durchzulaufen, um den Abschnitt zwischen Wenlock Edge und dem Beginn dem Peak District zu überwinden. Auf der Karte sieht der Monarch’s Way nach nix aus – aber was auf der Karte nicht eingezeichnet ist, sind die Hecken, die alten Bäume, die Zäune, der Wind …

Wer einmal durch eine ostwestfälische oder niedersächsische Agrarlandschaft gewandert ist, der weiß zu schätzen, wie lieblich die englischen Landschaften sind. So hat es wahrscheinlich auch bei uns in Deutschland ausgesehen, bevor die Flurbereinigungen der 80er-Jahre die Landschaft eingeebnet haben. Auch wenn wir den Traditionalismus der Engländer manchmal belächeln – hier gibt es noch die Liebe für’s Detail!

Ein echtes Highlight heute sind die Ruinen des alten Klosters „White Ladies“. Hübsch liegt das Gemäuer inmitten von Feldern und Wiesen, kein Mensch ist in Sicht. Hier verbringen wir eine sonnige, ruhige Mittagspause, die alten Mauern schützen uns sogar vor dem Wind und es wird richtig warm, wenn die Sonne auf die Mauern scheint.

Im Boscobel House hoffen wir auf einen Kaffee, aber leider ist es heute geschlossen. Wir können den Tudor-Bau aber von der Straße aus bewundern und statten auf jeden Fall der „Königlichen Eiche“, in der sich der flüchtende König versteckt haben soll, einen Besuch ab. Die originale Eiche steht schon einige Jahre nicht mehr, so dass wir uns mit einem gepfropften Exemplar begnügen müssen – nun ja, eine eher mittelmäßige Attraktion. Zum Glück bedeutete der Besuch keinen besonderen Umweg für uns.

Ab Boscobel House verlassen wir den Monarch’s Way, denn dieser würde uns über einen Umweg erneut nach Süden führen. Stattdessen laufen wir über die ehemalige „Black Ladies Priory“ bis zum Belvide Reservoir. „Black Ladies“ ist in einem wesentlich renovierterem Zustand als seine weiße Schwester – Als Kloster nicht mehr erkennbar, präsentiert es sich heute als stattliches Herrenhaus aus roten Ziegeln und trutziger Mauer herum. Der umliegende Wassergraben erinnert an westfälische Wasserschlösser unserer Kindheit.

Weiter laufen wir verschiedene „Public Footpaths“ bis zum Shropshire Union Canal. Hier bewundern wir wieder die Einrichtung des „Right of Way“ in England: Ist ein historischer Weg einmal auf einer Ordnance Survey Karte eingezeichnet, darf er nicht mehr gesperrt werden. So führt auch hier ein Trampelpfad quer durch das Feld, was dem Bauern vermutlich gar nicht behagt, aber er muss es dulden. Im Gegensatz dazu ist in Deutschland dieses Wegerecht viel mehr der Willkür der jeweiligen Landbesitzer ausgesetzt – Akzeptiert der Landbesitzer Spaziergänger, ist alles einfach. Ist er jedoch ein alter Miesepeter, kann er jahrhundertealte Wege unterpflügen und sperren.

Toll finden wir auch wieder, wie viele uralte und knorrige Bäume in den Wiesen stehen. Auch sie wären in Deutschland schon längst der Ökonomie einer barrierefreien Felderwirtschaft zum Opfer gefallen. Genau dafür lieben wir dieses Land, dass es sich nämlich so oft „dem Fortschritt“ widersetzt! Ob das auch für den Brexit gilt!?

Wir überqueren den Shropshire Union Canal bei Lapley und der Lapley Wood Farm. Eine Zeitlang bleiben wir auf der Brücke stehen, um den vorbeifahrenden Longboats zuzuschauen. Wenn wir mal irgendwann alt sind und nicht mehr laufen können, dann werden wir Bootsfahrer!

In Lapley ist uns an der Kirche noch eine Rast vergönnt, aber nun beginnt es zu regnen, und zwar heftig! Die letzten Kilometer hasten wir über Asphaltstraßen, bis wir total durchnässt, aber zum Glück sauber-nass Penkridge und unser Ziel, das „Littelton Arms“ erreichen. An der Bar spottet ein versoffener Stammgast über unseren Aufzug, aber der Mann hinter der Bar verzieht keine Miene. Wie selbstverständlich begleitet er uns begossene Pudel zu unserem Zimmer.

Übrigens hat der Regen fünf Minuten nach unserer Ankunft aufgehört ..

Auch das Littleton Arms ist ein angenehmer und bequemer Gasthof für uns Wanderer. Dank unserer Internetrecherche liegen wir mit der Wahl unserer Unterkünfte selten daneben. Den einen oder anderen Ausreißer gibt es schon, und das sowohl nach unten als auch nach oben. Dieses Inn ist jedenfalls solide Qualität und dennoch nicht teuer!

Tag 39: Much Wenlock nach Shifnal

Nachdem die gestrige Etappe eher lang war, möchten wir uns heute etwas schonen. Heute steht eine abwechslungsreiche, aber eher flache Etappe auf dem Plan: Zunächst der Abstieg in die Ironbridge Gorge (Schlucht des River Severn) mit der weltberühmten Iron-Bridge, dann geht es weiter über einen alten Bahntrack durch die Schlucht, immer am Fluss entlang und damit durch die Wiege der Industrialisierung. Von hier aus begann die Industrielle Revolution.

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Was wir heute Morgen jedoch noch nicht wissen: Der Abstieg in die Gorge wird ein echter „Kniekracher“. Wir gehen den Weg hier zu schnell, so dass Friedel sein Knie überlasten wird und für ein paar Tage ausfällt. Aber heute Morgen wissen wir das noch nicht! 🙂

In Much Wenlock nehmen wir uns zunächst ein wenig Zeit für das sehenswerte Fachwerk-Örtchen. Besonders prächtig ist die alte Gilden-Halle, deren Interieur wir aber zu unserer frühen Stunde nur durch das Fenster betrachten können. Geschlossen ist auch noch das Kloster der heiligen Milburga, wir sehen nur die Mauern der äußeren Einfassung. Das ist sehr ärgerlich, aber so geht es uns häufig – Wir sind oft einfach schon zu früh unterwegs, um die kulturellen Highlights am Weg mitzunehmen. Heute sind wir sogar schon um halb neun gestartet. Wir überlegen ernsthaft, ob wir noch bis zehn Uhr warten sollen, bis das Kloster seine Pforten öffnet – Aber dann siegt die Wanderlust in uns. Also auf zur Severn-Schlucht!

Unser Weg heute ist wieder der Shropshire Way. Wir werden ihm bis zur Iron-Bridge folgen.

Zunächst geht es wieder über Wiesen und Weiden bis Benthall Edge, also zum Rand der Schlucht. Heute Morgen ist es bedeckt, aber es regnet nicht. Unterwegs begegnen wir vor allem vielen Schafen und einigen alten Bäumen.

Die Schlucht und den Wald erreichen wir gegen zehn Uhr, und nun beginnt der steile Abstieg in die Ironbridge Gorge. Den Leser mag es verwirren: Die Severn-Schlucht (Severn Gorge) wurde in Ironbridge George umbenannt, als das komplette Gebiet eine Unesco-Weltkulturerbestätte wurde. Der Ort neben der Iron Bridge heißt Ironbridge. Alles klar?

Jedenfalls haben es die 150 Meter Abstieg in sich. Beim Abstieg durch den Wald bieten sich trotzdem immer wieder Blicke auf die vier Kühltürme des  Atomkraftwerks, das am Rand der Schlucht liegt. Riesendinger – ähhh … befremdlich.

Der River Severn – diesem längsten Fluss Großbritanniens sind wir schon mehrmals begegnet. Auf unserer Somerset Tour (Abschnitt 3.1) haben wir den Fluss bereits an seinem Ende mit dem „Second Severn Crossing“ überquert. Aber das erste Mal sind wir ihm nahe seines Ursprungs bei Llanbrynmair begegnet: Hier waren wir 2014 bei unserer Offa’s Dyke / Glyndwr’s Way-Tour unterwegs. Nahe des Ursprungs haben wir zwei wunderbare Tage bei Peter auf seiner Cwmbiga-Farm erlebt. Highly recommended! 🙂

Bei unserer Ankunft im Tal erwartet uns schlechtes Wetter. Die Iron Bridge im Regen – aber was ist so besonderes an dieser Brücke? Nun ja … wenn man es nicht wüsste, würde man es kaum bemerken: Es handelt sich hier um die älteste gusseiserne Brücke der Welt! Vorher gab’s nur Holzbrücken. 1779 war die Einweihung. Aber warum wurde das ganze Tal zum Weltkulturerbe? Großbritannien war damals die vorherrschende Industrienation weltweit. Diese Brücke symbolisiert die Vorherrschaft Englands bei der Industrialisierung weltweit – und wir würden behaupten, dass Großbritannien bis heute von diesem Ruhm zehrt :-).

Im Tal finden sich weitere Relikte des Beginns des Industriezeitalters: Kalköfen, Stollen, uralte Transportbahnen. Als wir hinter dem Ort Ironbridge (der Ort hat einige nette Cafés) auf einem alten Bahntrack dem River Severn folgen, treffen wir auf zahlreiche Relikte der alten Industrie. Wir sind schwer davon beeindruckt, denn von hier aus hat das moderne Zeitalter begonnen – und hat unserer Meinung nach die Welt mehr verändert als jedes andere …

Im Verlauf unsere Reise werden wir besonders in Nordengland auf weitere Stationen der Industrialisierung treffen: Nach der Gewinnung von Rohstoffen in der Severn-Schlucht folgte die Einführung von Dampfmaschinen, die Errichtung von mechanischen Webstühlen, die Suche nach Rohstoffen in Cornwall (siehe Abschnitt 1) und anderen Teilen der Welt …

Als wir die Severn Bridge verlassen, müssen wir uns Regenjacken überwerfen. Aber nicht zu lang – Der Regen dauert nicht an. Schon bald scheint die Sonne wieder, und auch die Temperaturen steigen!

Ab Ironbridge folgen wir ca. 2,5 Kilometer dem Severn Way, allerdings nur bis zu einer Fußgängerbrücke beim „Tar Tunnel“, wo wir den Fluss überqueren. Wir besuchen den Tunnel nicht, weil uns bis heute nicht einleuchtet, was die Besonderheit einer Sehenswürdigkeit darstellen soll, bei der Besucher mit einem speziellen Schutzhelm ausgestattet werden, der sie vor dem massiven Teer-Regen von oben beschützen soll .. nun ja ..

Die Außenanlagen nahe des Tunnels sind (heutzutage) sehr hübsch. Ein Fähranleger führt zu alten Gleisanlagen, deren Schienen verbogen nach oben zu einem alten Stollen führen. Wir steigen neben den Gleisen nach oben – what goes down, must go up! Allerdings geht es auf dem „Monarch’s Way“ nur circa einhundert Meter hoch. Oben verirren wir uns erst mal im Gewirr der Fußpfade. Da wir aber mittlerweile die tolle App von Ordnance Survey haben, finden wir Weg und Richtung im Nu.

Der Monarch’s Way führt und zunächst durch ein Waldgebiet und dann am Rande eines Golfplatzes zu einer Straße. Diese sieht auf der Karte relativ harmlos aus, entpuppt sich in der Realität jedoch als recht dicht befahren. Wir sind froh, dass wir sie in Brockton verlassen können. Brockton selbst entpuppt sich als Ansammlung einiger hübscher und gepflegter Herrenhäuser.

In Kemberton mache wir Rast an der alten Kirche aus dem 18. Jahrhundert. Aus der Perspektive von Wanderern schätzen wir Kirchen und ihre Friedhöfe besonders: Fast immer findet sich auf dem Kirchhof eine hübsche Bank und eine ruhige Rastmöglichkeit, inklusive hübscher Fotomotive für Friedel.

Nach Kemberton folgen wir dem Monarch’s Way bis zur alten Mühle, wo wir nach links in einen namenlosen Public Footpath abbiegen. Der Weg folgt dem Wesley Brooke nach bis Sunnyside: Ein hübsches Stück Weg, vor allem im nachmittäglichen Sonnenschein. Es geht durch Wiesen und durch irgendwelches hübsches Dickicht, leider kennen wir die Pflanzennamen nicht. Bei Sunnyside geht es wieder bergauf. Da wir noch nicht ausgelastet sind, machen wir eine Pause auf dem Lodge Hill, 114 Meter hoch, aber hübsch windig!

Nun geht es nach Shifnal. Den Ort haben wir allein aufgrund seiner Übernachtungsmöglichkeiten gewählt und er verfügt über keine Sehenswürdigkeiten. Wir kommen in der Anvil Lodge unter, einem B&B mit Pub-Anschluss, Die Besitzer betreiben das alte Anvil Inn sozusagen noch als Hobby, servieren aber kein Essen. Die Zimmer sind groß, schön und modern und wir haben gaaaar nix zu meckern!

Am Abend essen wir in einem Pub irgendwo auf der Highstreet von Shifnal. Dieser ist nicht der Rede wert, das Essen und das Ambiente sind eher schlecht. Ich glaube – nein ich weiß – es war das Wheatsheaf Inn … Egal, es füllt den Magen und Friedel und ich sind nicht besonders anspruchsvoll, wenn der Preis stimmt. Zu einem Absacker gehen wir noch ins Anvil Inn, zu unserem „Gastvater“ Mike. Der erklärt Friedel und mir dann auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Biersorten. Wir probieren verschiedene Varianten von Bier und auch von Cider, die uns Mike empfiehlt, und kommen mit diversen „Locals“ ins Gespräch. Am Ende landen wir mehr oder weniger angeschiggert und glücklich in unserem naheliegenden Bett. Auch wen Shifnal „kulturell“ nicht viel zu bieten hat – Wir mögen es!

Tag 38: Craven Arms nach Much Wenlock

Am Vorabend sind wir gegen 20:30 Uhr in Craven Arms angekommen. Von Manchester haben wir direkt einen Zug genommen und mussten nur einmal in Creve umsteigen. Im Dezember sind wir schon mal nach Manchester geflogen, um die Weihnachtsferien im Lake District zu verbringen. Bei der Gelegenheit hatten wir die Stadt schon besichtigt.

Um einen lückenlosen Anschluss von der letzten Etappe, dem Offa’s Dyke in Knighton zu gewährleisten, hätten wir eigentlich in Knighton starten müssen. Aber dorthin wären wir so spät am Samstag nicht mehr gekommen. Da wir später den Offa’s Dyke auch noch zu Ende laufen wollen, werden wir ein anderes Mal die 20-Kilometer-Strecke von Craven Arms nach Knighton wandern – Vorerst geht es nach Nordosten!

Das Stokesay Inn in Craven Arms ist ein eine typische Pub-Unterkunft: Das Zimmer ist groß und bequem, und Abendessen, Ale und Frühstück sind somit garantiert: Ein guter Start!

 

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Da das Frühstück erst um acht Uhr serviert wird, stehen wir am Morgen früh auf und statten noch vor dem Frühstück dem naheliegenden Stokesay Castle einen Besuch ab. Natürlich ist das Castle geschlossen, aber dafür haben wir es für uns allein! Im Frühlicht zwischen sieben Uhr und halb acht gelingen uns ein paar schöne Aufnahmen, auch der Friedhof neben dem Castle ist sehr hübsch. Das mag auch daran liegen, dass gleich am Morgen schon die Sonne lacht, und die Frühsonne ist für Fotos ja oft am schönsten.

Schon um neun Uhr sind wir auf dem Weg nach Wenlock Edge. Shropshire ist im Westen an der Grenze zu Wales eher bergig, wird jedoch in Richtung Osten immer flacher, bis es in das flache Gebiet der Midlands übergeht. Wenlock Edge ist eine Hügelkette, die weit bis in das Flachland hineinragt: Für uns die Gelegenheit, die Kilometer durch das nachfolgende eher unattraktive Flachland möglichst gering zu halten. Unser Ziel für heute ist Much Wenlock, das am Ende dieser Hügelkette liegt.

Als wir loslaufen, ist es noch „crisp“, wie der Engländer sagen wurde: Frisch. Der Frühling hier ist im Vergleich zu Deutschland mindestens zwei Wochen zurück. Mützenwetter!

Bis zum Weiler Strefford laufen wir auf unmarkierten öffentlichen Wegen in der Nähe des River Onny entlang. Hier entdecken wir schon, was uns in den Midlands insgesamt begeistert wird: Alte Bäume! Wir laufen über Wiesen den Fluss entlang, und immer wieder sehen wir alte Baumriesen – in Deutschland hätte man sie schon längst gefällt, weil sie im Weg rumstehn!

In Strefford geht es hoch, aber nicht zu arg. Circa 150 Meter „erhebt“ sich Wenlock Edge über die umgebende Landschaft. Genug, um einen grandiosen Ausblick zu beiden Seiten zu liefern. Außerdem ist hier Bluebell-Country: Das „Kleine Hasenglöckchen“ steht in Massen zwischen den Bäumen. Dank einer Website, die alle wichtigen Standorte des Hasenglöckchens in England aufführt, hat sich Steffi auch schon reichlich darauf gefreut und wird nicht enttäuscht!

Der Weg, auf den wir hier oben treffen, ist der Shropshire Way. Ihm werden wir im Verlauf des Tages größtenteils folgen, aber auch hin und wieder auf den Jack-Mytton-Way ausweichen, wenn uns dieser attraktiver erscheint.

Links und rechts des Weges öffnet sich die Landschaft vor uns, Wiesen, Hecken, Hügel. Rechts geht der Blick in die Ferne, bis auf die farnbestandenen Hügel des Long Mynd, rechts auf den Brown Klee Hill. Da die Bäume noch wenig belaubt sind, ist der Ausblick grandios.

 

 

 

 

 

 

Im Laufe des Vormittags wird es richtig warm, so dass wir gegen elf Uhr schon die erste Teepause im Sonnenlicht abhalten können. Gegen 14 Uhr kommen wir am Wilderhope Manor an, einem alten Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert, das nun als Jugendherberge genutzt wird. Der Bau ist trotz der öffentlichen Nutzung noch immer prächtig, und obwohl die Jugendherberge eigentlich erst wieder gegen Abend aufmacht, bekommen wir einen Kaffee und zwei Twix. Obwohl hier eigentlich Selbstbedienung angesagt ist, bekommen wir als ehrenhafte Wanderer den Kaffe sogar serviert! Wir genießen eine halbe Stunde im Sonnenlicht auf der Terrasse und führen noch ein nettes Gespräch mit dem Herbergsvater. Vielleicht sollten wir hin und wieder mal in einer Jugendherberge übernachten?

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag folgen wir ab Wilderhope Manor größtenteils dem Jack Mytton Way, der auf einem alten Bahntrack verläuft. Wir laufen gern auf Bahntracks: Sie sind größtenteils ebenerdig, es ist historisches Gelände und es gibt allerhand Abwechslungsreiches zu bestaunen, wie zum Beispiel alte Brücken, Bahnwärterhäuschen, alte Bahnhöfe .. ähnlich interessant sind auch Wege an Kanälen entlang 🙂

Von Wilderhope Manor bis nach Much Wenlock sind es noch mal knapp zwölf Kilometer, aber auf diesem angenehmen Untergrund ist das kein Problem. Gegen Abend gibt es kurz vor unserem Ziel noch tolle Ausblicke im goldenen Abendlicht in Richtung Nord.

 

 

 

 

Wir übernachten im Gaskell Arms, einem der drei größeren Gasthöfe in Much Wenlock. Der Gasthof wirkt konservativ-gediegen, mit einem hübschen Biergarten im Hof, in dem wir gegen 17:30 Uhr unser Willkommens-Ale trinken. Heute war ein langer Wandertag zum Einstieg, aber dank des angenehmen Geländes und des schönen Wetters haben wir ihn grandios gemeistert!

 

 

 

 

 

Ausrüstungsliste

Jedes Gramm zählt!

Basis-Wanderausrüstung, immer dabei Steffi (g) Friedel (g)
Rucksack Lightwave 60 Liter 1180 1470
Regenhülle Rucksack 100 100
Regenjacke Montane Minimus 253 229
Regenhose (No Name/Montane Minimus) 243 152
Softshell Arcteryx Atom LT 344 366
Windbreaker Montane Featherlight 100 102
Wechselschuhe Brooks/Asics 594 724
Wollunterhemd 74 105
Kurzarm-Wollshirt 120 174
Langarm-Wollshirt 190 252
Leggings Wolle Icebreaker 146 192
2 Paar Wollsocken 70 105
2 Unterhosen Wolle 52 88
BH 34
Ersatzhose lang 306 330
je 2 wasserdichte Packsäcke STS Ultra Sil 32 32
Gamaschen Outdoor Research 189 216
Waschbeutel/Sonnenmilch/Mückenmittel 238
Thermosflasche Alfi 500
Handy u. Ersatzakku 169 174
Erste-Hilfe-Pack und Medikamente 246
Taschentücher (4 Packungen) 100
Opinel-Messer 47
Kleiderbürste 52
regendichte Socken Sealskinzz 82 90
regendichte Fingerhandschuhe 87 102
Schaltuch 54 54
Kompass 61
Mütze/Hut 54 59
Sitzmatten 64
Powerbank und Ladekabel 394
Fotoausrüstung 1500
Externe Tastatur 170
Ersatzbrille 52
Ausweis/Geld/Tickets/Karten/Bankkarten 150 50
5855 7358
Camping-Equipment
Zelt MSR Carbon Reflex 3 1146
Zelt-Unterlage Tyvek 226
Therm-a-Rest Neo Air Luftmatratze 340 340
Schlafsack Black Bear Colibri 880 880
Stabiler Packsack 4 Seasons für Schlafsack 116 116
Thermo-Inlay Sea to Summit 257 274
Kocher Trail Designs Caldera m. Trangia-Brenner 185
sturmsichere Streichhölzer u. Feuerzeug 50
2 Töpfe Evernew 1,3 Liter Titan 280
2 Löffel Titan 30
2 Plastik-Becher (Ikea) 120
3 Falt-Wasserflaschen Sawyer, zus. 6 Liter 108
Sawyer Straw-Filter und Flasche 194
Kopflampe inkl. Batterien 96 57
Handtuch 110 139
2 halbe Waschlappen 30
Klopapier 35 35
Reparatur-Klebestreifen 40
kleine Schaufel 35
Mückennetz für Kopf Sea to Summit 25 25
2891 3278
nicht berücksichtigt:
Kleidung am Körper
Proviant (ca. 800g pro Tag u. Person)
Spiritus für Kocher
Tee in der Thermoskanne
je ein Trekkingstock

 

Ausrüstung

Natürlich ist es etwas anderes, ob man mit dem Zelt unterwegs ist oder in B&Bs oder Hotels übernachtet. So oder so ist es wichtig, dass man Gewicht spart und damit seine Knochen und Bänder schont.

Früher haben wir nicht geglaubt, wie wichtig es ist, jeden Gegenstand auszuwiegen. Lehrgeld mussten wir zahlen, als wir vor Jahren in Deutschland eine Wander- und Campingtour unternahmen und plötzlich nur zwei Drittel der Kilometer schafften, die wir sonst ohne Gepäck gelaufen wären. Dabei hatten wir wirklich echte Markenartikel dabei: Hilleberg-Zelt, Trangia-Kocher, Ajungilak-Schlafsäcke ..

In den letzten Jahren hat sich in in Deutschland die „Ultralight“-Gemeinde formiert: Wanderer, die vor allem auf die Reduzierung von Gewicht achten und damit zwangsläufig auf Bequemlichkeit und auch auf Langlebigkeit des Equipments verzichten. Als Inspirationsquelle sollt man einfach mal den Begriff „Trekking Ultralight“ googeln und man kommt auf jede Menge interessante Seiten.

Wir haben uns mit dem Thema intensiv beschäftigt und im Verlauf unserer Wanderungen verschiedene Änderungen vorgenommen, sprich Produkte ausgetauscht und/oder darauf verzichtet. Dabei schleppen wir unser Gepäck stets selbst und haben es nie von Gepäck-Transportdiensten herumfahren lassen. So tragen wir mittlerweile nur noch fünf bis sechs Kilo Ausrüstung auf dem Rücken, wenn wir in B&Bs und Hotels übernachten. Dazu kommt bei Friedel noch die Fotoausrüstung, die ca. zwei Kilo wiegt, Proviant und Wasser. Echtes Ultralight-Wandern ist das nicht, aber „Light“ könnte man es nennen.

Wenn man in B&Bs oder Inns übernachtet, kann man natürlich mit weniger Kilo auskommen, als wenn man zeltet. Trotzdem kann man auch hier ordentlich Gewicht sparen, wenn man vor allem auf Kleidung verzichtet. Ein Satz Kleidung für Tagsüber als „Arbeitsklamotten“ und ein Satz Ersatzkleidung bzw. „Abendgarderobe“ ist genug! Man muss halt zwischendurch mal die Sachen mit der Hand waschen, dabei ist schnell trocknende Kleidung extrem nützlich.

Wir haben im Laufe der Zeit Merinowolle sehr zu schätzen gelernt. Sie stinkt nicht so schnell und trocknet auch schneller als Baumwolle. Bei der Sportkleidung aus Merinowolle gibt es teurere und weniger teurere Marken, aber was das Waschverhalten angeht, haben wir eine namhafte neuseeländische Marke sehr zu schätzen gelernt! 🙂 Mittlerweile haben wir kaum noch „Funktionskleidung“ dabei, weil sie unserer Meinung nach mit den Eigenschaften der Wolle nicht mithalten kann.

Die Regenkleidung ist ein weiteres wichtiges Thema: Bisher hatten wir in GB so ein Glück mit dem Wetter, dass wir unsere Regenkleidung wenig gebraucht haben. Auf dem Pennine Way sind Gamaschen wegen des Spritzwassers auf jeden Fall nützlich, auch um die Beinkleider zu schützen, die muss man dann nicht waschen. Friedel verzichtet seit Neuestem komplett auf Regenhose und Regenjacke (und Rucksackhülle) und läuft stattdessen nur mit Regenponcho und Gamaschen. Steffi hingegen bekommt bei dem Gedanken an einen Poncho das kalte Grausen: Zum einen sieht das echt lächerlich aus und THE HELM und andere starke Winde werden sie mit mit einem Poncho über den Grat wehen, so befürchtet sie und schwört weiterhin auf ihre „Montane“-Jacke und Hose.

Auch bei den Rucksäcken lässt sich einiges an Gewicht sparen. Während unsere alten Lowe-Rucksäcke über zwei Kilo wiegen, bringen unsere Golites weniger als ein Kilo auf die Waage. Die sind Friedel aber nicht stabil genug, obwohl er sie mit einer leichten Holzleiste im Rücken verstärkt hat. So läuft er mittlerweile mit einem Lightwave Wildtreck durch die Gegend, der wiegt immerhin noch knapp ein Kilo weniger als ein traditioneller Rucksack.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Waschbeutel: In GB stellen die meisten Unterkünfte Duschgel und Shampoo zur Verfügung, aber die Qualität ist nicht immer gut. Wir benutzen das Shampoo in den Unterkünften auf jeden Fall zum Wäschewaschen, Waschpulver nehmen wir also nicht mit. Es reichen ansonsten Kleinpackungen: Die gute Ajona-Zahncreme, eine kleine Packung des favorisierten Shampoos, Zahnbürste, etwas Salbe für trockene Haut, Zahnseide, Bürste. Mehr braucht man nicht. Man schwitzt sowieso und duscht am Abend, also wozu braucht man ein Deo? Meiner Erfahrung nach passieren viele Fehler schon beim Waschbeutel: Mein Gott, was haben Freunde auf Wandertouren nicht alles mit sich herum geschleppt! Wirklich kein Witz: Eine Wanderpartnerin hatte vor ein paar Jahren sogar einen Fön dabei!

Ein besonderes Experiment stellt seit den Pennines unser Schuhwerk dar. Während wir die ersten Abschnitte mit klassischen Wanderboots (Gore-Tex) gelaufen sind, waren wir davon zusehends enttäuscht. Nach zwei Urlauben haben die Membrane nicht mehr dichtgehalten und wir hatten nasse, schwere Füße. Den Pennine Way sind wir deshalb das erst Mal mit Trailrunners gelaufen, und waren begeistert. Die Sportschuhe wiegen deutlich weniger, angenehmer ist auch das Laufverhalten. In Kombination mit wasserdichten Socken (Sealskinz) halten sie auch längere Zeit das Wasser ab, aber irgendwann geraten auch die Socken an ihre Grenzen. Deshalb haben wir seit Neuestem noch ein zweites Paar Trailrunners mit Goretex dabei. Die sind zwar ein wenig schwerer als andere „Abendschuhe“, aber den Luxus gönnen wir uns. Definitiv sind die Trailrunners wesentlich leichter am Fuß. Es ist unglaublich, wie viel das ausmacht: Plötzlich springen wir leichtfüßig von Bult zu Bult!

Warum wir jedoch in den Augen aller Ultralight-Fans für immer durchfallen werden: Wir schleppen auf jeder Tour unsere Alfi-Thermoskanne mit. Die wiegt allein ohne Inhalt 500 Gramm, aber unserer Meinung nach gibt es nichts Schöneres, als in der Kälte einen warmen Tee zu schlürfen. Nie und nimmer werden wir darauf verzichten!

Immer wieder fragen uns Freunde und Wanderinteressierte, warum wir nicht zelten. Nun, dann müssten wir halt wesentlich mehr Equipment mit uns herumschleppen und hätten es weniger bequem. Und kein Ale am Abend. Allerdings wird sich dies auf den letzten zwei Etappen unseres Weges (Cape Wrath Trail) nicht mehr vermeiden lassen. Deshalb experimentieren wir schon jetzt mit verschiedenen Ausrüstungsgegenständen und wollen dabei Gewicht und Bequemlichkeit abwägen. Als wir 2009 in den Cairngorms unterwegs waren, haben wir gemerkt, dass Steffi eine echte Frostbeule ist, aber wir waren auch froh, dass unser Hilleberg-Zelt dem Schnee (im August!!) getrotzt hat. Ließe sich dieses auch z.B. durch ein Tarp ersetzen?

Im Moment gehen die Überlegungen in die Richtung Tarp versus Zelt, wärmerer Schlafsack versus Biwaksack und Notkocher versus Trangia. Wir werden euch auf dem Laufenden halten!

Abschnitt 4: Die Midlands und White Peak

Wir freuen uns, dass wir dieses Mal nach Manchester fliegen können: Seit kurzem bietet Ryanair einen (fast) täglichen Direktflug von Stuttgart nach Manchester an. Midlands, wir kommen!

Über die Wegführung dieser Tour freuen wir uns besonders: Dieses Mal folgen wir keinem markierten Weg, sondern haben uns – wie auch schon in Somerset (Abschnitt 3) –  den Weg aus verschiedenen lokalen Wanderwegen zusammengebastelt. Hierbei galt es, einen attraktiven Weg durch das eher langweilige Flachland zwischen Wales und dem Peak District zu finden.

Unsere Tour führt uns dieses Mal also durch das hügelige Shropshire über Wenlock Edge und die Ironbridge-Schlucht, dann durch das Flachland bis zum Cannock Chase, einer hügeligen „Area of Outstanding Beauty“. Von dort aus wandern wir entlang des Trent-and-Mersey Canal bis nach Rugeley.

Hier hätten uns nun zwei Tage Weg durch das Flachland erwartet, aber leider hat Friedel Knieprobleme und wir fahren stattdessen mit dem Bus bis nach Ashbourne.

Hier erwarten uns der Peak District (White Peak) und die Kalkstein-Berge Süd-Yorkshires. Wir hoffen auf eine abwechslungsreiche Tour durch verschiedene Landschaften und werden am Ende der Tour bei Marsden auf den legendären Pennine Way treffen.

Fazit nach der Tour: Insgesamt war die Tour sehr abwechslungsreich und wir waren sehr zufrieden mit unserer Wegführung. Die drei ausgelassenen Tage wollen wir jedoch später nachholen …

Tag 92: Kenmore nach Aberfeldy

Carla kann nicht mehr. Sie hat heute so große Schmerzen im Fuß, dass sie beschließt, mit dem Taxi nach Aberfeldy zu fahren. Friedel und ich werden heute also komplett alleine unterwegs sein.

Wir müssen heute den gleichen Weg wieder hinauf, den wir gestern heruntergestiegen sind. Das heißt, dass wir gleich am Morgen 200 Meter aufsteigen müssen. Das schaffen wir inzwischen ganz locker, aber am Anfang der Tour hätten wir  hier schon ganz schön geschnauft.

Am Tombuie Cottage biegt der RRW nach links ab, es geht durch Wiesen bis zu einem kleinen See. Hier sind auf der Karte viele „Cup and Ring-marked Stones“ eingezeichnet, also besondere Steine, die prähistorische Gravuren oder Ringe aus prähistorischer Zeit aufweisen sollen. Heute haben wir Zeit, da können wir ja mal ein wenig danach suchen. Wir laufen bergauf und bergab, grasen alle Steine in einem Ein-Quadratkilometer-Arreal ab, und finden – nichts! Entweder wir sind blind oder ignorant oder nur Experten erkennen die typischen Furchen? Einige Male ruft mich Friedel zu sich: Er meint, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ich jedoch winke nur müde ab.

Allein die Diskussion war schon lustig! Ist ein „cup marked stone“ auf der Oberseite markiert (Steffis Ansicht) oder ist er einfach irgendwo mit einer „cup“ markiert (meine Meinung)? Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen…wie wir später auf einer Schautafel gelesen haben, sind es Steine, mit künstlichen Vertiefungen (cups) markiert. Diese sind im Perthshire besonders häufig zu finden.

Die ganze Aktion hat uns etwas von der Originalroute entfernt. So beschließen wir, eine Alternativroute durch einen Wald zu nehmen. Der Weg führt uns nach einem Gatter (das mit Schnüren gesichert ist und das wir aufwändig auf- und dann wieder zuknoten müssen) in einen dichten Wald, in dem sich Hänsel und Gretel sofort verirren würden. Ätsch, wir haben Navi, hähä!

Aber auf dem Gatter ist ein sehr verblichenes Warnschild, das wir nur mit Mühe entziffern können: Vorsicht vor einem wilden Keiler – insbesondere Hunde und Kleinkinder sind extrem gefährdet! Wild Boar! Das macht den Finsterwald nun wirklich finster!

Am Ende landen wir wie geplant auf einem Waldweg, der extrem von Forstfahrzeugen eingeschnitten wurde. So etwas aber wir noch nicht gesehen: Furchen so tief wie Steffi! Das ganze natürlich auch noch extrem matschig, denn sonst würde es solche Furchen gar nicht geben. Der kleine Abschnitt von vielleicht einem Kilometer (bei dem wir abwechselnd in die Furchen hinein hüpfen, in der Mitte balancierten oder uns an der Seite durch das Dickicht schlagen) kostet uns fast eine Dreiviertelstunde, aber was soll’s! Wir haben ja Zeit heute, gell?

Einmal zurück auf dem RRW, wird es auch nicht schöner, nur bequemer. Waldarbeiter haben eine brachiale Schotterschneise in den Wald geschlagen. Das wird Jahre dauern, bis die halbwegs „eingewachsen“ sein wird. Hässlich, hässlich, hässlich! Das wird wohl mal eine richtige Strasse. Egal, was sollen wir machen. Augen zu und durch. Hätte es sowas auch auf dem West Highland Way gegeben?

Der folgende Abschnitt bietet immer wieder weite Blicke in das Tal des Tays hinunter und zurück zum Loch Tay. Von Weitem sehen wir erneut das trutzige Taymouth Castle.

Unglaublich, dass das ganze Areal jemandem gehört, der das alles sogar pflegen lässt, aber dort nicht wohnt. Eventuell soll dort ein Luxus-Hotel entstehen. Da müsste sich dann aber das Kenmore Hotel ordentlich anstrengen! 🙂

Wir glauben, am Weg einige Kaledonische Kiefern zu sehen. Sind sie es, oder sind sie es nicht? Seit unserer Wandertour durch das Glen Affric (berühmt für seine großen Bestände der für Schottland besonderen Kierfernart) ist ja schon einige Zeit vergangen. Zehn Jahre? Wir sind nicht sicher, ob wie den pinienartigen Baum wieder erkennen. Der Berg, der uns auf unserer heutigen Tour begleitet, ist der Schihallion. Mit seinen prächtigen 1083 Metern und seiner Alleinstellung in Bezug auf die umliegenden Hügelchen wirkt er imposanter als z.B. der Ben Ledi.

In der Mittagspause isst Steffi einen Müsliriegel aus dem Bio-Laden in Killin, der ihr nicht bekommt.  Dazu muss gesagt werden, dass sie hoch allergisch auf Erdnüsse reagiert, aber die Zutatenliste nicht gut gelesen hat. Da steht fett drauf, dass der Riegel 14 (in Worten: vierzehn!) Prozent Erdnüsse enthält. Sie haut sich zwei Pillen Anti-Histamine rein und hält tapfer durch bis Upper Farrochil. Da müssen wir eine Pause machen, Steffi haut sich ins Gras und würgt und jammert eine Runde.

Nachdem das Gesicht abgeschwollen ist, kann es lustig weiter gehen. Steffi hofft, dass es ihr bis zu den Birks of Aberfeldy wieder besser geht, denn darauf hat sie sich den ganzen Tag schon gefreut. In der Tat ist der Weg von Farrochil bis zu den Birks schon sehr schön: Eine Ebene ist bestanden mit lichten, hellgrünen Birken, dazu leuchtet in diversen Schattierungen lindgrünes Gras und von Moos überwucherte Baumstümpfe. Die Bäume sind mit hängenden Flechten überzogen. Kurz vor den Birks kommt im Tal das Menzies Castle in Sicht. Das würden wir auch gern besichtigen, aber es liegt leider nicht auf dem Weg.

Die Birks of Aberfeldy sind dann wirklich sehr beeindruckend: Durch die Schlucht des Moness Burn führt der Weg an verschiedenen Wasserfällen vorbei, einer schöner als der andere. Vor lauter „Ahs“ und „Ohs“ kommen wir kaum weiter. Nach jeder Wegbiegung wartet ein neuer Wasserfall, aber nicht vom Moness-Burn, sondern von diversen Bächen, die von den Seiten in das Tal fließen. Die eine laufen über Mooskissen steil in einem Schwall nach unten, die anderen plätschern von Becken zu Becken ins Tal. Aus der einen Touristenattraktion könnte man glatt vier machen!

Schön ist, dass wir außer einem älteren Ehepaar niemanden treffen. Wie voll muss das hier an Juli-Wochenenden sein!

Vor dem Ortseingang Aberfeldys hat die Gemeinde einen „Ring-marked Stone“ inklusive Infotafel ausgestellt. Ahaaa! Nun wissen wir, wie die aussehen sollen! Wir haben ja heute trotz aller Anstrengungen keinen gefunden.

Sei’s drum. In Aberfeldy treffen wir Carla am Marktplatz. Sie hat natürlich schon eingecheckt und wartet auf uns. Die Tapfere hat sich heute allein ebenfalls in die Birks geschleppt und ist das gesamte Tal von unten bis oben uns wieder zurück gelaufen.

Das Shiehallion-Hotel, in dem wir absteigen, ist gut und günstig. Die Zimmer sind sehr groß und schön, das Bad ist fürstlich. Allerdings gefällt uns das bistro-artige Restaurant des Hotels nicht so gut. Auf jeden Fall würden wir den Laden in unserem eigenen Bewertungssystem als „solide Mittelklasse“ bewerten.

Heute Abend unternehmen wir keine Extra-Ausflüge mehr, denn Steffi ist durch die Antihistamine ein wenig aus dem Takt geraten. Morgen ist dann ein neuer Tag!

Tag 91: Ardtalnaig nach Kenmore

Ab jetzt wird’s ausgesprochen geruhsam: Keinen Tag mit mehr als 15 Kilometern! Aber jetzt mal ganz ehrlich: Friedel und ich sind gerade richtig gut eingelaufen – von uns aus könnte es jetzt richtig losgehen! Auf der anderen Seite geht es Carla zunehmend schlechter. Heute wird sie noch halbwegs durchhalten – jedoch zu welchem Preis?

Zunächst erwartet uns heute morgen ein fürstliches Frühstück: Rosemary bringt uns einen Frühstückskorb mit diversen Köstlichkeiten, die wir bestellt haben. Zwar ist dies kein gekochtes schottisches Frühstück, aber gut genug für den Start in unseren heute eher gemütlichen Tag.

Carla hat tatsächlich erwogen, heute ein Taxi zu nehmen. Doch sie entschließt sich, mit uns zu laufen, jedenfalls bis Acharn. In Acharn trennen wir uns heute erneut. Carla läuft weiter die Straße entlang nach Kenmore, wir folgen dem Schlenker des RWW über die Falls of Acharn. Es wird sich lohnen!

Wir lieben diese kleinen Umwege, die der RRW einbaut: Wenn es auch mitunter sinnlos anmutet, eine Straße zu verlassen und sich den Berg hoch zu schlagen, nur um ein paar Kilometer weiter wieder auf dieselbe Straße zu treffen – Das macht den Weg gerade reizvoll!

Es fällt uns heute schwer, Carla wieder alleine zu lassen. Jedoch sind die Falls of Acharn ausgesprochen lohnenswert. Zuerst treffen wir auf die „Hermits Cave“, einen Durchgang durch den Fels, der an seinem einen wunderschönen Blick auf die Fälle gewährt – Danach führt ein hübscher Rundweg bis zu einem Ausblick oberhalb der Fälle. Eigentlich sind die Fälle nur ein Fall, aber dieser ist ziemlich hoch! Was uns besonders gefällt: Niemand außer uns ist hier an diesem Dienstagmittag unterwegs …

Anschließend führt uns der Weg über offene Wiesen immer oberhalb des Loch Tays entlang. Immer wieder gibt es schöne Ausblicke zu genießen. Bei Balmacnoughton gibt es ein Ereignis, das uns stark in Erinnerung bleiben wird: Hier wird Steffi heute zur Schaf-Heldin! Als wir den Weg schnatternd und mit den Stöcken schlagend entlang gehen, geraten einige Schafe in Panik: Ein Muttertier wird von seinem Lamm getrennt und letzteres verfängt sich in einem Zaun. Es zappelt und zappelt, aber kann sich nicht befreien. Noch schlimmer: Bei dem Versuch, seiner Mutter zu folgen, verstrickt es sich immer mehr mit dem Kopf im Zaun und stranguliert sich fast. Was macht man nun in so einer Situation? Wenn ich das Schaf anfasse, wird die Mutter es danach noch annehmen? Oder sollten wir einfach weitergehen und hoffen, dass das Lamm sich beruhigt und selbst den Weg aus der Falle findet?

Friedel hat eh Berührungsängste mit Tieren, aber auch er denkt, das „man“ etwas tun sollte. Also packt Steffi das Lamm und befreit es aus seiner misslichen Lage. Zum Glück ist das Lamm vor Schreck wie paralysiert und wehrt sich nicht. Es schnauft nur ganz laut und fühlt sich heiß und wollig an. Einmal auf den Boden gesetzt, stürmt es zur Mutter und die wirkt zumindest erst mal nicht so, als wenn sie ihr Kind verstoßen wollte. So hoffen wir also das Beste!

Es folgt der „Queens Drive“, den Queen Victoria während ihrer Hochzeitsreise im Taymouth Castle bei Kenmore fuhr. Hierbei handelt es sich um einen Höhenweg mit schöner Aussicht auf Loch Tay, der am Ende in den Braes of Taymouth endet, einem Waldgebiet oberhalb von Kenmore, in dem sogar noch einige Kaledonische Kiefern stehen sollen – gesehen haben wir jedoch keine!

Hier treffen wir auf einen farnbewachsen Birkenwald, der uns sehr an Cannock Chase erinnert. Ein merkwürdiges älteres Ehepaar spricht uns an, das uns nach dem Weg fragt. Jedoch scheint dies nur ein Vorwand zu sein, denn kurz darauf erklärt uns der Mann, dass die beiden seit Tagen keine Engländer im Wald getroffen hätten: Erst trafen sie Tschechen, dann Polen und nun uns Deutsche – aber  .. haha! .. nicht mehr lange, und wir alle müssten Großbritannien verlassen, haha!  Wir erklären den beiden, das sie uns auf keinen Fall los würden, haha, und machen uns verwundert weiter auf den Abstieg nach Kenmore. Es geht in Serpentinen recht steil nach unten zum See.

Sehenswert sind die Überreste der Crannocks, die an einigen ufernahen Stellen im Loch Tay zu sehen sind. Das sind kleine künstliche Inselchen, die ursprünglich mit kleinen runden Holzhütten bebaut waren. Dort lebten die Ur-Clans in ihrem schottischen Kraal. Ein Modell davon ist hier im Crannock-Center am Ortseingang zu besichtigen. 

Das Zentrum des Orts ist zweifellos das Kenmore-Hotel, in dem wir absteigen, und ein Post-Laden, der auch ein paar Lebensmittel bereithält. Ansonsten gibt es wohl noch den Kenmore-Club, ein Appartment-Komplex, in den ich uns erst einmieten wollte, und einem riesigen Wohnwagen-Park. Der ganze Ort ist scheinbar als Satellit des Taymouth-Castle entstanden, das malerisch circa zwei Kilometer vom See entfernt am Tay steht. Wie wir nachgelesen haben, steht das riesige Schloss zurzeit leer. Unglaublich! Es gibt auch noch eine pittoreske Kirche und eine sehr schöne Brücke über den Tay. Der Ort ist verschlafen, aber ganz hübsch.

Das Kenmore-Hotel ist ein altmodisches Hotel mit großen Zimmern. Eigentlich mögen wir sowas ja, aber der Betrieb wirkt irgendwie lieblos. Wie wir von einem deutschen Hotelgast beim Büffet-Frühstück am nächsten Morgen erfahren, werden die Zimmer teilweise in Rabattaktionen bei Fährenbetreibern verramscht. Den Hotel angegliedert ist ein hässlicher Neubau, in dem sich das Restaurant des Hotels befindet. Zum Glück kann man auch in der alten Bar etwas zu essen bestellen, die wir dem Restaurant vorziehen. Insgesamt ist das Kenmore-Hotel nicht wirklich unser Lieblings-Hotel auf dieser Reise, aber schlecht ist es nicht.

Tag 90: Killin nach Ardtalnaig

Jeder freut sich auf besondere Wandertage. Dem heutigen Tag hat besonders Steffi entgegen gefiebert. Nicht wegen der stellenweise durchaus ansprechenden Etappe, sondern weil am Ende der Tour die Übernachtung in „Camping Pods“ ansteht!

Carla hat schon am Vorabend beschlossen, dass sie der Straße am Seeufer folgen wird. Damit verkürzt sich die Strecke nach Ardtalnaig für sie um drei Kilometer und sie vermeidet die große Steigung (immerhin sind heute 521m angesagt!).

Wir hingegen folgen dem RRW den Berg hinauf zum Loch Breaclaich. Verabredet ist, das wir uns am Adeonaig-Hotel wieder treffen und einen Kaffee zusammen nehmen, so hoffen wir.

Zunächst folgt auch dieser Weg einer Schotterpiste durch abgeholzte Fichtenplantagen. Wie schon zuvor fragen wir uns, ob dieser Kahlschlag gut oder schlecht ist. Wird die Natur nun sich selbst überlassen? Oder wird mit der Kaledonischen Kiefer wieder aufgeforstet? Auf uns jedenfalls wirkt das Wandern durch diese Landschaft irgendwie deprimierend. Zu arg haben sich die Bagger in die Landschaft gefressen – Geht es vielleicht auch ein bisschen weniger rabiat?

Am Loch Breaclaich hört der „Wald“ auf und wir wandern am Rand des Staudamms immer höher bis zu einem Pass. Obwohl der Staudamm nicht gerade als schön zu bezeichnen ist, haben wir doch das Gefühl, endlich eine offene Landschaft vor uns zu haben: Keine Straßen! keine Zäune! Eine offene, bergige Landschaft mit nichts als dem Himmel darüber! Wind! Wir genießen besonders den Weg hinter dem Staudamm, auch wenn die Landschaft anderen Menschen vielleicht trist erscheinen mag. Wir haben ja auch die Hügel der Pennines gemocht. Dies hier erinnert uns sehr daran – verschiedene Töne von Braun und Grün, Felsen, schroffe Bergflanken – Marslandschaft. Aber der Blick ist frei und der Wind weht einem um die Ohren.

Auf dem Weg nach unten treffen wir erstens auf eine (skurril anmutende) Pipeline und zweitens auf schöne Blicke auf den Loch Tay hinunter. Vorbei geht es an eine Outdoor-Center immer weiter nach unten – bis wir am Seeufer anlangen und eine grinsende Carla sch aus dem Schatten eines Baumes erhebt. Wir alle sind bereit für einen Kaffee und freuen uns, dass wir uns wieder haben!

Das Ardeonaig Hotel erschien uns im Internet recht snobistisch. Aber als wir mit unseren Wanderschuhen hineingehen, werden wir ausgesprochen freundlich zu einem Innenhof geleitet. Dort bekommen wir als einzige Gäste einen Kaffee serviert, der sogar ausnehmend günstig und gut ist. Vor allen freuen wir uns darüber, die feudalen Toiletten zu benutzen. Sie erinnern an Boudoirs und die Hände trocknet man sich nach dem Händewaschen mit kleinen Frotteetüchern, die man anschließend in einen Korb plumpsen lässt. Die kleinen Hütten am Seeufer wirken sehr verlockend, und soooo teuer sind die Hütten nun auch wieder nicht. Wer weiß, vielleicht werden wir später hier mal ein paar angenehme Tage verbringen? Vielleicht wenn wir älter sind und nicht mehr laufen können?

Die freundliche Bedienung winkt uns sogar zum Abschied hinterher. Ardeonaig Hotel – sehr angenehm!

Die letzten fünfeinhalb Kilometer laufen wir zu dritt auf der wenig befahrenen Straße am Loch Tay entlang. Es geht leicht bergab und bergauf, links stets von erhöhter Position aus den See im Blick. Allerdings haben wir wieder links und rechts der Straße Zäune, was den Genuss ein wenig mildert. Wir beobachten sogar, wie ein trächtiges Schaf ein Lamm zur Welt bringt. So etwas haben wir noch nie gesehen!

In Artalnaig angekommen, laufen wir durch den Ort und wieder hinaus bis zum Holly Cottage. Dort warten zwei Camping-Pods auf uns. Die „Gürteltiere“ (Amadillas), sehr luxuriöse kleine Camping-Waben mit jeweils zwei Betten darin, sind – eingebettet in eine schöne Landschaft – ein Wunder an Platz und ein durchdachtes Konzept: Die Toilette ist gleichzeitig auch die Dusche. Unsere Gastgeberin Rosemary bringt uns sogar ein paar frisch gebackene Scones!

Das Holly Cottage bietet kein Abendessen, also wollten wir am Morgen in Killin verschiedene Zutaten für ein kaltes Abendbrot und einen Wein für den gemütliche Abend erstehen – Von wegen! Die freundliche Dame am Coop erklärte uns, dass man vor zehn Uhr in Schottland keine alkoholische Getränke erstehen könne! Was ist das nun schon wieder für eine merkwürdige puritanische Regel? Vollrausch erst ab zehn Uhr morgens? So haben wir nun auf den Wein verzichtet und genießen unseren Abend draußen mit (deutschem!!) Vollkornbrot aus dem Bio-Laden in Killin, Käse, Oliven und grünem Tee.

Ich hatte auf gutes Wetter gehofft und wir einen langen Abend im Garten des Holly-Cottages verbringen würden. Leider ist Carla heute fix und fertig und außerdem sehr wärmeliebend – schon früh zieht es sie in ihr Gürteltier. Friedel und ich genießen noch die untergehende Sonne über dem See und freuen uns, dass wir so früh im Jahr unterwegs sind, dass keine Midges unseren Abend trüben.

„Ruhetag“ in Killin

Wenn man einen Ruhetag einlegen will, um „shoppen“ zu gehen, sollte man nicht Killin wählen. Einkaufstechnisch ist Killin echt tote Hose – es gibt einen Coop-Supermarkt, aber selbst der ist gerade geschlossen, als wir da sind. Ansonsten gibt es noch eine Art Bio-Laden, einen Porzellan- und Geschenkartikelshop, eine Drogerie und einen Outdoor-Laden, das ist alles. Aber wir können ja eh nichts mit uns herumschleppen.

Landschaftlich hat Killin jedoch einiges zu bieten und wir sind froh, dass wir mehr Zeit im Ort hatten.

Wozu haben wir überhaupt einen Ruhetag eingelegt? Das ist überhaupt das erste Mal, das wir das machen. Einmal ist es für Carla – auf dem Coast-to-Coast-Walk hat sie es bedauert, dass wir in bestimmten Orten nicht mehr Zeit hatten. Zum anderen sind wir dieses Mal mit einer komischen Billig-Airline von Stuttgart nach Edinburgh geflogen. Sie fliegt nur Freitags oder Montags. Für den Freitag hätten wir uns verdammt beeilen müssen. Also haben wir schon im Vorfeld beschlossen, einen Ruhetag auf der Tour einzulegen und noch dazu am Ende einen Tag am Meer zu verbringen.

Nach einer geruhsamen Nacht und einem leckeren Frühstück (das Courie Inn ist eine gute Wahl) machen wir uns auf den Weg, die Umgebung zu erkunden. Zuerst suchen wir einen prähistorischen Steinkreis, den ich im Internet entdeckt habe. Wir finden ihn auf dem Gelände der Kinnell-Farm, was in Wirklichkeit der Stammsitz des alten McNab-Clans ist. Haha, gut versteckt! Auch euren alten Steinkreis habt ihr gut verborgen, aber wir haben ihn trotzdem entdeckt! Hmm, private property, no right of way. Mit Herzklopfen betreten wir die private Wiese, auf dem der Steinkreis steht – und werden nicht vertrieben!

Wie ich auch gelesen habe, ist es nicht sicher, ob der Steinkreis „echt“ ist – Egal! Zumindest Carla ist arg beeindruckt. Das ist ihr erster!

Auf dem Rückweg machen wir ein paar Fotos (ohne Leute) an den Falls of Dochart, dann trinken wir einen Kaffee und machen uns auf den Weg zum Loch Tay, auf dem gleichen Weg, den wir gestern Abend gewählt haben. Wir haben Tee, Decken und Knabbberzeug dabei und wollen uns am See etwas in die Sonne hauen: Welch ein Luxus!

In der Tat verbringen wir die Mittagszeit wunderbar entspannt am Seeufer unter uralten Bäumen. Aber nach zwei Stunden wird das etwas langweilig und es juckt uns in den Füßen: Wir gehen den gleichen Weg wie gestern zurück, aber bewundern noch ausgiebig den Hang mit Millionen von Bluebells (Kleinen Hasenglöckchen auf Deutsch). Folgt man der Pier Road weiter, kommt man zum Finlarig Castle. Wir sind total beeindruckt von den Ruinen und wie ungeregelt man darin herumlaufen kann – und lesen später an einer Bank am Eingang des Castle, das das Betreten der Ruine verboten ist, weil die Burg stark einsturzgefährdet ist. Mhhh .. aber schön war’s!

Da der Tag noch jung ist, beschließen wir, noch bis zum Moirlanich Langhaus zu laufen. Heute ist Sonntag und das vom National-Trust geschützte alte Bauernhaus ist heute zur Besichtigung geöffnet. Das Gehöft liegt jedoch drei Kilometer auswärts von Killin. Und zurück sind es auch wieder drei Kilometer. Auf Asphalt. Das gibt Carla wahrscheinlich den Rest.

Der Weg dorthin führt durch elysische Wiesen voller Lämmer und Umspannwerke.

Es ist unglaublich, wie beengt die Menschen in diesem Haus gelebt haben – Links die Tiere, rechts die Menschen. Die Decken sind unglaublich niedrig und die Räume sehr beengt. Die Möbel und das „Dekor“ sind so wie vor fünfzig Jahren, als die letzten Bewohner das Haus verlassen haben. Wir finden Moirlanich-Longhouse interessant, aber nicht umwerfend. „Umgeworfen“ hat es jedoch Carla, die ab dem nächsten Tag extrem lahmt und den zweiten Teil unserer Tour wegen einer Knochenhaut-Entzündung kaum noch schafft. Tapfere Carla! Sie wird noch ein paar Tage unter Drogen wenigstens Teile der täglichen Strecken laufen, aber auch das wird am Ende nicht mehr möglich sein. Das ist sehr schade, denn geplant war ja ein Wanderurlaub!

Tag 89: Strathyre nach Killin

Heute geht es Carla erstmalig schlecht. Schon gestern hatte sie wohl Schmerzen im linken Fuß, aber heute morgen muss sie Schmerztabletten nehmen, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Wir kennen solche Situationen auch schon: Friedel ist auf der Etappe 4 „White Peak“  zwei Tage lang ausgefallen, weil er große Probleme mit dem Knie hatte. Steffi ist im Urlaub darauf auf dem Pennine Way umgeknickt und die Etappe von Skipton nach Malnahm konnten wir deshalb „knicken“. Jedoch haben wir uns immer wieder erholt, also hoffen wir das Beste auch für Carla. Allerdings ist die heutige Etappe von 21 Kilometern kein Pappenstiel …

Der Weg heute verläuft durch das Glen Ogle, worauf sich Friedel schon lange freut. Aber zunächst geht es von Strathyre aus auf schmalen Wegen durch ein liebliches Waldstück. Die Sonne scheint apart zwischen den Bäumen durch, es duftet nach Moos und Tannennadeln. So mögen wir das!

Allerdings landen wir recht bald wieder unsanft auf einem fetten Waldweg. Der führt mit einer großen Schleife (Switchback) zum Kingshouse Hotel, wo wir auf der Terrasse einen Kaffee nehmen. Das Live-Programm des Hotels ist sehr ansprechend: Auf der gegenüberliegenden Wiese versuchen zwei Männer, eine zottelige Mutterkuh und ih Kalb dazu zu bewegen, in einen Transporter zu steigen. Die Viehtreiber bedienen sich dabei allerhand Tricks, die letztendlich (nach etwa dreißig Minuten) auch zu einem Erfolg führen.

Trotzdem sind wir froh, dass wir im „Ben Sheann“ und nicht im „Kingshouse“ abgestiegen sind – der Laden macht auf uns doch einen arg „professionellen“ Eindruck.

Nach dem „Kingshouse Hotel“ könnten wir noch einen Abstecher zum Dorf Balquhidder machen, um Rob Roys Grab zu besuchen. Mehrmals wurde uns zugesichert, dass dies absolut lohnenswert sei. Allerdings haben wir heute schon 21 Kilometer zu laufen und der Abstecher wurde zusätzliche sechs Kilometer bedeuten – zu viel also.

Also bleiben wir auf dem RRW und laufen an der Balquhidder Station vorbei auf einem alten Bahntrack weiter. Dieser schlängelt sich aussichtsreich bis auf die Höhe von Lochearnhead und Loch Earn, allerdings müsste man ordentlich absteigen, um zum Ort zu gelangen.

Heute haben wir erstmalig so etwas wie eine „Steigung“ zu erklimmen, jedoch sind das auf den Tag gesehen auch nur 350 Meter Höhenanstieg. Also auch kein Grund für Friedel und mich, aus der Puste zu kommen. Carla leidet allerdings schon, und nicht nur  unter dem Anstieg, sondern auch unter ihrem Fuß. Belohnt werden wir allerdings mit durch einen tollen Ausblick auf den blauen Loch.

Am Eingang zum Glen Ogle warnt uns ein Schild, dass wir nun wildes Land betreten: Die nächsten drei Meilen folge der Weg einer alten Bahntrasse durch steiles Gelände, die außerdem der Erosion, Erdrutschen und Abgründen ausgesetzt sei. Danger! Beware! Huhhh!

Aber heute wohl nicht. Die Sonne knallt auf den Weg und lediglich ein paar Federwolken spenden hin und wieder mal etwas Schatten. Es geht leicht bergauf und zunehmend stehen links und rechts steile braune Berge, durchfurcht von Wasserrinnen. Am Fuß unserer Schlucht fließt der Ogle Burn und glitzert hin und wieder durch die Bäume hindurch. Auf der anderen Seite des Tals verläuft leider den ganzen Weg lang die A85. Durch die steilen Wände des Tals wird der Verkehrslärm laut zurückgeworfen, vor allem die Motorräder machen einen Höllenlärm.

Wir laufen über ein pittoreskes Viadukt bis auf den höchsten Punkt des Passes auf 288 Meter. Hier treffen wir auf einen See, aber auch wieder auf die Straße. Da der See direkt an der Straße liegt und sich auch keine Sitzgelegenheit bietet, überqueren wir die Straße und landen auf einem Parkplatz mit Picknickarreal, das aber heute am Samstag voll von Bikern belegt ist. An der Seite steht eine fiese kleine Wurstbude. Friedel ist natürlich versucht, dort nach einem Kaffee zu fragen, aber der Fettgeruch lässt keine kulinarischen Genüsse hoffen.

Da der Rob Roy Way sich hier von der Straße entfernt und durch ein Waldgebiet nach Killin führt, machen wir, dass wir weiter kommen. Tatsächlich finden wir auf einer Lichtung im Wald einen schönen Picknickplatz, sogar mit einem Tisch und Bänken!

An einer Weggabelung beschließen wir, nicht den Rob Roy Weg weiterzugehen, sondern nach rechts in einen unmarkierten Waldweg abzubiegen. Der RRW würde schnell wieder auf dem Bahntrack landen und damit wieder in der Nähe der A-Straße verlaufen.

Tatsächlich umgibt uns auf unserem Waldweg eine wunderbare Ruhe. Die späte Nachmittagssonne knallt nicht mehr so und wirft ein schönes Licht durch das Blätterdach auf unseren Weg. Kurz vor Killin landen wir wieder auf dem Bahntrack und damit auf dem RRW, gerade rechtzeitig, um noch die Falls of Dochart zu sehen. Hierbei handelt es sich eigentlich nicht um wirkliche Fälle, sondern eher um felsige Kaskaden. Mag sein, dass bei einem höheren Wasserstand das Wasser auch mehr fällt, heute plätschert es eher gemütlich über die Steinstufen.

Heute am Samstag werden die Falls von jeder Menge Volk belagert. Überall haben Besucher an flachen Stellen Handtücher und Decken ausgebreitet, Kinder spielen im Wasser. Da wir morgen einen Ruhetag in Killin einlegen, laufen wir weiter zu unserem Hotel. Morgen haben wir noch genug Zeit, die Falls in Ruhe zu fotografieren, und das hoffentlich ohne die vielen Leute.

Carla ist froh, die 21 Kilometer heute geschafft zu haben. Sie ist am Abend glücklich und zufrieden mit zwei Pints und einem Abendessen. Friedel und ich laufen nach dem Abendessen aber noch zum Loch Tay. Im Abendlicht ist der Weg am River Lochay besonders stimmungsvoll. Der Fluss ist sehr still und links und rechts ragen Baumstümpfe und Äste ins Wasser. Wasservögel schreien um die Wette und man fühlt sich fast in die Sümpfe von Louisiana versetzt (jedenfalls stellen wir sie uns so vor). Den See umstehen uralte, knorrige Bäume.

Da der Rückweg über die Pier Road auch noch die größte Bluebell-Kolonie hat, die wir je gesehen haben, beschließen wir, dass wir das alles morgen auf jeden Fall auch noch Carla zeigen müssen.

Tag 88: Callander nach Strathyre

Wieder keine besondere Herausforderung heute: Die Karte verspricht erneut viel Straße und wenig Steigung (150 Meter Anstieg im Verlauf des Tages). Wer hätte das gedacht, dass Friedel und ich uns so unterfordert fühlen würden?

Zunächst geht es auf einem alten Eisenbahntrack aus Callander hinaus und in den Wald. Bevor wir den Wald erreichen, gibt es noch einen schönen Blick auf Ben Ledi. Schon kurz vor Kilmahog weist uns ein Schild am Weg darauf hin, dass der Weg nach Strathyre wegen Bauarbeiten gesperrt sein soll: Was? Wo sollen wir den dann lang gehen? Etwa an der vielbefahrenen A84 entlang? Nix da! Wir vertrauen darauf, dass wir schon irgendwie durchkommen werden. Sollten wir  von irgendwelchen Bauarbeitern angemeckert werden, vertrauen wir darauf, dass sie bei uns dummen Ausländern Milde walten lassen.

Wir checken noch, ob es links vom Loch Lubnaig irgendwelche Möglichkeiten geben könnte, uns auf den Berg zu schlagen, aber wir sehen keine: Entweder wir entscheiden uns spätestens in zwei Kilometern, uns auf die andere Seeseite und damit auf die A-Road zu begeben, oder wir bleiben stur auf unserem Eisenbahntrack – Koste es, was es wolle! Natürlich halten wir uns an den RRW und bleiben links vom See…

Unser Weg verläuft größtenteils parallel zum Radweg Nr 7. Wir treffen kaum Wanderer, aber durchaus Radfahrer – auch aus der uns entgegenkommenden Richtung. Das lässt uns vermuten, dass wir weiter kommen. Also vorwärts!

An den Strathyre Forest Cabins gibt es ein Café, das sogar geöffnet hat. Yeah! Wir freuen uns über die Kaffeepause, zumal es Plätze auf der Terrasse gibt. Wir stellen uns vor wie es wäre, in so einem Luxus-Blockhaus wie dort eine Woche Urlaub zu machen. Wäre uns da nicht grässlich langweilig? Ja und nein. Am See zu sitzen, zu lesen und hin und wieder einen Kaffee zu schlürfen wäre auch nicht schlecht. Aber eine Woche wäre uns definitiv zu lang.

Niemand von der Forstbehörde ermahnt uns, dass es nicht weiter geht. Also geht es für uns weiter. Die Sonne lacht, und trotz der geringen Steigung kommen wir gegen Mittag sogar etwas ins Schwitzen.

Loch Lubnaig ist hübsch, ohne Zweifel. Aber das richtige Wildnis-Gefühl will nicht aufkommen – dafür ist der Weg zu breit, zu glatt, und die A-Road brummt von der anderen Seeseite her. Außerdem verläuft am gesamten See entlang eine Stromleitung. Nicht nur, dass die Kabel neben uns verlaufen – Nein, immer wenn der Weg unter der Leitung verläuft, wird die Höhe der Durchfahrt mit fetten gelben „Toren“ markiert, die wohl Forstfahrzeuge auf die Leitungen aufmerksam machen sollen.

Wir traben ansonsten ohne weitere Zwischenfälle am Seeufer entlang. Einmal passieren wir eine kleinen Bagger, der uns aber bereitwillig vorbeigehen lässt. Das muss die große Baustelle sein, für die der ganze Weg „Attention!“ gesperrt wurde!?

Der Weg führt uns größtenteils auf dem alten Bahntrack entlang durch Wald. Überhaupt, der Wald: In England hatten wir nicht so viel davon. Hier haben wir einige auch längere Passagen durch Waldgebiete. Wenn der Wald intakt ist, sind die Wege hindurch oft sehr abwechslungsreich und schön: Der Waldboden ist bedeckt mit Moosen in verschiedenen Farben, außerdem gibt es Blaubeerbüsche, Farne … aber so früh, wie wir dieses Jahr unterwegs sind, sind die Farne noch gar nicht so richtig „entrollt“. Immer wieder stellen wir uns vor, wie hübsch so mancher Farnwald wohl später im Jahr aussehen würde.

Als der See zu Ende ist, verläuft der Weg eher langweilig zwischen eingezäunten Wiesen bis nach Strathyre. Erstmalig fällt uns hier auf, dass es gar nicht unbedingt die Teer- bzw. Schotterstraßen sind, die uns so stören: Links und rechts der Straßen und Wege sind die Wiesen leider meistens eingezäunt. Das hemmt den Blick und vor alle auch das Gefühl von Weite. Auch wenn der Blick weit bis auf die umliegenden Berge schweifen kann: Wenn direkt neben einem links und rechts Zäune verlaufen, das stört irgendwie!

In Strathyre gibt es nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten, so dass ich uns rechtzeitig im „Ben Sheann“ zwei Zimmer reserviert habe. Die Kritiken waren nicht so überragend, aber das kleine Hotel entpuppt sich als Kleinod.

Die Zimmer sind sehr hübsch dekoriert und die Besitzerin ist sehr freundlich. Wir verbringen einen netten Abend im kleinen Restaurant des Hotels. Es gibt nicht viel Auswahl auf der Speisekarte, aber das Essen ist lecker und ansprechend. So mögen wir es, gemütlich und nicht zu „posh“. Die Lage des Hotels direkt an der dichtbefahrenen Durchgangsstraße stört etwas, aber zum Glück haben wir Zimmer nach hinten heraus.