Dunbar, Tantallon Castle und North Berwick

Wir fahren also recht früh am Morgen von Pitlochry über Edinburgh nach Dunbar, das an der Ostküste am Übergang von der Nordsee zum Firth of Forth liegt. Am frühen Nachmittag checken wir fast gleichzeitig mit einem ganzen Rudel Golfer ein, die mit ihren riesigen Gepäckstücken fast das ganze Erdgeschoss blockieren – wir werden zum Glück schnell vorgezogen, bevor dann für Stunden im Hotel das Chaos ausbricht.

Das Royal Mackintosh Hotel ist eines der Sorte „verblichene Pracht“ – ein recht großes, ehemals prächtiges Haus – eine Villa fast – mit ca. 20 Zimmern, das halt leider inzwischen etwas heruntergekommen ist und schon lange keinen frischen Putz mehr gesehen hat. Dennoch eine gute Adresse!

Wir flüchten also schnell aus dem Hotel und schauen uns das Städtchen an, und natürlich zieht es uns gleich in Richtung Hafen. Historisches Gelände – erste Siedlungen werden auf 8000 Jahre zurückdatiert, das Dunbar Castle ist immerhin fast 800 Jahre alt. Und so sieht es auch aus…;-)

Steffi und ich machen uns auf den Weg zum Strand, Bellhaven Bay, und Carla bummelt langsam zum Hotel zurück und schaut sich dabei noch ein wenig die Stadt an – hier lohnt sich das auch: Dunbar ist wenig touristisch und daher ein recht authentisches Hafenstädtchen.

Am nächsten Morgen treibt es Steffi und mich dann noch einmal vor dem Frühstück raus – Sonnenaufgang am Meer. Und das hat sich sogar gelohnt, weil es ein wenig bedeckt und wolkig war!

Nach dem letzten richtigen Scottish Breakfast brechen wir gemütlich auf – die Bushaltestelle ist direkt vorm Hotel. Steffi und ich hatten überlegt zu laufen, aber dann hätte Carla vermutlich doch länger warten müssen. In einer halben Stunde fahren wir mit dem Linienbus zum Tantallon Castle.

Der nächste Bus kommt erst am späteren Nachmittag, Mist! Carla können wir die drei Kilometer nach North Berwick nicht zumuten, also schleichen wir ratlos vom Castle weg ein Stück an der Straße lang – oh, ein Taxiunternehmen, welch ein Zufall…;-) Für nicht einmal zehn Pfund sind wir in ein paar Minuten schon in North Berwick, wo der Tourismus brummt, aber der Kaffee schmeckt. Ein letzter Bummel an der Strandpromenade, letzte Abschiedsblicke auf den Bass Rock, und dann geht’s ab zum Hilton DoubleTree Hotel am Flughafen Edinburgh.

Tag 92: Kenmore nach Aberfeldy

Carla kann nicht mehr. Sie hat heute so große Schmerzen im Fuß, dass sie beschließt, mit dem Taxi nach Aberfeldy zu fahren. Friedel und ich werden heute also komplett alleine unterwegs sein.

Wir müssen heute den gleichen Weg wieder hinauf, den wir gestern heruntergestiegen sind. Das heißt, dass wir gleich am Morgen 200 Meter aufsteigen müssen. Das schaffen wir inzwischen ganz locker, aber am Anfang der Tour hätten wir  hier schon ganz schön geschnauft.

Am Tombuie Cottage biegt der RRW nach links ab, es geht durch Wiesen bis zu einem kleinen See. Hier sind auf der Karte viele „Cup and Ring-marked Stones“ eingezeichnet, also besondere Steine, die prähistorische Gravuren oder Ringe aus prähistorischer Zeit aufweisen sollen. Heute haben wir Zeit, da können wir ja mal ein wenig danach suchen. Wir laufen bergauf und bergab, grasen alle Steine in einem Ein-Quadratkilometer-Arreal ab, und finden – nichts! Entweder wir sind blind oder ignorant oder nur Experten erkennen die typischen Furchen? Einige Male ruft mich Friedel zu sich: Er meint, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ich jedoch winke nur müde ab.

Allein die Diskussion war schon lustig! Ist ein „cup marked stone“ auf der Oberseite markiert (Steffis Ansicht) oder ist er einfach irgendwo mit einer „cup“ markiert (meine Meinung)? Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen…wie wir später auf einer Schautafel gelesen haben, sind es Steine, mit künstlichen Vertiefungen (cups) markiert. Diese sind im Perthshire besonders häufig zu finden.

Die ganze Aktion hat uns etwas von der Originalroute entfernt. So beschließen wir, eine Alternativroute durch einen Wald zu nehmen. Der Weg führt uns nach einem Gatter (das mit Schnüren gesichert ist und das wir aufwändig auf- und dann wieder zuknoten müssen) in einen dichten Wald, in dem sich Hänsel und Gretel sofort verirren würden. Ätsch, wir haben Navi, hähä!

Aber auf dem Gatter ist ein sehr verblichenes Warnschild, das wir nur mit Mühe entziffern können: Vorsicht vor einem wilden Keiler – insbesondere Hunde und Kleinkinder sind extrem gefährdet! Wild Boar! Das macht den Finsterwald nun wirklich finster!

Am Ende landen wir wie geplant auf einem Waldweg, der extrem von Forstfahrzeugen eingeschnitten wurde. So etwas aber wir noch nicht gesehen: Furchen so tief wie Steffi! Das ganze natürlich auch noch extrem matschig, denn sonst würde es solche Furchen gar nicht geben. Der kleine Abschnitt von vielleicht einem Kilometer (bei dem wir abwechselnd in die Furchen hinein hüpfen, in der Mitte balancierten oder uns an der Seite durch das Dickicht schlagen) kostet uns fast eine Dreiviertelstunde, aber was soll’s! Wir haben ja Zeit heute, gell?

 

Einmal zurück auf dem RRW, wird es auch nicht schöner, nur bequemer. Waldarbeiter haben eine brachiale Schotterschneise in den Wald geschlagen. Das wird Jahre dauern, bis die halbwegs „eingewachsen“ sein wird. Hässlich, hässlich, hässlich! Das wird wohl mal eine richtige Strasse. Egal, was sollen wir machen. Augen zu und durch. Hätte es sowas auch auf dem West Highland Way gegeben?

Der folgende Abschnitt bietet immer wieder weite Blicke in das Tal des Tays hinunter und zurück zum Loch Tay. Von Weitem sehen wir erneut das trutzige Taymouth Castle.

Unglaublich, dass das ganze Areal jemandem gehört, der das alles sogar pflegen lässt, aber dort nicht wohnt. Eventuell soll dort ein Luxus-Hotel entstehen. Da müsste sich dann aber das Kenmore Hotel ordentlich anstrengen! 🙂

Wir glauben, am Weg einige Kaledonische Kiefern zu sehen. Sind sie es, oder sind sie es nicht? Seit unserer Wandertour durch das Glen Affric (berühmt für seine großen Bestände der für Schottland besonderen Kierfernart) ist ja schon einige Zeit vergangen. Zehn Jahre? Wir sind nicht sicher, ob wie den pinienartigen Baum wieder erkennen. Der Berg, der uns auf unserer heutigen Tour begleitet, ist der Schihallion. Mit seinen prächtigen 1083 Metern und seiner Alleinstellung in Bezug auf die umliegenden Hügelchen wirkt er imposanter als z.B. der Ben Ledi.

In der Mittagspause isst Steffi einen Müsliriegel aus dem Bio-Laden in Killin, der ihr nicht bekommt.  Dazu muss gesagt werden, dass sie hoch allergisch auf Erdnüsse reagiert, aber die Zutatenliste nicht gut gelesen hat. Da steht fett drauf, dass der Riegel 14 (in Worten: vierzehn!) Prozent Erdnüsse enthält. Sie haut sich zwei Pillen Anti-Histamine rein und hält tapfer durch bis Upper Farrochil. Da müssen wir eine Pause machen, Steif haut sich ins Gras und würgt und jammert eine Runde.

Nachdem das Gesicht abgeschwollen ist, kann es lustig weiter gehen. Steffi hofft, dass es ihr bis zu den Birks of Aberfeldy wieder besser geht, denn darauf hat sie sich den ganzen Tag schon gefreut. In der Tat ist der Weg von Farrochil bis zu den Birks schon sehr schön: Eine Ebene ist bestanden mit lichten, hellgrünen Birken, dazu leuchtet in diversen Schattierungen lindgrünes Gras und von Moos überwucherte Baumstümpfe. Die Bäume sind mit hängenden Flechten überzogen. Kurz vor den Birks kommt im Tal das Menzies Castle in Sicht. Das würden wir auch gern besichtigen, aber es liegt leider nicht auf dem Weg.

Die Birks of Aberfeldy sind dann wirklich sehr beeindruckend: Durch die Schlucht des Moness Burn führt der Weg an verschiedenen Wasserfällen vorbei, einer schöner als der andere. Vor lauter „Ahs“ und „Ohs“ kommen wir kaum weiter. Nach jeder Wegbiegung wartet ein neuer Wasserfall, aber nicht vom Moness-Burn, sondern von diversen Bächen, die von den Seiten in das Tal fließen. Die eine laufen über Mooskissen steil in einem Schwall nach unten, die anderen plätschern von Becken zu Becken ins Tal. Aus der einen Touristenattraktion könnte man glatt vier machen!

Schön ist, dass wir außer einem älteren Ehepaar niemanden treffen. Wie voll muss das hier an Juli-Wochenenden sein!

Vor dem Ortseingang Aberfeldys hat die Gemeinde einen „Ring-marked Stone“ inklusive Infotafel ausgestellt. Ahaaa! Nun wissen wir, wie die aussehen sollen! Wir haben ja heute trotz aller Anstrengungen keinen gefunden.

Sei’s drum. In Aberfeldy treffen wir Carla am Marktplatz. Sie hat natürlich schon eingecheckt und wartet auf uns. Die Tapfere hat sich heute allein ebenfalls in die Birks geschleppt und ist das gesamte Tal von unten bis oben uns wieder zurück gelaufen.

Das Shiehallion-Hotel, in dem wir absteigen, ist gut und günstig. Die Zimmer sind sehr groß und schön, das Bad ist fürstlich. Allerdings gefällt uns das bistro-artige Restaurant des Hotels nicht so gut. Auf jeden Fall würden wir den Laden in unserem eigenen Bewertungssystem als „solide Mittelklasse“ bewerten.

Heute Abend unternehmen wir keine Extra-Ausflüge mehr, denn Steffi ist durch die Antihistamine ein wenig aus dem Takt geraten. Morgen ist dann ein neuer Tag!

Tag 91: Ardtalnaig nach Kenmore

Ab jetzt wird’s ausgesprochen geruhsam: Keinen Tag mit mehr als 15 Kilometern! Aber jetzt mal ganz ehrlich: Friedel und ich sind gerade richtig gut eingelaufen – von uns aus könnte es jetzt richtig losgehen! Auf der anderen Seite geht es Carla zunehmend schlechter. Heute wird sie noch halbwegs durchhalten – jedoch zu welchem Preis?

Zunächst erwartet uns heute morgen ein fürstliches Frühstück: Rosemary bringt uns einen Frühstückskorb mit diversen Köstlichkeiten, die wir bestellt haben. Zwar ist dies kein gekochtes schottisches Frühstück, aber gut genug für den Start in unseren heute eher gemütlichen Tag.

Carla hat tatsächlich erwogen, heute ein Taxi zu nehmen. Doch sie entschließt sich, mit uns zu laufen, jedenfalls bis Acharn. In Acharn trennen wir uns heute erneut. Carla läuft weiter die Straße entlang nach Kenmore, wir folgen dem Schlenker des RWW über die Falls of Acharn. Es wird sich lohnen!

Wir lieben diese kleinen Umwege, die der RRW einbaut: Wenn es auch mitunter sinnlos anmutet, eine Straße zu verlassen und sich den Berg hoch zu schlagen, nur um ein paar Kilometer weiter wieder auf dieselbe Straße zu treffen – Das macht den Weg gerade reizvoll!

Es fällt uns heute schwer, Carla wieder alleine zu lassen. Jedoch sind die Falls of Acharn ausgesprochen lohnenswert. Zuerst treffen wir auf die „Hermits Cave“, einen Durchgang durch den Fels, der an seinem einen wunderschönen Blick auf die Fälle gewährt – Danach führt ein hübscher Rundweg bis zu einem Ausblick oberhalb der Fälle. Eigentlich sind die Fälle nur ein Fall, aber dieser ist ziemlich hoch! Was uns besonders gefällt: Niemand außer uns ist hier an diesem Dienstagmittag unterwegs …

Anschließend führt uns der Weg über offene Wiesen immer oberhalb des Loch Tays entlang. Immer wieder gibt es schöne Ausblicke zu genießen. Bei Balmacnoughton gibt es ein Ereignis, das uns stark in Erinnerung bleiben wird: Hier wird Steffi heute zur Schaf-Heldin! Als wir den Weg schnatternd und mit den Stöcken schlagend entlang gehen, geraten einige Schafe in Panik: Ein Muttertier wird von seinem Lamm getrennt und letzteres verfängt sich in einem Zaun. Es zappelt und zappelt, aber kann sich nicht befreien. Noch schlimmer: Bei dem Versuch, seiner Mutter zu folgen, verstrickt es sich immer mehr mit dem Kopf im Zaun und stranguliert sich fast. Was macht man nun in so einer Situation? Wenn ich das Schaf anfasse, wird die Mutter es danach noch annehmen? Oder sollten wir einfach weitergehen und hoffen, dass das Lamm sich beruhigt und selbst den Weg aus der Falle findet?

Friedel hat eh Berührungsängste mit Tieren, aber auch er denkt, das „man“ etwas tun sollte. Also packt Steffi das Lamm und befreit es aus seiner misslichen Lage. Zum Glück ist das Lamm vor Schreck wie paralysiert und wehrt sich nicht. Es schnauft nur ganz laut und fühlt sich heiß und wollig an. Einmal auf den Boden gesetzt, stürmt es zur Mutter und die wirkt zumindest erst mal nicht so, als wenn sie ihr Kind verstoßen wollte. So hoffen wir also das Beste!

Es folgt der „Queens Drive“, den Queen Victoria während ihrer Hochzeitsreise im Taymouth Castle bei Kenmore fuhr. Hierbei handelt es sich um einen Höhenweg mit schöner Aussicht auf Loch Tay, der am Ende in den Braes of Taymouth endet, einem Waldgebiet oberhalb von Kenmore, in dem sogar noch einige Kaledonische Kiefern stehen sollen – gesehen haben wir jedoch keine!

Hier treffen wir auf einen farnbewachsen Birkenwald, der uns sehr an Cannock Chase erinnert. Ein merkwürdiges älteres Ehepaar spricht uns an, das uns nach dem Weg fragt. Jedoch scheint dies nur ein Vorwand zu sein, denn kurz darauf erklärt uns der Mann, dass die beiden seit Tagen keine Engländer im Wald getroffen hätten: Erst trafen sie Tschechen, dann Polen und nun uns Deutsche – aber  .. haha! .. nicht mehr lange, und wir alle müssten Großbritannien verlassen, haha!  Wir erklären den beiden, das sie uns auf keinen Fall los würden, haha, und machen uns verwundert weiter auf den Abstieg nach Kenmore. Es geht in Serpentinen recht steil nach unten zum See.

Sehenswert sind die Überreste der Crannocks, die an einigen ufernahen Stellen im Loch Tay zu sehen sind. Das sind kleine künstliche Inselchen, die ursprünglich mit kleinen runden Holzhütten bebaut waren. Dort lebten die Ur-Clans in ihrem schottischen Kraal. Ein Modell davon ist hier im Crannock-Center am Ortseingang zu besichtigen. 

Das Zentrum des Orts ist zweifellos das Kenmore-Hotel, in dem wir absteigen, und ein Post-Laden, der auch ein paar Lebensmittel bereithält. Ansonsten gibt es wohl noch den Kenmore-Club, ein Appartment-Komplex, in den ich uns erst einmieten wollte, und einem riesigen Wohnwagen-Park. Der ganze Ort ist scheinbar als Satellit des Taymouth-Castle entstanden, das malerisch circa zwei Kilometer vom See entfernt am Tay steht. Wie wir nachgelesen haben, steht das riesige Schloss zurzeit leer. Unglaublich! Es gibt auch noch eine pittoreske Kirche und eine sehr schöne Brücke über den Tay. Der Ort ist verschlafen, aber ganz hübsch.

Das Kenmore-Hotel ist ein altmodisches Hotel mit großen Zimmern. Eigentlich mögen wir sowas ja, aber der Betrieb wirkt irgendwie lieblos. Wie wir von einem deutschen Hotelgast beim Büffet-Frühstück am nächsten Morgen erfahren, werden die Zimmer teilweise in Rabattaktionen bei Fährenbetreibern verramscht. Den Hotel angegliedert ist ein hässlicher Neubau, in dem sich das Restaurant des Hotels befindet. Zum Glück kann man auch in der alten Bar etwas zu essen bestellen, die wir dem Restaurant vorziehen. Insgesamt ist das Kenmore-Hotel nicht wirklich unser Lieblings-Hotel auf dieser Reise, aber schlecht ist es nicht.

Tag 90: Killin nach Ardtalnaig

Jeder freut sich auf besondere Wandertage. Dem heutigen Tag hat besonders Steffi entgegen gefiebert. Nicht wegen der stellenweise durchaus ansprechenden Etappe, sondern weil am Ende der Tour die Übernachtung in „Camping Pods“ ansteht!

Carla hat schon am Vorabend beschlossen, dass sie der Straße am Seeufer folgen wird. Damit verkürzt sich die Strecke nach Ardtalnaig für sie um drei Kilometer und sie vermeidet die große Steigung (immerhin sind heute 521m angesagt!).

Wir hingegen folgen dem RRW den Berg hinauf zum Loch Breaclaich. Verabredet ist, das wir uns am Adeonaig-Hotel wieder treffen und einen Kaffee zusammen nehmen, so hoffen wir.

Zunächst folgt auch dieser Weg einer Schotterpiste durch abgeholzte Fichtenplantagen. Wie schon zuvor fragen wir uns, ob dieser Kahlschlag gut oder schlecht ist. Wird die Natur nun sich selbst überlassen? Oder wird mit der Kaledonischen Kiefer wieder aufgeforstet? Auf uns jedenfalls wirkt das Wandern durch diese Landschaft irgendwie deprimierend. Zu arg haben sich die Bagger in die Landschaft gefressen – Geht es vielleicht auch ein bisschen weniger rabiat?

Am Loch Breaclaich hört der „Wald“ auf und wir wandern am Rand des Staudamms immer höher bis zu einem Pass. Obwohl der Staudamm nicht gerade als schön zu bezeichnen ist, haben wir doch das Gefühl, endlich eine offene Landschaft vor uns zu haben: Keine Straßen! keine Zäune! Eine offene, bergige Landschaft mit nichts als dem Himmel darüber! Wind! Wir genießen besonders den Weg hinter dem Staudamm, auch wenn die Landschaft anderen Menschen vielleicht trist erscheinen mag. Wir haben ja auch die Hügel der Pennines gemocht. Dies hier erinnert uns sehr daran – verschiedene Töne von Braun und Grün, Felsen, schroffe Bergflanken – Marslandschaft. Aber der Blick ist frei und der Wind weht einem um die Ohren.

Auf dem Weg nach unten treffen wir erstens auf eine (skurril anmutende) Pipeline und zweitens auf schöne Blicke auf den Loch Tay hinunter. Vorbei geht es an eine Outdoor-Center immer weiter nach unten – bis wir am Seeufer anlangen und eine grinsende Carla sch aus dem Schatten eines Baumes erhebt. Wir alle sind bereit für einen Kaffee und freuen uns, dass wir uns wieder haben!

Das Ardeonaig Hotel erschien uns im Internet recht snobistisch. Aber als wir mit unseren Wanderschuhen hineingehen, werden wir ausgesprochen freundlich zu einem Innenhof geleitet. Dort bekommen wir als einzige Gäste einen Kaffee serviert, der sogar ausnehmend günstig und gut ist. Vor allen freuen wir uns darüber, die feudalen Toiletten zu benutzen. Sie erinnern an Boudoirs und die Hände trocknet man sich nach dem Händewaschen mit kleinen Frotteetüchern, die man anschließend in einen Korb plumpsen lässt. Die kleinen Hütten am Seeufer wirken sehr verlockend, und soooo teuer sind die Hütten nun auch wieder nicht. Wer weiß, vielleicht werden wir später hier mal ein paar angenehme Tage verbringen? Vielleicht wenn wir älter sind und nicht mehr laufen können?

Die freundliche Bedienung winkt uns sogar zum Abschied hinterher. Ardeonaig Hotel – sehr angenehm!

Die letzten fünfeinhalb Kilometer laufen wir zu dritt auf der wenig befahrenen Straße am Loch Tay entlang. Es geht leicht bergab und bergauf, links stets von erhöhter Position aus den See im Blick. Allerdings haben wir wieder links und rechts der Straße Zäune, was den Genuss ein wenig mildert. Wir beobachten sogar, wie ein trächtiges Schaf ein Lamm zur Welt bringt. So etwas haben wir noch nie gesehen!

In Artalnaig angekommen, laufen wir durch den Ort und wieder hinaus bis zum Holly Cottage. Dort warten zwei Camping-Pods auf uns. Die „Gürteltiere“ (Amadillas), sehr luxuriöse kleine Camping-Waben mit jeweils zwei Betten darin, sind – eingebettet in eine schöne Landschaft – ein Wunder an Platz und ein durchdachtes Konzept: Die Toilette ist gleichzeitig auch die Dusche. Unsere Gastgeberin Rosemary bringt uns sogar ein paar frisch gebackene Scones!

Das Holly Cottage bietet kein Abendessen, also wollten wir am Morgen in Killin verschiedene Zutaten für ein kaltes Abendbrot und einen Wein für den gemütliche Abend erstehen – Von wegen! Die freundliche Dame am Coop erklärte uns, dass man vor zehn Uhr in Schottland keine alkoholische Getränke erstehen könne! Was ist das nun schon wieder für eine merkwürdige puritanische Regel? Vollrausch erst ab zehn Uhr morgens? So haben wir nun auf den Wein verzichtet und genießen unseren Abend draußen mit (deutschem!!) Vollkornbrot aus dem Bio-Laden in Killin, Käse, Oliven und grünem Tee.

Ich hatte auf gutes Wetter gehofft und wir einen langen Abend im Garten des Holly-Cottages verbringen würden. Leider ist Carla heute fix und fertig und außerdem sehr wärmeliebend – schon früh zieht es sie in ihr Gürteltier. Friedel und ich genießen noch die untergehende Sonne über dem See und freuen uns, dass wir so früh im Jahr unterwegs sind, dass keine Midges unseren Abend trüben.

„Ruhetag“ in Killin

Wenn man einen Ruhetag einlegen will, um „shoppen“ zu gehen, sollte man nicht Killin wählen. Einkaufstechnisch ist Killin echt tote Hose – es gibt einen Coop-Supermarkt, aber selbst der ist gerade geschlossen, als wir da sind. Ansonsten gibt es noch eine Art Bio-Laden, einen Porzellan- und Geschenkartikelshop, eine Drogerie und einen Outdoor-Laden, das ist alles. Aber wir können ja eh nichts mit uns herumschleppen.

Landschaftlich hat Killin jedoch einiges zu bieten und wir sind froh, dass wir mehr Zeit im Ort hatten.

Wozu haben wir überhaupt einen Ruhetag eingelegt? Das ist überhaupt das erste Mal, das wir das machen. Einmal ist es für Carla – auf dem Coast-to-Coast-Walk hat sie es bedauert, dass wir in bestimmten Orten nicht mehr Zeit hatten. Zum anderen sind wir dieses Mal mit einer komischen Billig-Airline von Stuttgart nach Edinburgh geflogen. Sie fliegt nur Freitags oder Montags. Für den Freitag hätten wir uns verdammt beeilen müssen. Also haben wir schon im Vorfeld beschlossen, einen Ruhetag auf der Tour einzulegen und noch dazu am Ende einen Tag am Meer zu verbringen.

Nach einer geruhsamen Nacht und einem leckeren Frühstück (das Courie Inn ist eine gute Wahl) machen wir uns auf den Weg, die Umgebung zu erkunden. Zuerst suchen wir einen prähistorischen Steinkreis, den ich im Internet entdeckt habe. Wir finden ihn auf dem Gelände der Kinnell-Farm, was in Wirklichkeit der Stammsitz des alten McNab-Clans ist. Haha, gut versteckt! Auch euren alten Steinkreis habt ihr gut verborgen, aber wir haben ihn trotzdem entdeckt! Hmm, private property, no right of way. Mit Herzklopfen betreten wir die private Wiese, auf dem der Steinkreis steht – und werden nicht vertrieben!

Wie ich auch gelesen habe, ist es nicht sicher, ob der Steinkreis „echt“ ist – Egal! Zumindest Carla ist arg beeindruckt. Das ist ihr erster!

Auf dem Rückweg machen wir ein paar Fotos (ohne Leute) an den Falls of Dochart, dann trinken wir einen Kaffee und machen uns auf den Weg zum Loch Tay, auf dem gleichen Weg, den wir gestern Abend gewählt haben. Wir haben Tee, Decken und Knabbberzeug dabei und wollen uns am See etwas in die Sonne hauen: Welch ein Luxus!

In der Tat verbringen wir die Mittagszeit wunderbar entspannt am Seeufer unter uralten Bäumen. Aber nach zwei Stunden wird das etwas langweilig und es juckt uns in den Füßen: Wir gehen den gleichen Weg wie gestern zurück, aber bewundern noch ausgiebig den Hang mit Millionen von Bluebells (Kleinen Hasenglöckchen auf Deutsch). Folgt man der Pier Road weiter, kommt man zum Finlarig Castle. Wir sind total beeindruckt von den Ruinen und wie ungeregelt man darin herumlaufen kann – und lesen später an einer Bank am Eingang des Castle, das das Betreten der Ruine verboten ist, weil die Burg stark einsturzgefährdet ist. Mhhh .. aber schön war’s!

Da der Tag noch jung ist, beschließen wir, noch bis zum Moirlanich Langhaus zu laufen. Heute ist Sonntag und das vom National-Trust geschützte alte Bauernhaus ist heute zur Besichtigung geöffnet. Das Gehöft liegt jedoch drei Kilometer auswärts von Killin. Und zurück sind es auch wieder drei Kilometer. Auf Asphalt. Das gibt Carla wahrscheinlich den Rest.

Der Weg dorthin führt durch elysische Wiesen voller Lämmer und Umspannwerke.

Es ist unglaublich, wie beengt die Menschen in diesem Haus gelebt haben – Links die Tiere, rechts die Menschen. Die Decken sind unglaublich niedrig und die Räume sehr beengt. Die Möbel und das „Dekor“ sind so wie vor fünfzig Jahren, als die letzten Bewohner das Haus verlassen haben. Wir finden Moirlanich-Longhouse interessant, aber nicht umwerfend. „Umgeworfen“ hat es jedoch Carla, die ab dem nächsten Tag extrem lahmt und den zweiten Teil unserer Tour wegen einer Knochenhaut-Entzündung kaum noch schafft. Tapfere Carla! Sie wird noch ein paar Tage unter Drogen wenigstens Teile der täglichen Strecken laufen, aber auch das wird am Ende nicht mehr möglich sein. Das ist sehr schade, denn geplant war ja ein Wanderurlaub!

Tag 89: Strathyre nach Killin

Heute geht es Carla erstmalig schlecht. Schon gestern hatte sie wohl Schmerzen im linken Fuß, aber heute morgen muss sie Schmerztabletten nehmen, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Wir kennen solche Situationen auch schon: Friedel ist auf der Etappe 4 „White Peak“  zwei Tage lang ausgefallen, weil er große Probleme mit dem Knie hatte. Steffi ist im Urlaub darauf auf dem Pennine Way umgeknickt und die Etappe von Skipton nach Malnahm konnten wir deshalb „knicken“. Jedoch haben wir uns immer wieder erholt, also hoffen wir das Beste auch für Carla. Allerdings ist die heutige Etappe von 21 Kilometern kein Pappenstiel …

Der Weg heute verläuft durch das Glen Ogle, worauf sich Friedel schon lange freut. Aber zunächst geht es von Strathyre aus auf schmalen Wegen durch ein liebliches Waldstück. Die Sonne scheint apart zwischen den Bäumen durch, es duftet nach Moos und Tannennadeln. So mögen wir das!

Allerdings landen wir recht bald wieder unsanft auf einem fetten Waldweg. Der führt mit einer großen Schleife (Switchback) zum Kingshouse Hotel, wo wir auf der Terrasse einen Kaffee nehmen. Das Live-Programm des Hotels ist sehr ansprechend: Auf der gegenüberliegenden Wiese versuchen zwei Männer, eine zottelige Mutterkuh und ih Kalb dazu zu bewegen, in einen Transporter zu steigen. Die Viehtreiber bedienen sich dabei allerhand Tricks, die letztendlich (nach etwa dreißig Minuten) auch zu einem Erfolg führen.

Trotzdem sind wir froh, dass wir im „Ben Sheann“ und nicht im „Kingshouse“ abgestiegen sind – der Laden macht auf uns doch einen arg „professionellen“ Eindruck.

Nach dem „Kingshouse Hotel“ könnten wir noch einen Abstecher zum Dorf Balquhidder machen, um Rob Roys Grab zu besuchen. Mehrmals wurde uns zugesichert, dass dies absolut lohnenswert sei. Allerdings haben wir heute schon 21 Kilometer zu laufen und der Abstecher wurde zusätzliche sechs Kilometer bedeuten – zu viel also.

Also bleiben wir auf dem RRW und laufen an der Balquhidder Station vorbei auf einem alten Bahntrack weiter. Dieser schlängelt sich aussichtsreich bis auf die Höhe von Lochearnhead und Loch Earn, allerdings müsste man ordentlich absteigen, um zum Ort zu gelangen.

Heute haben wir erstmalig so etwas wie eine „Steigung“ zu erklimmen, jedoch sind das auf den Tag gesehen auch nur 350 Meter Höhenanstieg. Also auch kein Grund für Friedel und mich, aus der Puste zu kommen. Carla leidet allerdings schon, und nicht nur  unter dem Anstieg, sondern auch unter ihrem Fuß. Belohnt werden wir allerdings mit durch einen tollen Ausblick auf den blauen Loch.

 

Am Eingang zum Glen Ogle warnt uns ein Schild, dass wir nun wildes Land betreten: Die nächsten drei Meilen folge der Weg einer alten Bahntrasse durch steiles Gelände, die außerdem der Erosion, Erdrutschen und Abgründen ausgesetzt sei. Danger! Beware! Huhhh!

Aber heute wohl nicht. Die Sonne knallt auf den Weg und lediglich ein paar Federwolken spenden hin und wieder mal etwas Schatten. Es geht leicht bergauf und zunehmend stehen links und rechts steile braune Berge, durchfurcht von Wasserrinnen. Am Fuß unserer Schlucht fließt der Ogle Burn und glitzert hin und wieder durch die Bäume hindurch. Auf der anderen Seite des Tals verläuft leider den ganzen Weg lang die A85. Durch die steilen Wände des Tals wird der Verkehrslärm laut zurückgeworfen, vor allem die Motorräder machen einen Höllenlärm.

Wir laufen über ein pittoreskes Viadukt bis auf den höchsten Punkt des Passes auf 288 Meter. Hier treffen wir auf einen See, aber auch wieder auf die Straße. Da der See direkt an der Straße liegt und sich auch keine Sitzgelegenheit bietet, überqueren wir die Straße und landen auf einem Parkplatz mit Picknickarreal, das aber heute am Samstag voll von Bikern belegt ist. An der Seite steht eine fiese kleine Wurstbude. Friedel ist natürlich versucht, dort nach einem Kaffee zu fragen, aber der Fettgeruch lässt keine kulinarischen Genüsse hoffen.

Da der Rob Roy Way sich hier von der Straße entfernt und durch ein Waldgebiet nach Killin führt, machen wir, dass wir weiter kommen. Tatsächlich finden wir auf einer Lichtung im Wald einen schönen Picknickplatz, sogar mit einem Tisch und Bänken!

An einer Weggabelung beschließen wir, nicht den Rob Roy Weg weiterzugehen, sondern nach rechts in einen unmarkierten Waldweg abzubiegen. Der RRW würde schnell wieder auf dem Bahntrack landen und damit wieder in der Nähe der A-Straße verlaufen.

Tatsächlich umgibt uns auf unserem Waldweg eine wunderbare Ruhe. Die späte Nachmittagssonne knallt nicht mehr so und wirft ein schönes Licht durch das Blätterdach auf unseren Weg. Kurz vor Killin landen wir wieder auf dem Bahntrack und damit auf dem RRW, gerade rechtzeitig, um noch die Falls of Dochart zu sehen. Hierbei handelt es sich eigentlich nicht um wirkliche Fälle, sondern eher um felsige Kaskaden. Mag sein, dass bei einem höheren Wasserstand das Wasser auch mehr fällt, heute plätschert es eher gemütlich über die Steinstufen.

Heute am Samstag werden die Falls von jeder Menge Volk belagert. Überall haben Besucher an flachen Stellen Handtücher und Decken ausgebreitet, Kinder spielen im Wasser. Da wir morgen einen Ruhetag in Killin einlegen, laufen wir weiter zu unserem Hotel. Morgen haben wir noch genug Zeit, die Falls in Ruhe zu fotografieren, und das hoffentlich ohne die vielen Leute.

Carla ist froh, die 21 Kilometer heute geschafft zu haben. Sie ist am Abend glücklich und zufrieden mit zwei Pints und einem Abendessen. Friedel und ich laufen nach dem Abendessen aber noch zum Loch Tay. Im Abendlicht ist der Weg am River Lochay besonders stimmungsvoll. Der Fluss ist sehr still und links und rechts ragen Baumstümpfe und Äste ins Wasser. Wasservögel schreien um die Wette und man fühlt sich fast in die Sümpfe von Louisiana versetzt (jedenfalls stellen wir sie uns so vor). Den See umstehen uralte, knorrige Bäume.

Da der Rückweg über die Pier Road auch noch die größte Bluebell-Kolonie hat, die wir je gesehen haben, beschließen wir, dass wir das alles morgen auf jeden Fall auch noch Carla zeigen müssen.

Tag 88: Callander nach Strathyre

Wieder keine besondere Herausforderung heute: Die Karte verspricht erneut viel Straße und wenig Steigung (150 Meter Anstieg im Verlauf des Tages). Wer hätte das gedacht, dass Friedel und ich uns so unterfordert fühlen würden?

Zunächst geht es auf einem alten Eisenbahntrack aus Callander hinaus und in den Wald. Bevor wir den Wald erreichen, gibt es noch einen schönen Blick auf Ben Ledi. Schon kurz vor Kilmahog weist uns ein Schild am Weg darauf hin, dass der Weg nach Strathyre wegen Bauarbeiten gesperrt sein soll: Was? Wo sollen wir den dann lang gehen? Etwa an der vielbefahrenen A84 entlang? Nix da! Wir vertrauen darauf, dass wir schon irgendwie durchkommen werden. Sollten wir  von irgendwelchen Bauarbeitern angemeckert werden, vertrauen wir darauf, dass sie bei uns dummen Ausländern Milde walten lassen.

Wir checken noch, ob es links vom Loch Lubnaig irgendwelche Möglichkeiten geben könnte, uns auf den Berg zu schlagen, aber wir sehen keine: Entweder wir entscheiden uns spätestens in zwei Kilometern, uns auf die andere Seeseite und damit auf die A-Road zu begeben, oder wir bleiben stur auf unserem Eisenbahntrack – Koste es, was es wolle! Natürlich halten wir uns an den RRW und bleiben links vom See…

Unser Weg verläuft größtenteils parallel zum Radweg Nr 7. Wir treffen kaum Wanderer, aber durchaus Radfahrer – auch aus der uns entgegenkommenden Richtung. Das lässt uns vermuten, dass wir weiter kommen. Also vorwärts!

An den Strathyre Forest Cabins gibt es ein Café, das sogar geöffnet hat. Yeah! Wir freuen uns über die Kaffeepause, zumal es Plätze auf der Terrasse gibt. Wir stellen uns vor wie es wäre, in so einem Luxus-Blockhaus wie dort eine Woche Urlaub zu machen. Wäre uns da nicht grässlich langweilig? Ja und nein. Am See zu sitzen, zu lesen und hin und wieder einen Kaffee zu schlürfen wäre auch nicht schlecht. Aber eine Woche wäre uns definitiv zu lang.

Niemand von der Forstbehörde ermahnt uns, dass es nicht weiter geht. Also geht es für uns weiter. Die Sonne lacht, und trotz der geringen Steigung kommen wir gegen Mittag sogar etwas ins Schwitzen.

Loch Lubnaig ist hübsch, ohne Zweifel. Aber das richtige Wildnis-Gefühl will nicht aufkommen – dafür ist der Weg zu breit, zu glatt, und die A-Road brummt von der anderen Seeseite her. Außerdem verläuft am gesamten See entlang eine Stromleitung. Nicht nur, dass die Kabel neben uns verlaufen – Nein, immer wenn der Weg unter der Leitung verläuft, wird die Höhe der Durchfahrt mit fetten gelben „Toren“ markiert, die wohl Forstfahrzeuge auf die Leitungen aufmerksam machen sollen.

Wir traben ansonsten ohne weitere Zwischenfälle am Seeufer entlang. Einmal passieren wir eine kleinen Bagger, der uns aber bereitwillig vorbeigehen lässt. Das muss die große Baustelle sein, für die der ganze Weg „Attention!“ gesperrt wurde!?

Der Weg führt uns größtenteils auf dem alten Bahntrack entlang durch Wald. Überhaupt, der Wald: In England hatten wir nicht so viel davon. Hier haben wir einige auch längere Passagen durch Waldgebiete. Wenn der Wald intakt ist, sind die Wege hindurch oft sehr abwechslungsreich und schön: Der Waldboden ist bedeckt mit Moosen in verschiedenen Farben, außerdem gibt es Blaubeerbüsche, Farne … aber so früh, wie wir dieses Jahr unterwegs sind, sind die Farne noch gar nicht so richtig „entrollt“. Immer wieder stellen wir uns vor, wie hübsch so mancher Farnwald wohl später im Jahr aussehen würde.

Als der See zu Ende ist, verläuft der Weg eher langweilig zwischen eingezäunten Wiesen bis nach Strathyre. Erstmalig fällt uns hier auf, dass es gar nicht unbedingt die Teer- bzw. Schotterstraßen sind, die uns so stören: Links und rechts der Straßen und Wege sind die Wiesen leider meistens eingezäunt. Das hemmt den Blick und vor alle auch das Gefühl von Weite. Auch wenn der Blick weit bis auf die umliegenden Berge schweifen kann: Wenn direkt neben einem links und rechts Zäune verlaufen, das stört irgendwie!

In Strathyre gibt es nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten, so dass ich uns rechtzeitig im „Ben Sheann“ zwei Zimmer reserviert habe. Die Kritiken waren nicht so überragend, aber das kleine Hotel entpuppt sich als Kleinod.

Die Zimmer sind sehr hübsch dekoriert und die Besitzerin ist sehr freundlich. Wir verbringen einen netten Abend im kleinen Restaurant des Hotels. Es gibt nicht viel Auswahl auf der Speisekarte, aber das Essen ist lecker und ansprechend. So mögen wir es, gemütlich und nicht zu „posh“. Die Lage des Hotels direkt an der dichtbefahrenen Durchgangsstraße stört etwas, aber zum Glück haben wir Zimmer nach hinten heraus.

 

Tag 87: Aberfoyle nach Callander

Auch der heutige Tag wird uns nicht erschöpfen: Ein Anstieg von ca, 250 Meter ist zu erwarten, das ist nicht viel mehr als gestern.

Der Weg führt uns heute zunächst an der Straße bis fast ganz aus Aberfoyle hinaus. Am Medical Center am Ortende geht es links eine Fahrstraße bergauf. Danach geht es oben an einem Golfplatz entlang. Das Wetter ist mal wieder wunderbar und wir haben einen tollen Ausblick auf die Campsie Fells nach vorn und zurück auf den Ben Lomond.

Auf einem guten Forstweg geht es durch einen recht hübschen Wald bis zu einem Gatter. Hier endet der Wald und damit der breite Weg. Vor uns öffnet sich eine Moorlandschaft, wie wir sie lieben: Der Weg geht durch das hohe Gras, verschiedene Schattierungen von Braun und Gelb wechseln sich ab. An den Seiten des Tals stehen blühende Ginsterbüsche, sehr schön!

Auf einer Anhöhe machen wir unsere erste Pause mit Tee und Keksen.

Der folgende Weg durch das Moor ist nur ein Trampelpfad. Wir freuen uns über den endlich unebenen Boden unter den Füßen, denn die Forstwege und Asphaltstraßen erschöpfen sowohl die Füße wie auch das Auge.

Es geht weiter über die Ebene. Wir sind froh, dass es länger nicht geregnet hat: Bei Regen muss der Pfad sehr sumpfig sein! Obwohl es eigentlich schon länger trocken war, ist es unter unseren Füßen recht wabbelig und wir müssen immer wieder „von Bult zu Bult“ springen. So erreichen wir durch schöne, abwechslungsreiche Landschaft Loch Allt a Chip Dhuibh, einen hübschen See circa am höchsten Punkt auf unserer heutigen Etappe. Von nun an geht’s abwärts, leider wieder auf einem Forstweg.

Wir wandern erneut in einen Wald hinein. Durch die Bäume haben wir einen schönen Ausblick auf Loch Venachar, unseren ersten große Loch auf unserer Tour. Der See ist zwar ein Stausee, aber das sieht man ihm nicht an – er wirkt sehr natürlich.

Da auch hier wieder der schottische Baum-Kahlschlag zugeschlagen hat, haben wir auch hier wieder phantastische Ausblicke von der Halbhöhenlage auf den See hinunter. Wir machen Selfies mit dem See im Hintergrund, die wir Kollegen, Familie und anderen schicken.

Am Seeufer angekommen, treffen wir wieder auf eine asphaltierte Straße. Die letzten 4,5 Kilometer geht es über diese bis nach Callander. Bevor wir in das Ortszentrum kommen, trinken wir eine Pause in einem Café, das zum Hostel im Ort gehört.

Heute Abend kommen wir im Waverley Hotel unter. Hübsch altmodisch, aber gut geführt.

Nach dem Abendessen wandern Friedel und ich noch zu den Bracklinn Falls hoch. Das lohnt sich auf jeden Fall: Bei dem wenigen Regen der letzten Tage läuft nur ein Rinnsal über die Kaskaden. Aber die Schlucht ist auf jeden Fall gewaltig und man kann ahnen, wie viel Wasser hier zeitweilig fließt.

Insgesamt war heute ein toller Tag und der erste, an dem eine Art „Wildnis-Gefühl“ aufgekommen ist. Insgesamt scheint uns der Weg bis jetzt wesentlich zahmer als der „Pennine Way“. Oder liegt das am Wetter?

Definitiv nicht nur. Der Rob Roy Way ist weniger abgelegen, weniger sumpfig, führt häufiger über Straßen, ist dem Wind nicht so ausgesetzt …

 

Tag 86: Drymen nach Aberfoyle

Während man zum West Highland Way Drymen östlich verlässt, laufen wir nach Norden. Startpunkt im Ort ist das Clachan Inn, einer der ältesten Pubs in Schottland. Ausserdem natürlich in Erbfolge von den McGregors…aber Rekordhalter oder nicht, das weiße Cottage ist auf jeden Fall sehr hübsch.

Die ersten sechseinhalb Kilometer heute führen wieder über eine „Minor Road“, aber auf jeden Fall über Asphalt. Die Straße ist jedoch kaum befahren und hübsch von Mauern und Bäumen eingefasst. Links und rechts liegen Wiesen mit Schafen und Lämmern und Ginsterbüschen. Ein Highlight am Morgen ist das „Muir Park Reservoir“, an dem wir eine erste Teepause einlegen.

Bemerkenswert hier ist vor alle die hemmungslose Forstwirtschaft der Schotten: In einem Areal, das mehrere Kilometer umfasst, wurden ALLE Baumstämme gefällt und die Baumstümpfe pittoresk liegen gelassen – entzückend anzusehen!

Mehrmals auf dieser Tour geht es uns so, dass wir laut Karte einen Wald passieren, aber in Wirklichkeit laufen wir durch eine Baumstumpfwüste. Und das nicht nur kurz, sondern über Kilometer. Schade eigentlich …

Am Drymen Road Cottage verlassen wir laut Karte endlich die Asphaltstraße, aber der Weg ist weiterhin asphaltiert. Egal. Der Wald ist jedoch auch hier arg dezimiert. Immerhin ist so der Blick auf die entfernt liegenden Berge möglich. Die Sonne lacht und wir kommen gut voran.

Immer wieder treffen wir heute auf die Wasserleitung, die vom Loch Kathrin nach Glasgow verläuft. Dies ist nicht so interessant, als dass wir in Rob Roy Country unterwegs sind: Loch Kathrin ist auch der Geburtsort von Rob Roy. Traditionell war dies das Clan-Gebiet der McGregors, die aber beim König in Ungnade fielen und sich deshalb als Diebe und Wilderer verdingen mussten. Ihr bekanntester Vertreter ist Robert McGregor, der wegen seiner roten Haare auch Rob Roy (Roter Robert) genannt wurde. Dieser „Robin Hood des Nordens“ ist bis heute sehr populär und wird ähnlich verehrt wie Robin Hood oder Owen Glwyndr in Wales.

Der Weg, auf dem wir laufen, ist ihm gewidmet. Zu Roberts Zeiten müssen die Wege jedoch viel wilder gewesen sein. Wie hätte er sonst seine Verfolger abschütteln können?

Wir wandern jedoch auf ebenen und breiten Wegen bis nach Aberfeldy. Unser Resümee für den Tag: Keine atemberaubende Tour, aber recht nettes Schlendern, vor allem wegen des exzellenten Wetters. Besonders in Erinnerung geblieben ist uns die lange Mittagspause, die wir in der Sonne dösend neben einem Teilabschnitt der Wasserleitung verbrachten. Das Gras dort war grün und nicht sumpfig!

Am Abend erreichen wir recht früh Aberfoyle, denn der Weg war heute nun so gar nicht anstrengend. Da haben wir doch noch Zeit für ein Pint im der Nachmittagssonne! Danach besuchen Friedel und Carla die Aberfoyle Wool Mill, die angeblich ein Touristenmagnet ist. Beide kehren enttäuscht zurück: Der Laden führt nur Ramsch, und von Wollknäueln keine Spur.

Ansonsten macht der Ort einen eher verschlafenen Eindruck. Das soll das Tor zu den Highland sein? (Wie wie später erkennen, behaupten das noch einige andere Orte 🙂

Wir übernachten im Forth Inn – eine gute Adresse! Obwohl nicht viel los ist, ist die Bewirtung gut und das Ambiente sehr angenehm. Dies ist auf jeden Fall einer unserer besseren Übernachtungen in Schottland. Wir schlafen gut und tief und freuen uns auf einen neuen Sonnentag, den die Wetteraussichten sind exzellent!

Ein „Ruhetag“ in Glasgow

Heute haben wir einen Städtetag – der zählt nicht zur Tour, und Steffi hätte ihn gar nicht erwähnt! Aber erwähnenswert ist er ganz bestimmt, allein schon wegen der Bilder! 🙂

Glasgow als die größte Stadt Schottlands ist auf jeden Fall eine Besichtigung wert. Es gibt die klassischen roten Hop-on-Hop-off-Doppeldeckerbusse, mit denen wir erst mal die typischen Ziele im Vorüberfahren angeschaut haben: Die River Clyde Anlegestellen, SEC Armadillo (das Gürteltier), SSE Hydro (die Untertasse), das Science Centre, usw.

Schön an den Touri-Bussen ist, dass man zu den einzelnen Orten ein wenig zur Geschichte erzählt bekommt, Zahlen, Daten, Fakten, und je nach Moderator die eine oder andere lustige Tratschgeschichte – mit ein wenig Glück gibt es auch eine deutsche Kopfhöreransage.

Anschauen wollten wir uns dann nur die Kathedrale mit Nekropolis, dem großen historischen Friedhof, und den People’s Palace and Winter Gardens.

Weil wir dann noch sehr viel Zeit hatten, sind wir noch schnell ins Kelvingrove Art Gallery and Museum hinein gehuscht, um dann gemütlich im Park um die Universität zu bummeln und wieder ins Stadtzentrum zurückzulaufen.

Good oude Wetherspoon hat uns schön versorgt, und übernachtet haben wir im Premier Inn – zwei zuverlässige Adressen in diesen großen Städten, wo einen das Angebot ja schnell erschlagen kann.

Tag 85: Milngavie to Drymen

Nach einem Tag in Glasgow sind wir ganz wild darauf, endlich wieder unebenen Boden unter den Füßen zu haben!

Der heutige Tag deckt sich mit der ersten Etappe des West Highland Ways. Die Sonne lacht. Startpunkt des Weges ist Milngavie. Als wir unter dem Eingangstor des West Highland Ways Fotos machen, stehen dort zumindest vier andere „Pärchen“, von denen mindestens drei deutsche sind. Wir haben es gewusst! 🙂

Der Weg führt uns mit hübscher arrangierter Wegführung aus Milngavie heraus. Am Craigallian Loch passieren wir unseren ersten „Loch“ – klein, aber recht hübsch.

Es geh durch Heidelandschaft heraus aus der Stadt und immer näher an den Drumgoyne heran. Der Berg ist zwar nur 422 Meter hoch, aber überragt beindruckend die Lowlands. Kein Wunder, dass die naheliegende berühmte Whisky-Destillerie den Berg zu ihrem Wahrzeichen gemacht hat.

Nein, wir machen keinen Abstecher zur Destillerie und besuchen keine Führung. Schon bei unserer ersten Schottland-Tour 2008 in der Speyside sind wir keine Whisky-Freunde geworden und auch dieses Mal werden wir es nicht. Vielleicht müssen wir dafür noch tiefer in das Herz Schottlands vorstoßen?

Kurz vor Drumgoyach sitzen einige Wanderer im Schatten. Sie schauen uns erwartungsvoll an…Friedel schmettert ein heiteres „Grüß Gott!“ in die Runde, und sechs Deutsche amüsieren sich laut lachend darüber, dass schon wieder Landsleute vorbei kommen!

Tatsächlich haben wir ein wenig das Gefühl, in einer Kolonne zu laufen. Ein bisschen stört uns auch das große Aufkommen an deutsche Wanderern. Aber warum eigentlich? Wir fragen uns, ob es uns weniger gestört hätte, wenn dort vier englische Pärchen auf uns gewartet hätten. Aber generell haben wir es genossen, in Somerset, Shropshire, Yorkshire nur so wenige Menschen zu treffen, egal ob es sich um Briten oder um Deutsche handelte. Dass von den vielen Wanderern hier so viele aus Deutschland kommen, das ist schon merkwürdig ..

Der Weg von der Destillerie bis nach Drymen verläuft weiter auf dem Bahndamm und dann auf einer „Minor Road“, also auf einer wenig befahrenen Straße. Das ist das erste Mal, das wir auf einem markierten(!) Wanderweg auf einer Straße laufen müssen. Goodbye England, hello Scotland! Auch wenn Englands Ruf als Wanderland im Ausland nicht besonders gut ist: Hut ab vor den ausgezeichneten und kreativen Wegen in den Midlands!

Wir sind froh, dass wir nicht auf dem lieblosen „Campingplatz“ vor Drymen unterkommen müssen. Von der Straße aus wirkt er nicht sehr einladend. Stattdessen laufen wir bis in den Ort und kommen im „Drymen Inn“ unter. Das Gasthaus ist okay, aber erstmalig haben wir das Gefühl, dass es in Schottland nicht genug Geld gibt, um die Gaststätten und ihre Umgebung ausreichend zu pflegen. Carla, die ursprünglich aus dem Gastgewerbe kommt, bestätigt unseren Eindruck: Der Hof des Drymen Inn, in dem wir bei einem Kaffee unser Ankommen feiern wollen, ist total „verschissen“ durch Möwenkot. Die Innenanlagen sind okay und die Küche sehr gut, aber der Service ist selten schnarchig. Schade, aber im Vergleich zu England haben wir hier das Gefühl, dass man von früherem Ruhm zehrt. Wird sich dieser Eindruck im Verlauf der Tour bestätigen?

 

Tag 84: Auchinstary Marina (Kilsyth) nach Milngavie

Den ersten Teil des Tages geht es weiter entlang des Forth and Clyde Canals und auf dem John Muir Way bis Kirkintilloch. Heute sehen wir endlich mal Boote in Bewegung. Weil Sonntag ist? Weil es Mai wird? Jedenfalls begeben uns auf dem Kanalweg bis Kirkintilloch gleich drei Kähne, deren Insassen uns freundlich winken.

Bis Kirkintilloch ist die Straße immer in der Nähe des Kanals, aber wohl wegen des Sonntags hält sich der Autoverkehr in Grenzen. Angenehmes Gehen, bei dem sich erkleckliche Kilometer schnell abreißen lassen. In Kirkintilloch bei der Kirche nehmen wir einen Kaffee und verlassen den Kanal: Stattdessen folgt der John Muir Way nun einem alten Bahntrack. Wir folgen diesem bis Lennoxtown. Hier stand Steffi bei der Vorausplanung vor der Entscheidung: Bleiben wir auf dem Bahndamm bis Strathblane oder laufen wir querfeldein nach Milngavie? Auf jeden Fall war am nächsten Tag ein Sightseeing-Tag in Glasgow eingeplant. Am Ende entschied die Erreichbarkeit – Strathblane ist nur per Bus zu erreichen (und weniger gut an einem Sonntag, was die Abfahrten heute auf zweistündig reduziert), Milngavie jedoch per Bahn.

Der Weg von Kirkintilloch bis Lennoxtown auf dem Bahndamm ist hübsch, aber ohne wirkliche Highlights. Als wir uns aber ab Lennoxtown abseits markierter Wege in die Hügel schlagen, kommt erstmals ein Schottland-Feeling auf: Oh farnbewachsene Hügel! Windbewegte Tannenwipfel! Der Duft des Heidekrauts im Wind! That’s why we came here! Carla jedenfalls wird dieser Abschnitt als der erste „echt schottische“ im Gedächtnis bleiben …

Zwar ist der Einmarsch nach Mingavie eher unspektakulär, aber egal. Wir wissen nicht, was Strathblane uns gebracht hätte. Aber die Hills zwischen Lennoxtown und Milngavie sind wunderbar, vor allem bei Sonnenschein.

Die Bahn von Milngavie nach Glasgow ist superpünktlich. Heute Abend und morgen werden wir damit jedoch aus der Natur herausgerissen und in die Stadt geworfen. Glasgow ist unserer Meinung nach sehenswert, aber sollte man dafür einen vollen Tag opfern? Das sei jedem selbst überlassen …

Tag 83: Falkirk nach Kilsyth

Nicht traurig sind wir heute, Falkirk zu verlassen. Uns erwartet ein abwechslungsreicher Tag entlang des Union Canals und dem Antonine Wall. Eine weitere Attraktion: Das Falkirk Wheel!

Aber zunächst geht es drei Kilometer über Falkirks Autostraßen zur Bahnstation Falkirk High. An deren Fuß treffen wir auf einen kombinierten Rad- und Wanderweg entlang des Union Canals. Auf dem Weg durch die Stadt beginnt es gemäßigt zu regnen. Da Friedel und Carla sich dieses Mal für einen Regenponcho als Regenschutz entschieden haben, zögern sie etwas, diesen im belebten Falkirk überzuwerfen. Carla entscheidet sich dagegen, Friedel dafür. Im Verlauf des Tages wird er ihn noch mehrmals auspacken, um ihn gleich fünf Minuten später wieder abzuwerfen. Typisch Schottland: Will es nun regnen oder nicht?

Eher nicht. Auch gut! So wandern wir nur leicht feucht entlang des Kanals bis zum Falkirk Wheel. Warm ist es heute nicht und ziemlich windig. Aber was soll’s – Hauptsache es regnet sich nicht ein!

Falkirk Wheel: Groß! Imposant! Das Schiffshebewerk wurde gebaut, um Schiffe vom Fort and Clyde Canal in den Union Canal zu heben und umgekehrt. Ein Wunderwerk der Technik, wie wir gelesen haben. Gern würden wir das Rad und seine Hebewirkung in Aktion bewundern, aber es kommt kein Schiff. Da wir schon auf dem ganzen Stück Kanal vor dem Wheel kein Boot gesehen haben, lohnt es sich wohl auch nicht zu warten. Also laufen wir unter dem Union Canal hindurch hoch zum Rough Castle, einer Befestigungsanlage, die zum Antonine Wall gehört.

Nächste Attraktion: Der Antonine Wall wurde circa dreißig Jahre nach dem Hadrianswall von Kaiser Antonius gebaut, ist aber nicht so bekannt wie der Hadrianswall. Einmal ist er kürzer – mit circa sechzig Kilometern ist er nur halb so lang wie sein großer Bruder. Außerdem ist die Befestigungsanlage nicht mehr so gut erhalten und führt weniger spektakulär durch weniger hügeliges Land. Nichtsdestotrotz sind wir gespannt auf diesen Teil des Walls, der allgemein als der besterhaltenste gilt. Wie erklimmen das ehemalige Fort und wir sehen – Nichts!

Wir stehen vor einer mehr oder weniger ebenen Rasenfläche, am Rand der Fläche gibt es einige Infotafeln. Hätten wir es nicht gewusst, wäre uns der Platz nicht aufgefallen. Der Erdwall und der Graben, an dem uns der Weg (es ist der John-Muir-Weg) weiterführt, ist jedoch deutlich zu erkennen. Insgesamt erinnert uns die Szenerie an den Offa’s Dyke in Wales, einer ähnlichen Befestigungsanlage, an der wir 2014 gewandert sind. Auch wenn es keine sichtbare Mauer mehr gibt, ist ein solch geschichtsträchtiger Ort immer beeindruckend für uns.

In Bonnybridge kommen wir zurück zum Kanal. Aber der Ort ist mitnichten „bonny“, also schön: Ein heruntergekommener Ort mit den typischen Plattenbauten der Lowlands – und ein Café gibt es auch nicht! Friedel ist fast versucht, einen Takeaway-Kaffee am Tesco zu erwerben, aber wir überreden ihn, weiterzuziehen, weiter am Fort and Clyde Kanal und damit auf dem John Muir Way.

Die nächsten vier Kilometer führen uns am Kanal entlang, aber auch immer in Sicht- und Hörweite einer vielbefahrenen B-Road. Besonders unschön: Viele Schotten nutzen scheinbar die Nähe des Kanals, um ihren Müll an den Ufern des Kanals zu entsorgen – Naughty!

Wir freuen uns, als wir mit dem Kanal die Nähe der Straße verlassen, unter der Autobahn durchlaufen und der Weg etwas ruhiger wird. Der Kanal verläuft schnurgerade durch die Wiesenlandschaft. Kurz vor unserem Ziel – Auchinstarry bei Kilsyth – rücken die Hügel auch näher an den Kanal heran, und der Kanal geht um ein paar Biegungen: Vögel finden sich auf dem Wasser ein, Wald und Farne bewachsen das gegenseitige Ufer. Hier macht es wieder Spaß, am Kanal zu wandern: Canal-Walking at it’s best. Jetzt fehlen nur noch ein paar romantische Hausboote – ja wo sind sie denn?

In der Auchinstarry Marina! Wir kommen für die Nacht direkt am Hafen im Gasthof „The Boathouse“ unter, und das recht luxuriös.

Der Laden ist gut geführt, wenn auch nicht billig. Bei linden Temperaturen würden wir abends auf der Terrasse sitzen und das Treiben auf den Booten beobachten. Aber warum fahren sie nicht? Ist dem Lowlander sein Boot, was dem Schwaben sein Gärtle ist? Soll heißen: Nutzen die Schotten die Hausboote wie wir die Schrebergärten, also zum „Hocken“  und zum Grillen?

Jedenfalls liegen in der Marina jede Menge Hausboote – bewohnt sind sie, aber sie werden nicht bewegt. Vielleicht sind wir zu früh für die Bootssaison?

Tag 82: Anreisetag nach Edinburgh, die Kelpies in Falkirk

In Edinburgh waren wir schon zweimal. Da wir schon am Mittag in Edinburgh landen, fahren wir nicht in die Stadt, sondern mit der Tram nur bis Edinburgh Park. Von dort aus sind wir schnell in Falkirk: Nur dreißig Minuten von Edinburgh Park bis Falkirk Grahamston – so schnell waren wir selten an einem Etappenstart! (okay, außer Hebden Bridge, das war auch nicht weit von Manchester .. )

Meine Recherchen hatten ergeben, dass es in Falkirk nicht besonders viel zu sehen gibt. Aber seit einiger Zeit gibt es eine Attraktion etwas außerhalb des Ortes – die Kelpies!

Circa vier Kilometer außerhalb des Ortes bewachen zwei über dreißig Meter hohe Pferdeköpfe aus Stahl eine Schleuse am Fort and Clyde Canal. Sie erinnern an mystische Wassergeister aus alten Sagen, aber auch an die Zugpferde, die hier früher die Lastkähne mit Kohle und Steinen zogen.

 

Die Skulpturen sind schon von Weitem zu sehen, aber besonders aus der Nähe sehr eindrucksvoll. Wir verbanden den Weg zu den Kelpies mit einer Wanderung entlang des Kanals und einem Rückweg durch den Helix-Park.

 

Den Rest des Tages waren wir mit Vorbereitungen für den Etappenstart am nächsten Tag beschäftigt und – dem ersten Ale in diesem Jahr! Außer den Kelpies und dem Wetherspoon-Pub fanden wir leider nichts anderes an der Stadt besonders ansprechend – Sorry, Falkirk!

Abschnitt 7: Glasgow Area und der Rob Roy Way

Anfang Mai 2017 wanderten wir die Etappe von Falkirk (zwischen Edinburgh und Glasgow) bis nach Blair Atholl am Rand des Cairngorms Nationalparks. Dabei liefen wir in einem großen Bogen nach Westen und dann wieder nach Osten. Der direkte Weg von Glasgow aus in den Norden hätte uns über den West Highland Way geführt. Diese von uns so genannte „Autobahn“ wollten wir jedoch meiden, da der Weg der wohl meistbegangene Wanderweg der Insel ist und wir es nicht so mögen, in einer Kolonne zu laufen. Außerdem sucht man in Schottland ja wohl die Einsamkeit, oder?

Bei meiner Recherche stieß ich auf den Rob Roy Weg. Dieser führt durch den Loch Lomond and the Trossachs Nationalpark, entlang vieler Seen bis zu den Cairngorms. Da wir 2008 schon einmal in den Cairngorms wandern waren und es uns dort sehr gut gefallen hat, war uns die Aussicht auf einen „Umweg“ über die Cairngorms sehr willkommen. Da auch Cameron McNeish diese Strecke für seinen „Scottish National Trail“ gewählt hat, entscheiden wir uns für den Rob Roy Way und gegen den West Highland Way.

Da der Rob Roy Way größtenteils auf Forstwegen und schwach befahrenen Straßen verläuft und sich die Etappen relativ kurz gestalten lassen, begleitete uns dieses Mal eine etwas ältere Freundin. Carla war schon 2014 auf dem Coast to Coast Walk dabei. Daher wussten wir, dass sie weder Steine noch große Steigungen oder lange Etappen verträgt. Aus diesem Grund erschien uns der RRW für sie ideal. Eigentlich hätten wir der Reihenfolge nach lieber erst den Pennine Way abgeschlossen und die Scottish Borders durchquert, aber die Aussicht auf nette Gesellschaft ließ uns unsere Pläne verschieben. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Fazit: Landschaftlich war die Strecke sehr schön, führte aber wenig durch abgelegene Natur, was man ja gemeinhin mit Schottland verbindet. Ein Großteil der Strecke verlief auf Teer- oder Schotterwegen in Sichtweite zu Straßen und Strommasten. Aufgrund des harten Bodenbelags war das Gehen nicht besonders freundlich zu den Gelenken: Unsere Freundin fiel in der zweiten Woche bereits voll aus, da sie sich aufgrund der einseitigen Belastung eine Knochenhautentzündung zugezogen hatte.

Wenn wir noch einmal über die Strecke entscheiden könnten, würden wir uns vielleicht doch für den West Highland Way entscheiden. Oder uns selbst einen Weg über die Berge suchen :-).

Ein besonderer Aspekt sei noch erwähnt: Wir hatten in 17 Tagen insgesamt nicht mal eine Stunde Regen. Unglaubliches Wetter! In Schottland! Incredible!