Von Garva Bridge nach Fort Augustus, 30km, 04.10.2018

Es geht noch viel nasser!

Heute war der bisher härteste Tag in unserer Wanderkarriere, echt!
Schon am Morgen hat es weiter geregnet. Das bedeutet Porridge kochen in der Apsis und ein klitschnasses Zelt einpacken. Brrr! Wie gut, dass wir für den Abend ein Hostel in Fort Augustus vorgebucht haben, da kann der Kram dann trocknen.
Aber zuerst heißt es die Rucksäcke zu schultern und die 28 Kilometer nach Fort Augustus über den Corrieyairak Pass zu laufen.

Die ersten fünf Kilometer geht es noch gemäßigt auf Asphalt bis zum Melgarve Bothy hoch. Da parkt zwar schon ein grüner Pick-Up mit Anhänger, aber im Bothy scheint niemand zuhause zu sein.
Wir sind froh, dass wir bei der Garva Brücke gecampt haben und nicht bis zum Bothy weitergelaufen sind: Dieses ganze martialische Jägervolk mit ihren Carmouflage-Anzügen und den komischen Jagdgewohnheiten ist uns nicht ganz geheuer. Wir stellen uns unter dem ehrbaren Jägerstand vor, dass man im Morgengrauen zu Fuß zu einem Jagdsitz schleicht und dort Stunden dem Wilde harrt. Die Jäger hier aber fahren mit den Geländewagen so weit es geht, laden dann eine Art Tarn-Caddie vom Anhänger herunter und fahren in die Pampa. Dort schießen sie bestimmt vom Fenster aus die Tiere ab. Wie wir gehört haben, müssen die Revierinhaber Schussquoten einhalten. Aber unter einer romantischen schottischen Jagd verstehen wir etwas anderes. Bestimmt setzten sie demnächst Drohnen ein! 😣

Kaum haben wir es uns im Bothy gemütlich gemacht, kommt einer der Herren zur Tür herein. Wie lange wir denn im Bothy blieben und wohin wir gingen. Es handelte sich aber mitnichten um ein Interesse an unserer Wanderung: „Okay, I’ll tell the boys!“ soll wohl er bedeuten, dass er uns vor dem Abschuss bewahren will!
Nach unserer Teepause wird es richtig fies: Der Wind bläst uns voll ins Gesicht und es regnet immer stärker. Je höher wir wandern, desto ärger wird es. Der Track verwandelt sich in einen zweispurigen Wasserlauf, von allen Seiten läuft das Moos aus wie ein voll gesättigter Schwamm. Bis wir zum Pass kommen, müssen wir mehrere Bäche überspringen, die sonst wohl eher Rinnsale sind. Zweimal müssen wir die Schuhe ausziehen und durchwaten. Kurz vor dem Pass geht es in steilen Serpentinen den Weg hoch, wir haben abwechselnd den Wind von links und von rechts. Wir sehen – absolut nichts! Nur die Hochspannungs-Masten der Überlandleitung, die parallel zu uns verläuft, zeigen sich hin und wieder im Regennebel. Der Wind bläst uns fast um und der Regen prasselt uns auf die Kapuzen. Mitten in den Regenwolken stolpern wir über nasses Geröll nach oben.

Auf dem Pass machen wir eine kleine Pause im Windschatten einer alten Militäranlage. Dann geht es weiter – nur runter von diesem Berg!

Unser nächstes Ziel heißt Blackburn of Corrieyairak. In dem Bothy wollen wir eine verspätete Mittagspause einlegen. Leider weht uns der Wind nach dem Pass weiterhin den Regen ins Gesicht, aber es geht wenigstens leicht bergab!
Als wir nach weiteren sechs Kilometern im Bothy ankommen, sind wir bis auf die Haut durchnässt. Ein interessantes Phänomen, das wir schon früher beobachtet haben: Wenn es richtig stark windet, halten Goretex-Sachen nicht mehr dicht – der Wind drückt die Nässe förmlich durch die Membran hindurch. Reißverschlüsse und Fotogürtel sind weitere Schlupflöcher für das Wasser. Wir essen schlotternd unser Pausenbrot und sind mal wieder glücklich über unsere Thermoskanne Alfi, die uns mit warmem Tee versorgt.

Unsere Goretex-Socken haben auch schon längst schlapp gemacht und auf dem Abstieg rennen wir förmlich den Berg hinunter, um unsere Füße wieder warm zu laufen. Wir nehmen es mit Humor und patschen durch die Pfützen.
Kurz vor Fort Augustus verlaufen wir uns, aber das macht nix – mittlerweile ist es wärmer und es hat zu regnen aufgehört. Wir haben von hier oben einen tollen Blick auf Fort Augustus und den Loch Ness, eingerahmt von den Bergen um uns. Statt 28 werden es 30 Kilometer, aber das warme Hostel wartet auf uns!
Wie glücklich und dankbar kann man über eine warme Dusche und trockene Sachen sein! Und das arabische Dinner im Boathouse direkt am Loch Ness hat wunderbar geschmeckt … 😊

P.S.: Zum zweiten Mal auf unserer kompletten Tour haben wir in einem Hostel geschlafen, dieses Mal sogar in einem Independent Hostel. Die Morag’s Lodge ist jedoch ein wenig merkwürdig: Fast alle Gäste sind Anfang zwanzig oder jünger und nehmen an einer „Sexy Highland“-Bustour teil. Wie wir später erfahren, gehört das Hostel dem Reise-Veranstalter. Am Abend gibt es ein lautes Quiz und eine Tartan-Party. Zum Glück ist unser Zimmer nach hinten raus … 🙂

9 Antworten auf „Von Garva Bridge nach Fort Augustus, 30km, 04.10.2018“

  1. In dem Hostel war ich auch schon. Und da lag ich dann im ‚female-dorm‘ mit Teilnehmern dieser Bustour, und es ging nur darum, wer auf wen steht und dass die gesagt hat, dass die sagte, dass der sie gut finden würde, aber…….so weiter und so fort 😁😂🤣
    Ich freu mich so, eure Beiträge zu lesen und die Bilder zu bewundern. Ihr kreiert Fernweh, das ist euch klar??????

  2. ……….Die Erinnerungen werden wach……. äh, nicht an Bustouren sondern an durchnässte Wandertage und stundenlanges Warten vor dem Wäschetrockner…… Ich finde eure Bilder toll und bewundere euch sehr, dass ihr in solch einem Wetter 30 km lauft (klar, was soll man auch sonst tun).
    Mich demotivieren solche Tage total, auch wenn sie spannende Geschichten schreiben. Also, Hut ab!

  3. Ja, zwei Tage gutes Wetter waren toll. Gestern hatten wir endlich mal einen schönen Camp – Abend und konnten draußen sitzen. Jetzt aber sind wir im Cluanie Inn gestrandet: Es gießt und gießt Heute war der Horror. Hier bleiben wir jetzt erst mal … 🙂

  4. Wie blööööööd! Aber irgendwie gehört es ja auch dazu, dass eben nicht immer alles so läuft wie man es sich wünscht. Besonders wenn man sich Tag und Nacht der Natur hingibt. Das mit dem Daumen drücken habe ich ja schon geschrieben 🙂

  5. Respekt, was Ihr da so angegangen seid! Da hätte ich echt schlapp gemacht. Hut ab und noch weiterhin viele tolle Eindrücke!

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