Tag 66: Greenhead nach Bardon Mill

Heute ist unser letzter Wandertag in diesem Urlaub – und wir werden den Hadrian’s Wall sehen! Darauf freuen wir uns schon lange, und bestimmt wird er ein Highlight des Pennine Way. Das Wetter sieht heute jedoch kalt und ungemütlich aus. Es ist deutlich zu merken, dass der Herbst einzieht.

Das Frühstück in unserem B&B serviert uns eine sehr freundliche Dame, allerdings sehen wir die muffelige Landlady noch mal beim Bezahlen. In letzter Minute überlegt sie sich noch, vielleicht doch noch mal ein paar freundliche Worte zu äußern und fragt uns nach unseren Plänen für den Tag. Wir aber steigen auf die pseudo-freundliche Konversation nicht ein – jetzt wollen wir auch nicht mehr!

Gestern Abend im Pub haben wir beschlossen, das wir doch noch etwas mehr vom Hadrian’s Wall sehen wollen. Deshalb laufen wir nicht wie ursprünglich geplant von Haltwhistle aus zum Wall, sondern fahren mit dem Bus nach Greenhead und haben so sechs spektakuläre Kilometer mehr auf dem Wall.

Das Busfahren klappt super. Kaum stehen wir an der Bushaltestelle, kommt der Bus auch schon.

Als wir in Greenhead ankommen, regnet es zwar nicht, aber der Himmel zeigt sich grau in grau. Nun geht es erst mal an einem Bach entlang nach oben. Kurz vor dem Wall treffen wir auf Thirlwall Castle. Dieses ist historisch jünger als der Hadrian’s Wall, aber auch nicht viel besser erhalten. 🙂

Um zehn Uhr treffen wir schließlich auf den Wall … ist es denn wirklich die Original-Mauer? Wir sind halt keine Experten, das Ding sieht aus wie kürzlich erst hochgezogen. Der Original-Wall wurde vom römisch Kaiser Hadrian in Auftrag gegeben, um das römische Reich gegen die immer wieder einfallenden schottischen Stämme der Skoten und Pikten zu verteidigen. Die komplette Anlage ist UNESCO-Weltkulturerbe, aber viel beeindruckender als die Mauer finden wir die Kliffs, die eine natürliche Barriere gegen den Norden darstellen: Wenn wir Römer wären, wir würden unsere Mauer auch genau hier errichten!

Wie wir schon am Low Force im Teesdale gelernt haben, bestehen auch diese Kliffs aus „Whin Sill“, dem mysteriösen Gestein, dass typisch für die kompletten Pennines ist.

Der Aufbau des Hadrian’s Wall hat System: Wachturm, Wachturm, Kastell, Wachturm, Wachturm, Kastell … von den Wachtürmen und den Kastellen sieht man jedoch nur noch die Grundmauern, und wenn man es nicht wüsste, würde man sie kaum sehen.

Typisches Beispiel: Besonders gespannt sind wir auf „Aesica Roma Fort“, unser erstes großes Kastell auf dem Wall. Was sehen wir? Ein paar Haufen mit quadratischen Steinen, halb versteckt unter einer Schafwiese und einem Bauernhof …

Natürlich sind wir ehrfürchtig, auf solch historischem Grund zu stehen. Aber wir sind halt keine Archäologen und was wir sehen, ist nur eine Auf-und-Ab-Piste mit ein paar alten Steinen … 🙁

Okay, das graue Wetter heute tut halt sein übriges. Der Hadrian’s Wall im Sonnenuntergang oder in Gewitterstimmung wäre halt „Ebbes recht’s “, aber bei diesen eintönigen Lichtverhältnissen heute kommt der Weg nicht so richtig ’raus. Noch dazu geht es ständig auf und ab – so eine Anstrengung an diesem unserem letztem Tag!

Als wir im Nieselregen schließlich an der Straße am „Turret 39B“ ankommen, sind wir nicht besonders traurig. Schade, dass wir den Pennine Way dieses Jahr nicht zuende laufen können, aber wir bedauern es nicht, den Hadrian’s Wall zu verlassen. Das letze Bild vom Wall ist ein Take vom „Sycamore Gap“ von Weitem, dem wohl berühmteste Fotomotiv auf dem Wall. Aber das Nahmotiv kann hoffentlich warten bis zur nächsten Tour, wenn wir besseres Fotowetter haben!

Wir sind aber noch nicht ganz fertig mit unserer Tour: Zunächst legen wir eine bequeme Mittagspause im Pub „Twice Brewed“ ein. Hier wollen wir das nächste Mal auch übernachten, wenn wir unser nächstes Abenteuer beginnen. Die Gaststätte ist heute an einem Freitagmittag gerammelt voll. Das Essen ist okay, aber irgendwie wirkt es wie der Teil einer Massenabfertigung. Egal, Hauptsache es gibt was zwischen die Kiemen!

Vollen Bauches machen wir uns auf den Weg nach „Vindolanda Roman Fort“. Hinter dem Wall gab es einige große Forts, die die Bereitstellung von Soldaten im Hinterland des Walls ermöglichen sollten. Viele Pennine-Way-Wanderer verpassen das Fort und Museum vermutlich, da es nicht direkt an den Wanderwegen liegt. Dabei ist gerade das Museum besonders sehenswert: Hätte mir nicht ein englischer Kollege (Danke, Jonathan!) das Museum speziell empfohlen, wären wir wohl nicht unbedingt darauf gekommen.

Hier werden neben den alten Steinen des Forts und guten Schautafeln in einem Museum auch die Exponate aus der Römer-Zeit ausgestellt, die man in der anaeroben Umgebung des Walls gefunden hat. Sowas haben wir noch nicht gesehen: Lederschuhe, Gürtel, Kleidung, Schriftstücke – alles durch das Moor über Jahrtausende konserviert. In diesem Museum könnten wir Stunden zubringen, so faszinierend sind die Funde: Nicht nur Keramik und Schmuckstücke der Römer, wie wir sie aus Mitteleuropa kennen – nein, Einkaufszettel, Bettwäsche, Gewürze, Spielzeuge, also Dinge des täglichen Lebens, alles konserviert, als sei es vor einhundert Jahren produziert worden – wow!

Als wir uns von Vindolanda auf den Weg nach Bardon Mill zu nächsten Bahnhof machen, bedauern wir es ein wenig, nicht mehr Zeit im Museum verbringen zu können. Die Zugfahrkarten zurück nach Manchester sind aber schon vorgebucht, also müssen wir fahren. Aber wir kommen ja wieder, wenn wir den Rest des Pennine Way und die Scottish Borders laufen!

3 Antworten auf „Tag 66: Greenhead nach Bardon Mill“

  1. Liebe Steffi,

    voller Interesse und mit wachsender Neugierde habe ich die Tagesbeschreibungen Eurer Irlandwanderung verfolgt. War richtig spannend zu lesen. Schade, dass nun erstmal Pause ist, aber irgendwann geht es ja weiter. Laufen, nicht gehen! Ein Interschied?

    Viele Grüße vom gebirgigen Peloponnes.
    Johanna

  2. Liebe Steffi,

    voller Interesse und mit wachsender Neugierde habe ich die Tagesbeschreibungen Eurer Irlandwanderung verfolgt. War richtig spannend zu lesen. Schade, dass nun erstmal Pause ist, aber irgendwann geht es ja weiter. Laufen, nicht gehen! Ein Interschied?

    Viele Grüße vom gebirgigen Peloponnes.
    Johanna

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  3. Hallo Johanna,
    das freut uns, dass dir unser Bericht gefällt. Wir wandern im Oktober den zweiten Abschnitt, dann gibt es bald wieder etwas Neues. Ansonsten schau doch einfach immer wieder mal in den Blog. Bleib dran!
    Viele Grüße
    Steffi

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