Was den heutigen Tag betrifft, haben wir zwei Routen zur Auswahl: Zum einen haben wir den South Tyne Trail, der auf einem alten befestigten Bahnweg verläuft und uns direkt fast bis nach Haltwhistle bringt. Zum anderen gibt es natürlich die Original-Route des Pennine Way, die am Anfang etwas oberhalb des Flusses und des Bahn-Tracks bleibt, später aber auch direkt am Fluss, während der Bahntrack etwas oberhalb verläuft. Wir wollen uns heute morgen nicht gleich festlegen, sondern wollen je nach Lust und Laune entscheiden, auf welchem Weg wir bleiben – heeey, wir haben unser Pensum fast geschafft! Wenn wir Bock haben, auf einem breiten Bahntrack zu laufen, dann machen wir das halt! Wenn wir davon genug haben und lieber auf einer verschissenen Kuhwiese herum stolpern wollen – warum nicht? 🙂
Der größte Unterschied zwischen den beiden Wegen ist jedoch, dass der Pennine Way bis nach Greenhead am Hadrian’s Wall führt, während die direkte Route nach Schottland über den South Tyne Trail uns nach Haltwhistle führt. Bis Greenhead wären es heute circa 26 Kilometer gewesen – trotzdem müssten wir morgen noch den Hadrian’s Wall nördlich von Haltwhistle passieren. Reserviert haben wir in einem B&B in Haltwhistle, also wird es eher der South Tyne Trail werden …

Wir haben es so entschieden, also soll es so auch sein! Also hadern wir nicht und stapfen morgens lustig zum alten Astoner Bahnhof, an dem der South Tyne Trail entlangführt.
Es macht Spaß, an den alten Gleisanlagen entlangzulaufen. Wie auf vielen Strecken in England wurde der Bahnbetrieb hier schon in den 1970ern eingestellt. Der alte Bahnhof ist nun ein Café, aber heute Morgen noch geschlossen. Der Bahnbetrieb wird mit alten Loks für die Touristen aufgehalten, aber trotzdem passieren uns auf unserem Weg heute zwei alte E-Loks, die Material für Instandhaltungsarbeiten transportieren. Stolz grüßt uns der junge (!) Lokomotivführer aus dem Vehikel, aber einen Anhänger hat er nicht dabei – Was transportiert er wohl??






Wie wir schon erwähnt haben: Wir mögen alte Bahntracks! Zwar läuft man manchmal in einer Art Röhre, aber es gibt auch erhöhte Bahntracks, von denen man einen tolle Rundumsicht hat. So auch heute auf dem South Tyne Trail. Also bleiben wir auf dem alten Bahntrack, er ist halt einfach bequemer und angenehmer als der Pennine Way.
Das Wetter heute ist herbstlich, aber sonnig. So zuckeln wir an alten Signalen und unter Viadukten gemütlich weiter, bis wir in Lintley an eine Baustelle geraten. Hier werden wir gezwungen, den Bahntrack zu verlassen. Die Umleitung verläuft über den Pennine Way! Wer hätte das gedacht! 🙂
Sollte jemand den PW nicht kennen, hier weiß er sofort, was Sache ist – sind wir noch eben trockenen Fußes über einen mit Split gefestigten Weg gelaufen, konfrontiert uns die Umleitung mit einem wurzeligen, matschigen, mit Springerle überwucherten Pfad am Fluss entlang. Dankeschön, werden Millionen Radfahrer und Sonntagsspaziergänger sagen – darum geht es also beim PW! Blut und Tränen!









Da wir heute aber keinen Zeitdruck haben und die Sonne lacht, nehmen wir die Unbill des PW locker hin: Zwei Kilometer Schlammpatt sind besser als 22 Kilometer davon.
In Slaggyford trifft der PW wieder den Bahntrack. Hier gibt es auch ein bestimmt tolles B&B in einer alten Kapelle. Da hätten wir gern übernachtet, aber leider gibt es keinen Pub oder Restaurant im Ort und damit kein Abendessen … aber wer sich damit arrangieren kann, hat bestimmt eine tolle Übernachtungsmöglichkeit …
Auch in Slaggyford entscheiden wir uns gegen den PW und bleiben auf dem Bahntrack. In Burnstones könnten wir uns erneut für den PW entscheiden – nee, heute nicht! Nach all den Strapazen des PW haben wir uns diesen Track verdient!






Mittlerweile merkt man, dass es Herbst wird. Am Nachmittag scheint noch die Sonne, aber ein Wind kommt auf, der einem durch Mark und Bein geht. Immerhin bleibt es trocken!
In der Nähe von Lambley spätestens muss man entscheiden, ob man nach Greenhead oder nach Haltwhistle laufen will. Wir laufen an Lambley vorbei und bleiben auf dem Bahntrack. Ein besonderes Highlight erwartet uns hier noch – das große Viadukt, dass über eine besonders breite Stelle des Tyne führt.












In der Tat ist der Bahntrack über das Viadukt sehr beeindruckend und es ist schade, dass der Pennine Way das Highlight nicht mitnimmt: Das Viadukt erhebt sich 35 Meter über den Fluss und die Brücke ist nur 3,5 Meter breit. So entsteht ein besonders filigraner und zerbrechlicher Eindruck, ein feines Stück englischer Ingenieurskunst und heute leider total ungenutzt. Wir sind komplett allein hier oben …
Ein zweites Highlight verspricht der Pub in Featherstone Rowfoot. Als wir dort ankommen, hoffen wir natürlich auf einen Kaffee. Der Landlord und die Landlady streichen aber gerade die Fenster und der Pub sieht eher geschlossen aus. Als wir vorsichtig anfragen, bekommen wir die charmanteste und freundlichste Antwort dieses Urlaubs: „If you want that it’s open, then it’s open!“ (Wenn Sie wollen, dass wir geöffnet haben, dann haben wir geöffnet!)
Vielen Dank, Wallace Arms in Featherstone Rowfoot! Der Kaffee war super und es gab sogar Kekse. Ihr habt voll erkannt, wie glücklich ihr Wanderer macht, die den ganzen langen Tag in Kälte und Wind vor sich hin trotten. You’ve made our day!












Die letzten Kilometer nach Haltwhistle laufen wir im Nu. Heute sind wir 22 Kilometer gelaufen, aber diese kann man in keiner Weise mit 22 Kilometern im Fell vergleichen: Als wir ankommen, ist es noch nicht mal 15 Uhr, und wir sind wir ein bisschen ausgekühlt, aber frisch wie der Morgentau!
Unser B&B ist gediegen, aber … uhhh! Das „Grey Bull“ war früher mal ein Pub am Rand des Ortes, aber heute wird es von einer spießigen, unwirschen Landlady verwaltet. Das Zimmer ist groß und es gibt sogar zwei Sessel, aber atmosphärisch ist der Laden supermuffig – nicht unser Geschmack. Wir verschlafen den Nachmittag und nach einem Gang in den Ort und einem guten Abendessen im SCHWARZEN Bullen inklusive zahlreicher Pints habe wir erneut gut geschlafen. So what, das ist Urlaub!