Tag 61: Middleton-in-Teesdale nach Langdon Beck

Heute ist ein „Ruhetag“! Die heutige Etappe beträgt nur 14 KIlometer und es geht fast den ganzen Tag am River Tees entlang. Hier ist also nicht mit großen Steigungen zu rechnen. Alles in allem wohl ein gemütlicher Sonntagsspaziergang!

Vorher gilt es aber noch, Lorraines fulminantes Frühstück zu vertilgen. Wir sind die einzigen Gäste und Lorraine und ihr Mann bekochen und unterhalten uns perfekt. Das Gespräch über Wandern in Deutschland und England wirkt echt und für beide Seiten interessant. Als wir schließlich von dannen ziehen bemerkt Friedel, dass es ab und zu doch nicht schlecht ist, mal in einem B&B zu übernachten ..

Heute ist wirklich der perfekte Tag für einen Herbstspaziergang. Die Sonne scheint, es herrschen angenehme Lauftemperaturen und die ersten Bäume färben sich bunt. Sehr hübsch sind auch die Weißdornbüsche mit ihren roten Beeren. Vereinzelt gibt’s die auch bei uns auf der Alb, aber hier in Nordengland stehen sie in rauhen Mengen.

Die ersten KiIometer wandern wir durch Wiesen, manchmal auch schmalem rutschigem Pfad zwischen Fluß und Wiese, wenn der Bauer wohl nicht erlaubt, dass man über seinen Grund läuft. Da heute Sonntag ist, kommen uns immer wieder mal Wanderer aus der Gegenrichtung entgegen, was manchmal recht eng wird.

Kurz vor dem Low Force laufen wir auf eine Gruppe männlicher Teenager auf, die schwerbepackt über den Pfad stolpern. Wir wundern uns über die Ungelenkigkeit und schlechte Haltung, mit der die Jungs durch die Lande ziehen, zudem sehen sie gar nicht glücklich aus. Wir freuen uns, als sie uns an einer etwas breiteren Stelle endlich Platz machen und wir vorbeiziehen können. Adiós, Muchachos!

Heute gibt es zwei besondere Highlights zu sehen: Gleich zwei Wasserfälle hat der River Tees zu bieten. Noch dazu gibt es am ersten ein Besucherzentrum mit Café!

Schon einen Kilometer vor dem Low Force kann man beobachten, dass der Fluss Blasen schlägt. Wir erklären uns dies damit, dass das Wasser durch die zwei Wasserfälle ordentlich durchgequirlt wird. In der Tat sind die „Niedrigen Fälle“ schon ganz schön beeindruckend. Das braune Wasser tost über diverse Steinstufen, und da wo momentan kein Wasser fließt, hat der Fluss dennoch im Verlauf der Jahrtausende blockartige Terrassen in den Stein geschliffen. Wie wir auf Hinweistafeln lesen, ist dieses vulkanische Gestein (Whin Sill) typisch für die Region im Norden Englands. Da es besonders hart ist, sind somit hier besondere Gesteinsformationen und Wasserfälle entstanden. Wir werden im Verlauf unserer Pennine-Tour noch weitere Formationen mit dem Gestein treffen: Auch High Cup Nick und die Hügel am Hadrian’s Wall bestehen daraus.

Wir fotografieren und staunen ausgiebig, dann geht es über eine schmale Hängebrücke auf die andere Seite des Tees nach Bowlees, wo es ein Naturreservat mit Besucherzentrum und Cafeteria gibt. Es ist zwar erst halb zwölf und wir haben nach unserem fetten Frühstück eigentlich noch keinen Hunger, aber man muss die Feste feiern, wie sie fallen!

Zwischen dem Low Force und dem High Force gibt es eine kleine Passage, bei der sich der Weg etwas vom Fluss entfernt und man durch etwas wie „Wald“ läuft. Hier müssen wir uns an einer Art Waschanlage die Schuhe waschen, um die Verbreitung eines Pilzes zu verhindern, der die hier wachsenden Wachholderbüsche angreift. Während bei uns auf der Alb Wacholder in Mengen wächst, scheint er hier wirklich selten zu sein. Natürlich sind wir für den Umweltschutz und waschen brav die Sohlen unserer Schuhe ab, gleich zweimal.

Am High Force haben wir Probleme, den Wasserfall überhaupt zu sehen. Der beste Anblick ist für die Besucher von der anderen Seite des Tees reserviert, die mit dem Auto anreisen, Eintritt zahlen oder gar Gäste des Hotels auf der anderen Seite des Flusses sind. Für uns armen Pennine-Way-Schlucker hat man nur das laute Rauschen des Falls übrig gelassen oder einen einzigen Aussichtspunkt, den man aufwändig finden muss, aber Steffi hat ja ihre Hausaufgaben gemacht, hihi!

Der angeblich höchste Wasserfall Englands ist in der Tat beeindruckend, 21 Meter fällt das Wasser in die Tiefe. Aber von Weitem fasziniert er weniger und auch das Wissen, dass die Wassermenge durch das Cow Green Reservoir eingeschränkt wurde, nimmt ihm insgesamt etwas von seiner Attraktivität. Insgesamt hat uns der Low Force besser gefallen, weil wir da einfach näher dran waren.

Trotzdem finden wir einen schönen Platz für unsere Mittagspause, sonnengewärmt und mit halbem Blick auf den Wasserfall. Oberhalb des Fall fließt der Fluss durch ein weites Tal und auf der anderen Seite fällt der Blick auf einen großen Steinbruch. Obwohl dieser den friedlichen Eindruck des Tals etwas stört, vermittelt dieser Wegabschnitt irgendwas von Kanada und einer Goldgräberstimmung: Weißt du noch, damals am Klondike?

Je näher wir Langdon Beck kommen, desto karger wird die Landschaft. Wir haben hier eine Moorlandschaft, wie wir sie lieben: Einsam, vom Wind gebeugte Bäume, Wasser,  eine Palette von Grün- und Brauntönen.

Kurz vor Cronkley machen wir eine Teepause, bevor es wieder ins obere Teesdale geht. Wir sitzen gemütlich auf unseren Matten auf einem Felsvorsprung, da stolpert die Teenagergruppe vom Vormittag wieder an uns vorbei: Eine Gruppe von 15- bis 16-jährigen mürrischen Jungs, die ihre Wanderkarten an einer Kordel um den Hals tragen und uns kaum bemerken, obwohl wir fünf Meter von ihnen entfernt sitzen. Mühsam steigen, nein fallen sie den Hang hinunter, so dass wir uns fragen, welche Schwierigkeiten wohl vor uns liegen?

Interessanterweise entdecken wir dieses Mal einen älteren Mann, der den Jungs in einigem Abstand folgt und immer dann anhält, wenn die Jungs nicht weitergehen. Da er sich scheinbar langweilt, kommen wir miteinander ins Gespräch: Er erzählt uns, dass er der Aufseher einer Gruppe der „Duke of Edinburgh’s“ sei, einer Art Pfadfinderprogramm, bei dem die Jugendlichen sich allein den Weg durch eine „wilde“ Landschaft suchen müssten. Die Jungs müssten selbstständig die Wanderkarten lesen und er dürfe ihnen nicht helfen, den richtigen Weg zu finden. Das Problem sei nun aber, dass dies leider die DÜMMSTE Gruppe sei, die er je betreut habe. An jeder Weggabelung diskutierten die Jungs, wohin es denn nun gehe, könnten sich nie entscheiden und gingen am Ende prompt den falschen Weg. Einer sei heute sogar gegen einen Ast gelaufen und ins Krankenhaus abtransportiert worden.

Wir haben heute Zeit, es ist erst halb zwei und wir sind fast schon am Ziel. Ohne darüber zu sprechen beschließen wir, dem netten Mann ein wenig Gesellschaft zu leisten und die Jugendlichen bei ihrem Kampf durch die Natur zu beobachten. In der Tat stoppen die Jungs an einer Weggabelung und diskutieren bestimmt fünf Minuten, ob sie nach links oder rechts gehen sollen. Der Begleiter regt sich auf: Wie wäre es, wenn die Gruppe sich mal trennen und kurz um die Ecke gucken würden, was würde sie dort erwarten? Dann würden sie schon erkennen, dass sich der eine Pfad ins Nichts verliert. Aber nein, sie diskutieren und diskutieren. Total genervt blafft der Betreuer sie durch das Walkie Talkie an, sie sollten doch mal die Augen aufmachen, aber ohne Erfolg.

Schließlich wird es auch uns zu bunt – Wir verabschieden uns von dem armen Mann und überholen die Gruppe. Immerhin erkennen sie durch unsere Initiative, wo der Weg verläuft, und zuckeln hinter uns her. So haben wir dem armen Betreuer doch noch ein wenig helfen können ..

Am Sawyer Hill biegt der Pennine Way nach Westen ab. Wir aber laufen noch ein kleines Stück nach Norden zum Langdon Beck Hotel. Das kleine weiße Hotel liegt einsam an der Bundesstraße im Tal. Süß ist es mit seinen blauen Faschen um die Fenster herum, aber es hat schon bessere Tage gesehen – In unserem Zimmer ist der Teppichboden wellig und die plüschigen Überdecken auf den Betten verblichen, aber das Zimmer ist groß und sauber und hat einen großen, einfachverglasten Erker mit Blick auf die Berge. Wir verbringen einen sonnigen Nachmittag auf den Stühlen im Erker und schauen auf die Berge. Kurz setzen wir uns später mit einem Ale auf den Rasenplatz vor das Hotel, aber heute Abend ist es schon richtig kalt.

Am Abend hat uns – wie hieß er noch, unser netter Wirt? – den besten Platz im Restaurant reserviert: Wir sitzen im baugleichen Erker wie der in unserem Zimmer und genießen von dort aus den Sonnenuntergang. Das Essen ist von guter Pub Food-Qualität, ohne große Schnörkel.

Wie wir im Internet gelesen haben, hat das Hotel Probleme zu überleben, wie wohl viele Gasthäuser auf dem Land. Es befindet sich in einer sehr abgelegenen Lage und bemüht sich, das ganze Jahr über geöffnet zu bleiben. Noch dazu nagt der Zahn der Zeit an so einem alten Gebäude und sie können immer nur Schritt für Schritt renovieren. Für und als Wanderer ist es ein Segen, dass solche traditionellen Wanderherbergen nicht schließen und wir sind glücklich und dankbar, dass wir dort übernachten können, auch wenn die Einrichtung nicht zeitgemäß ist.

Abends schauen wir auf einen ganz besonders klaren Sternenhimmel und die Nacht ist ruhig und friedlich. Auch das Langdon Beck Hotel ist eine der legendären Unterkünfte auf dem Pennine Way und wer es sich leisten kann, sollte hier übernachten. Unterstützt das Langdon Beck Hotel!

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