Jeder freut sich auf besondere Wandertage. Dem heutigen Tag hat besonders Steffi entgegen gefiebert. Nicht wegen der stellenweise durchaus ansprechenden Etappe, sondern weil am Ende der Tour die Übernachtung in „Camping Pods“ ansteht!
Carla hat schon am Vorabend beschlossen, dass sie der Straße am Seeufer folgen wird. Damit verkürzt sich die Strecke nach Ardtalnaig für sie um drei Kilometer und sie vermeidet die große Steigung (immerhin sind heute 521m angesagt!).
Wir hingegen folgen dem RRW den Berg hinauf zum Loch Breaclaich. Verabredet ist, das wir uns am Adeonaig-Hotel wieder treffen und einen Kaffee zusammen nehmen, so hoffen wir.
Zunächst folgt auch dieser Weg einer Schotterpiste durch abgeholzte Fichtenplantagen. Wie schon zuvor fragen wir uns, ob dieser Kahlschlag gut oder schlecht ist. Wird die Natur nun sich selbst überlassen? Oder wird mit der Kaledonischen Kiefer wieder aufgeforstet? Auf uns jedenfalls wirkt das Wandern durch diese Landschaft irgendwie deprimierend. Zu arg haben sich die Bagger in die Landschaft gefressen – Geht es vielleicht auch ein bisschen weniger rabiat?
Am Loch Breaclaich hört der „Wald“ auf und wir wandern am Rand des Staudamms immer höher bis zu einem Pass. Obwohl der Staudamm nicht gerade als schön zu bezeichnen ist, haben wir doch das Gefühl, endlich eine offene Landschaft vor uns zu haben: Keine Straßen! keine Zäune! Eine offene, bergige Landschaft mit nichts als dem Himmel darüber! Wind! Wir genießen besonders den Weg hinter dem Staudamm, auch wenn die Landschaft anderen Menschen vielleicht trist erscheinen mag. Wir haben ja auch die Hügel der Pennines gemocht. Dies hier erinnert uns sehr daran – verschiedene Töne von Braun und Grün, Felsen, schroffe Bergflanken – Marslandschaft. Aber der Blick ist frei und der Wind weht einem um die Ohren.
Auf dem Weg nach unten treffen wir erstens auf eine (skurril anmutende) Pipeline und zweitens auf schöne Blicke auf den Loch Tay hinunter. Vorbei geht es an eine Outdoor-Center immer weiter nach unten – bis wir am Seeufer anlangen und eine grinsende Carla sch aus dem Schatten eines Baumes erhebt. Wir alle sind bereit für einen Kaffee und freuen uns, dass wir uns wieder haben!
Das Ardeonaig Hotel erschien uns im Internet recht snobistisch. Aber als wir mit unseren Wanderschuhen hineingehen, werden wir ausgesprochen freundlich zu einem Innenhof geleitet. Dort bekommen wir als einzige Gäste einen Kaffee serviert, der sogar ausnehmend günstig und gut ist. Vor allen freuen wir uns darüber, die feudalen Toiletten zu benutzen. Sie erinnern an Boudoirs und die Hände trocknet man sich nach dem Händewaschen mit kleinen Frotteetüchern, die man anschließend in einen Korb plumpsen lässt. Die kleinen Hütten am Seeufer wirken sehr verlockend, und soooo teuer sind die Hütten nun auch wieder nicht. Wer weiß, vielleicht werden wir später hier mal ein paar angenehme Tage verbringen? Vielleicht wenn wir älter sind und nicht mehr laufen können?
Die freundliche Bedienung winkt uns sogar zum Abschied hinterher. Ardeonaig Hotel – sehr angenehm!
Die letzten fünfeinhalb Kilometer laufen wir zu dritt auf der wenig befahrenen Straße am Loch Tay entlang. Es geht leicht bergab und bergauf, links stets von erhöhter Position aus den See im Blick. Allerdings haben wir wieder links und rechts der Straße Zäune, was den Genuss ein wenig mildert. Wir beobachten sogar, wie ein trächtiges Schaf ein Lamm zur Welt bringt. So etwas haben wir noch nie gesehen!
In Artalnaig angekommen, laufen wir durch den Ort und wieder hinaus bis zum Holly Cottage. Dort warten zwei Camping-Pods auf uns. Die „Gürteltiere“ (Amadillas), sehr luxuriöse kleine Camping-Waben mit jeweils zwei Betten darin, sind – eingebettet in eine schöne Landschaft – ein Wunder an Platz und ein durchdachtes Konzept: Die Toilette ist gleichzeitig auch die Dusche. Unsere Gastgeberin Rosemary bringt uns sogar ein paar frisch gebackene Scones!
Das Holly Cottage bietet kein Abendessen, also wollten wir am Morgen in Killin verschiedene Zutaten für ein kaltes Abendbrot und einen Wein für den gemütliche Abend erstehen – Von wegen! Die freundliche Dame am Coop erklärte uns, dass man vor zehn Uhr in Schottland keine alkoholische Getränke erstehen könne! Was ist das nun schon wieder für eine merkwürdige puritanische Regel? Vollrausch erst ab zehn Uhr morgens? So haben wir nun auf den Wein verzichtet und genießen unseren Abend draußen mit (deutschem!!) Vollkornbrot aus dem Bio-Laden in Killin, Käse, Oliven und grünem Tee.
Ich hatte auf gutes Wetter gehofft und wir einen langen Abend im Garten des Holly-Cottages verbringen würden. Leider ist Carla heute fix und fertig und außerdem sehr wärmeliebend – schon früh zieht es sie in ihr Gürteltier. Friedel und ich genießen noch die untergehende Sonne über dem See und freuen uns, dass wir so früh im Jahr unterwegs sind, dass keine Midges unseren Abend trüben.