Tag 94: Pitlochry nach Blair Atholl

Der heutige Tag war bei der Planung eher als lästiger „Übergangstag“ geplant: Der Rob-Roy-Weg ist abgehakt, als nächstes folgen die Etappen durch die Cairngorms. Der Weg von Pitlochry nach Blair Atoll entlang der Bahnstrecke muss halt auch gelaufen werden. Der von Cameron McNeish vorgeschlagene Weg führt heute immer in der Nähe des Bahndamms, immer in Hörweite der B- und A-Roads, also dreierlei Belästigung. Trotzdem zählt die heutige Etappe zu einer der schönsten in diesem Urlaub. Wie das?

Nun…zum Einen haben wir kein nennenswertes Gepäck dabei…der Weg verläuft größtenteils auf Pfaden und nicht auf Forstwegen oder Teersträßchen. In der Zukunft werden wir wohl mehr auf solche Aspekte achten. Gelb unterlegte Straßen auf den Ordnance Survey Maps – vermeiden! Doppelt gestrichelte Wege  – auch nicht schön! Einfach gestrichelt – Yeah!! Aber das sagen wir jetzt, wo wir einen Urlaub ohne großen Matsch erlebt haben. Egal bei welchem Wetter, wir mögen die Pfade durch die offene Landschaft, bei denen uns nichts von der umgebenden Natur trennt. Pflastertreten ist einfach unangenehm, ob bei Regen oder Sonnenschein. Und lieber sind uns nasse Füße als Plattfüße! 🙂

Der Weg führt uns heute malerisch am Loch Faskally entlang. Der ist zwar ein schnöder Stausee, aber trotzdem ist er zwischen hohe Berge eingebettet und heute besonders ruhig und friedlich. Wir „rennen“ durch das Gelände, denn Carla wartet auf uns in Blair Atholl, um mit uns das Atholl Castle zu besichtigen.Sie hat sich so darauf gefreut, dass sie uns für den Eintritt in das Castle eingeladen hat. Also bemühen wir uns, die Strecke zu schaffen, bevor Carla mit dem Bus in Blair Atoll ankommt. Wir nehmen gern die Herausforderung an und werden noch vor dem Bus um 12:30 Uhr da sein. Sogar ein Kaffee in der alten Mühle in Blair Atoll wird noch drin sein, bevor der Bus unsere Carla anliefert.

Aber vorher führt uns der Pfad bis zum Soldier’s Leap immer am See entlang, und später am Fluss.  Der Weg führt tief durch eine Schlucht, die Straße und die Bahn führen wesentlich höher am Berg entlang. So hört man kaum den Lärm der Straße, auch weil das Rauschen des Flusses den Straßenlärm überdeckt.

Der Sodier’s Leap ist eine schmale Stelle im Fluss, von der ein Soldat bei der Schlacht von Killiecrankie von der einen zur anderen gesprungen sein soll. Bis heute haben wir allerdings nicht kapiert, wer da gegen wen gekämpft hat: Es gab die (schottischen) Jakobiten, die für die Wiedereinsetzung von Jakob dem II. aus dem Hause Stuart gekämpft haben. Aber die Gegenseite, zu der auch unser springender Soldat zählte – waren das keine Schotten? Waren es gedungene Handlanger? Verräter? Oder war unser springender Soldat gar – ein Engländer?

Egal! Die Stromschnelle ist hübsch, und das Wissen, an solch einem historischen Ort zu sein, macht die Stelle noch interessanter.

Nach Killiecrankie wechseln wir auf die andere Flussseite. Ab jetzt verläuft der Weg die nächsten fünf Kilometer wieder auf einer Straße. Da wir aber Kilometer machen wollen, stört uns das nicht besonders. Wir verbringen eine wunderbare zweite Frühstückspause an einem elysischen Ort am River Gary. (Ts ts ts! Wie konnte der River Tummel für uns so unbemerkt zum River Gary werden? :-). Unter Bäumen liegt hier ein gewaltiger natürlicher Sandstrand. Wenn wir Campen würden: Das wäre der ideale Wildcampingplatz!

Der Rest der Strecke verläuft auf einer Asphaltstraße, immer in der Nähe der bösen A-Road, die mit uns auf die linke Seite des Flusses gewechselt hat. Auf unserem Sträßchen ist wenig bis kein Verkehr, nur zweimal kommen uns riesige LKW entgegen, die zum nahe gelegenen Steinbruch unterwegs sind. Der erste Teil (10 Kilometer) unseres heutigen Tages war so schön, dass sie die letzten fünf weniger schönen Kilometer aufheben. Auf jeden Fall kommen wir gut und sehr zeitig in Blair Atholl an, so dass wir noch eine Kaffee trinken und Carla aus dem Bus holen können.

Wir wussten nämlich nicht, dass der Bus direkt bis zum Blair Castle fährt. So warten wir an der Bushaltestelle vor dem imposanten Tor zum Blair Estate auf Carla, aber die steigt nicht aus! Also laufen wir um den Bus herum und klopfen an die Scheibe.

Oh, hätten wir es doch nicht getan! So muss die Arme nun die lange Zufahrt zum Schloss hoch humpeln. Heute fällt uns dann besonders auf, wie schmerzhaft ihre Verletzung sein muss: Sie kommt wirklich nur im Schneckentempo voran!

Schon von weitem erwartet uns Dudelsackgedröhn. Ist das eine Abordnung der weltbekannten Atholl Highlanders? Nee, dies ist nur ein einzelner Pfeifer, der in voller Highlander-Montour in bestimmten Zeitabständen für die Touristen aufspielt und sich zwischenzeitlich um seinen Hund im Auto kümmert.

Blair Castle ist eins der bekanntesten Schlösser Schottlands und für die Öffentlichkeit zugänglich. Der derzeitige Besitzer des Schlosses, der x-te Duke of Atoll, wohnt nicht auf seinem Landsitz, sondern in Südafrika. Also ist das Schloss heute ein Tourismusunternehmen. Neben den Millionen Besuchern, die das Schloss und die dazugehörigen Parkanlagen besichtigen, lassen sich auch exklusive Jagd- und Fischerei-Ferien buchen oder man kann einen Caravan auf dem riesigen Campingplatz auf dem Estate mieten.

Es ist interessant für uns, mal wieder so ein Schloss von Innen zu besichtigen. In jedem unserer Wanderferien reicht uns aber eins davon. Dieses sticht durch seine zahlreichen Erklärungen heraus, welche Frau von welchem Duke auf welchem Ball das ausgestellte Kleid oder Gepränge getragen hat. Zahlreiche Galerien mit Ölschinken verraten uns, in welchem Verhältnis die verschiedenen Zweige der Atholl-Familie mit anderen europäischen Adelsfamilien verwandt sind. Wow! Am meisten beeindrucken uns aber die holzgetäfelten Treppenhäuser und der Saal, der speziell den Atholl Highlanders gewidmet ist – der Duke leistet sich bis heute die einzige legal bestehende Privatarmee Europas!

Friedel wird jedenfalls im Verlauf des Schlossbesuchs immer grimmiger: Ihn befremdet es, dass einzelne Familien so viel Reichtum anhäufen konnten und bis heute noch horten. Und dass sie mit ihrem Reichtum so protzten und dafür auch noch bewundert wurden. Und ist das nicht bis heute so?

Also genießen wir lieber noch einen ehrlichen Kaffee auf einer Parkbank im Schlosspark und durchlaufen einmal kurz die Parkanlage. Zurück geht’s mit dem Bus über die Straße über den Pass von Killiecrankie, die wir auf unserem Weg hin tief im Tal vermeiden konnten. In einer halben Stunde bringt uns der Bus zurück nach Pitlochry, wo unsere Tour dieses Mal endet.

Wir werden morgen mit dem Zug nach Dunbar an die Ostküste Schottlands fahren und dort noch zwei halbe Tage am Meer verbringen. Dort übernachten wir die Nacht von Samstag auf Sonntag in Dunbar und genießen die felsige „Promenade“ und die Klippen am Meer. Die Zeit reicht sogar noch, um kurz John Muirs Geburtshaus zu besichtigen.

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Bus zum berühmten Tantallon Castle und klettern zwei Stunden in den pittoresken Ruinen herum. Den Nachmittag verbringen wir im Seebad North Berwick, dass uns aber an dem Sonntag zu voll ist. Am frühen Abend geht es zurück zum Edinburgh Airport, denn unser Flug geht am Montag schon um sieben Uhr morgens. Wir übernachten im DoubleTree Hilton direkt am Flughafen, das gar nicht so teuer und snobistisch ist, wie wir gedacht haben. Für den letzten Abend ist es okay dort, zumal wir im Wetherspoon im Flughafen zu Abend essen und zum Frühstück nur ein paar Sandwichs einplanen.

Alles in allem war dies mal wieder ein angenehmer Wanderurlaub, vor allem, was das Wetter und die Landschaft betrifft. Getrübt wurde er allerdings von Carlas Fußproblemen und von den vielen Kilometern auf Asphalt oder Schotter.

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